anzeige
anzeige
Kultur

Meine Freundin Kitty

Lit.Offert: Nach 75 Jahren erscheint eine Romanfassung von Anne Frank

  Meine Freundin Kitty | Lit.Offert: Nach 75 Jahren erscheint eine Romanfassung von Anne Frank

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Diesmal liest Micklitz’ derzeitiger Vertreter Benjamin Heine »Liebe Kitty«, jenes Romanfragment von Anne Frank mit dem so harmlos-hübschen Satz: »Zu allem Unglück bin ich mit dem rechten kleinen Zeh am Staubsauger hängen geblieben.«

»Nach dem Krieg möchte ich unbedingt ein Buch mit dem Titel ›Das Hinterhaus‹ herausbringen«, schreibt Anne Frank am 11. Mai 1944 in ihr Tagebuch. Es ist eines der persönlichsten, greifbarsten und »schönsten« Zeitdokumente eines der schlimmsten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Die literarische Qualität des Textes wird ob seines übermächtigen Gegenstands oft ignoriert, wofür allein die Tatsache spricht, dass seine kanonisierte Fassung eine von Franks Vater zusammengestellte Mischversion der ursprünglichen Aufzeichnungen und der von Anne Frank selbst überarbeiteten Variante ist. 75 Jahre nach ihrem Tod ist diese Romanfassung im letzten Jahr erstmals auf Deutsch erschienen mit einem lesenswerten Nachwort der Literaturwissenschaftlerin Laureen Nussbaum, die die Familie Frank persönlich kannte.

Und so schlagen wir es mal wieder auf, das Tagebuch von Anne Frank, das zum »Tagebuch der Anne Frank« wurde und lesen von dem 13-jährigen Mädchen, das Mitglied im Tischtennisclub »Der kleine Bär minus 2« ist. Mit so einer Erichkästnerhaftigkeit aufs Leben schaut, dass man immerzu lachen und weinen muss: »Ich habe keine Freundin [...] das Tagebuch soll die Freundin sein, und diese Freundin heißt Kitty.« Schon diese Form, das Tagebuch als Brief zu schreiben, ist ein erster Schritt der Literarisierung, dem ab Mai 1944 ein zweiter folgte: Frank arbeitete ihre Aufzeichnungen um, auf dass der Roman »Das Hinterhaus« entstünde. Sie konnte ihn nicht beenden, nie Journalistin oder Schriftstellerin werden. »So, der Grundstein für unsere Freundschaft ist gelegt, bis morgen«, glaubt man dem ersten Eintrag vom 20. Juni 1942, dem ersten Kapitel dieses Romanfragments. »Liebste Kitty, alles wieder all right« heißt es noch im März 1944. Es zerreißt einem das Herz. Immer wieder.


Kommentieren


0 Kommentar(e)