Wegen der Corona-Verordnungen rollt in Leipzig seit Mitte März kaum noch ein Ball. Auch nicht im Zentralstadion. Bis jetzt, denn die DFL konnte sich durchsetzen und so darf RB Leipzig ab dem 17. Mai wieder spielen. Der Leipziger Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal ist auch für die Durchsetzung des Hygienekonzeptes verantwortlich. Im Interview erklärt er, warum andere erstmal warten müssen.
kreuzer: Warum hat die Stadt die Entscheidung an den Freistaat zurückgegeben, ob RB Leipzig das Mannschaftstraining aufnehmen kann?HEIKO ROSENTHAL: In der letzten Corona-Verordnung musste eine Ausnahmegenehmigung beim Land beantragt werden. Insofern sind wir da nicht verantworlich gewesen. Das hat das Sächsische Staatsministerium des Inneren in Abstimmung mit dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt entschieden. Neu ist, dass Sportstätten im Außenbereich geöffnet werden dürfen, wenn das Hygienekonzept steht. Das liegt nun wiederum bei uns und es ist zu fragen: Ist das Konzept ausreichend? Da hat es zwischenzeitlich ein Zuständigkeitswechsel gegeben.Ich glaube – und so empfinden es auch alle Außenstehenden – wenn die Liga fortgesetzt werden sollte, dann muss es für alle 36 Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga eine einheitliche Regelung geben. Hier kann nicht jede Stadt einzelne Hygieneanforderungen für den Profifußball definieren.
kreuzer: Kommt es zu einer Bevorteilung der Bundesliga gegenüber anderen Amateur- aber auch Profisportvereinen?ROSENTHAL: Das ist eine herausfordernde Frage, weil ich als Sportbeigeordneter natürlich auch erst einmal daran interessiert bin, was im Sport insgesamt passiert. Auch die Fußball-Bundesliga ist Sport. Natürlich ist der Profifußball ein großer Wirtschaftszweig und aktuell gibt es ja Öffnungstendenzen in fast allen Segmenten. Insofern muss zumindest eine sachliche Diskussion über dieses Thema erlaubt sein. Wobei ich sie ein bisschen kritisch begleitete.
kreuzer: Inwiefern?ROSENTHAL: Wenn bis hin zur Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten über die Fußball-Bundesliga gestritten wird, weiß ich nicht mehr, ob diese Dimension wirklich noch sachgerecht ist. Aber ich muss es zur Kenntnis nehmen. Und den anderen Leipziger Profimannschaften außerhalb des Fußballs kann ich nur immer wieder den Rücken stärken und ihnen sagen: Ihr müsst auch mit euren Verbänden in die Diskussion treten und das, was im Fußball läuft, in eure Verbände hineintragen und dafür werben, dass das ähnlich läuft. Und auch gegenüber der Politik anmahnen, dass es keine Zwei-Klassen-Sportgesellschaft geben darf.Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass im Handball, Eishockey, Volleyball etc. »Geisterspiele« nur wenig sinnvoll sind, da die entsprechenden Zuschauereinnahmen elementare Etatgrößen darstellen.Mit dem Gesundheitsamt der Stadt ist zumindest der konzeptionelle Ansatz, den RB für das Training, gegebenenfalls auch für Geisterspiele im Stadion führen würde, fachlich abgestimmt.
kreuzer: Was heißt das?ROSENTHAL: Es gibt eine fachliche Begleitung, und das Gesundheitsamt sagt erst einmal: fachlich gesehen ist das möglich. Und wenn die Bundesländer den Startschuss geben, dann begleiten wir das fachlich, und dann ist das so. Ich halte Geisterspiele bloß generell nur für eine minimale Zwischenetappe. Da bleibt einfach der eigentliche Charakter des Sports – die Emotionen und die Leidenschaft – auf der Strecke. Das erfolgt dann leider rein aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus.
kreuzer: Die Leute wollen die Geisterspiele sicherlich sehen, aber nicht jeder hat ein Sky-Abo. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass sich Leute bei denjenigen treffen, die diese Abos haben. Wie sehen Sie das aus Sicht des Ordnungsbürgermeisters, wenn gemeinsam Fußball gesehen wird?ROSENTHAL: Wir werden auch wieder in die Situation kommen, in der Stadien geöffnet werden und man im öffentlichen Raum Spiele durchführen lassen kann. Die Frage, wer sich Fußball überhaupt in unserem Land als Fan leisten kann, stellt sich schon immer. Da ist einfach der Ligaspielbetrieb gefragt, dort auch denjenigen eine Antwort zu geben, die sich diese Exklusivität bislang nicht leisten können. Die Frage lautet tatsächlich, was man an dieser Stelle anbieten kann.
kreuzer: Wenn Sport als dasjenige verstanden wird, dass sich alle bewegen, ist es dann nicht ein gesellschaftspolitischer Widerspruch, zu sagen: Die einen dürfen sich bewegen und kriegen dafür noch zehn Millionen. Und die anderen dürfen das nach der neuen Verordnung nicht. Wie geht man damit um? Eigentlich sind Sie der politischste Bürgermeister, oder?ROSENTHAL: In der Massenbewegung, ja. Das ist mir in diesem Amt durchaus bewusst. Es ist ja nicht nur Sport. Es sind viele Kleingärtner, viele Ehrenamtliche von der Freiwilligen Feuerwehr etc. Aber da sind immer unterschiedliche Ebenen. In der Massenbewegung, glaube ich, kriegen wir als Stadt viel gelöst und versuchen auch in Corona-Zeiten dort Freiräume zu generieren. Das funktioniert ganz gut. Beim Thema Sport kann man ja die grundsätzlichen Fragen stellen: Was bedeutet eigentlich Sport in diesem Land? Welche Rolle besitzt er? Welche Dimension hat er? Es gibt Sport und Sport. Die Frage, ob ich das gut finde, stellt sich dabei nicht. Ich habe dazu eine persönliche Haltung. Ich muss das zur Kenntnis nehmen, dass sich manches so entwickelt hat, und versuche, mit wenig Regulierung, alles zu ermöglichen, dass diejenigen, die dort gegebenenfalls auch mit Geld verdienen, das im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch gut organisiert bekommen. Es ist ja nicht nur Fußball, sondern es sind eben auch die Handballer, die Eishockeyspieler und nuanciert auch die kleineren Vereine im Judo, Ringen etc.Das, was wir als Stadt dort leisten konnten, haben wir gemacht. Die Handballer des SC DHfK dürfen seit Dienstag unter hygienischen Voraussetzungen in der Turnhalle Brüderstraße trainieren. Deren Ligaspielbetrieb findet aber nicht statt. Wie helfen wir Ihnen über diese schwierige Zeit hinweg? Das betrifft auch Lok, Chemie, die Icefighters, den HCL etc.. Hier müssen wir alle gemeinsam sämtliche Anstrengungen unternehmen, um durch das aktuelle Tal durchzukommen, damit der Betrieb wieder loslegen kann, wenn die Liga beginnt? Wichtig ist hierbei aber ganz besonders, dass der Freistaat zu seinen ursprünglichen Unterstützungszusagen gegenüber den Spitzenvereinen steht und tatsächlich unbürokratisch und zeitnah hilft.Da ist jetzt auch der Sportbürgermeister gefragt, dass er dies gegenüber dem Freistaat noch mal vorträgt: An welcher Stelle muss denn die Förderbedingung abgeändert werden, dass tatsächlich Geld nicht nur in Leipzig, sondern auch in Aue, Dresden, Weißwasser oder Crimmitschau ankommt? In der Verantwortung sehe ich mich auch. Aber ich sehe mich nicht in der Verantwortung für die Fußball-Bundesliga – dafür meine Stimme zu erheben und zu sagen: Das muss gemacht werden! Das läuft in diesem Land auf einer anderen Ebene.
kreuzer: Würden Sie sich ein Geisterspiel im Fernsehen anschauen?ROSENTHAL: Ja, ich würde es mir wahrscheinlich anschauen, wenn es meine Zeit in der jetzigen Situation erlaubt.