Gejagt: Im Kino gewinnen oft die Guten. Wer aber die Guten sind, kann sich ändern. Diese Woche zerfließen die Grenzen zwischen Gut und Böse ein bisschen: mit kritischer Auseinandersetzung mit der Polizei und der Nacht mit einem Kleinkriminellen.
Sei es im Western, auf den Straßen von San Francisco oder in einer deutschen Polizeischule: Neun Filme bilden eine kritische Auseinandersetzung im Spannungsfeld der öffentlichen Wahrnehmung der Polizei als Ordnungshüter und der lmischen Realität aus Gewalt und Willkür. Von Leopold Lindtbergs Krimi »Matto regiert« von 1947 über Fred Zinnemanns Klassiker »High Noon« bis hin zu Rassismus und Polizeigewalt der Gegenwart (Kathryn Bigelows »De- troit«) entwerfen die Werke ein zwiespältiges Bild mit wenig Licht und viel Schatten. Das Kino dient hier als Gegenentwurf zu dem positiv besetzten Bild gängiger »Tatort«-Klischees im Fernsehen. Es zeigt aber vor allem eins: Polizisten sind ebenso korrupt, rassistisch, bündlerisch, hilfsbereit wie alle anderen Menschen.»Cops«: 1.–10.9., Cinémathèque in der Nato, Eröffnung am 1.9., 19 Uhr mit »High Noon« (OF)
Film der Woche:Eine Eröffnungsszene wie aus einem Wong Kar-Wai-Film: Regen, eine Frau in Rot mit Schirm an der Straßenecke, an der ein blutender Mann lehnt. Sie bittet ihn um Feuer und so entspinnt sich eine mitreißende Gangsterballade in der Provinz Wuhan, die am »See der wilden Gänse« enden wird. Als Zenong Zhou an einem Abend in sein Hotel zurückkehrt, will er eigentlich nur seine Ruhe. Doch der Abstieg in den untersten Keller des Gebäudes zieht den Kleinkriminellen hinein in eine blutige Auseinandersetzung konkurrierender Motorraddiebe, die in einem Wettstreit gipfelt: Wer in dieser Nacht mit seinen Männern die meisten Maschinen stiehlt, bekommt den lukrativsten Bezirk. Der Beginn einer langen Nacht und einer atemlosen Flucht, in der jeder der Beteiligten nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist. Regisseur Diao Yin‘an, der bereits mit seinem zweiten Spielfilm »Feuerwerk am helllichten Tage« den Goldenen Bären der Berlinale gewann, bleibt der Welt der zwielichtigen Typen verhaftet. Dabei verneigt er sich tief vor dem Film Noir der Frühzeit des Kinos und spielt mit Licht und Schatten, taucht seine Figuren aber auch in das Neonlicht des Hongkong-Kinos. Das alles ist ein Fest für Cineasten und fesselt darüber hinaus mit einem packend erzählten Plot, der zahlreiche Haken schlägt und auch schon mal die Seiten wechselt, mit seiner Sympathie aber immer bei den Underdogs bleibt, die auch nur Opfer der Umstände sind.
»Der See der wilden Gänse«: ab 27.8., Passage Kinos
Es wundert eigentlich, dass diese Frau nicht längst im Fokus eines (Dokumentar)Films stand: Dr. Ruth Westheimer ist ein absolutes Original. Die 1,40 Meter kleine Frau ist selbst mit 90 Jahren noch ein Energiebündel. In den Vereinigten Staaten kennt sie jeder als Aufklärerin der Nation und als Persönlichkeit, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Ihre Geschichte ist die von Vielen und dennoch einzigartig: Als jüdisches Mädchen in Frankfurt am Main geboren, musste sie in die Schweiz fliehen, ihre Eltern und ihre geliebte Großmutter zurücklassen. Nach dem Krieg ging sie zunächst nach Israel und kämpfte im Palästinakrieg, bevor sie nach Frankreich zog und an der Pariser Sorbonne Psychologie studierte. Sie träumte davon, nach Amerika überzusetzen, was sie 1956 schließlich umsetzte. In den Achtzigern wurde sie zunächst im Radio, später auch im Fernsehen zum Star und klärte die verklemmten Amerikaner auf, während sie gleichzeitig in Harvard und Princeton unterrichtete. Ein filmreifes Leben, das Dr. Ruth in ihren eigenen Worten schildert. Regisseur Ryan White macht daraus einen soliden Dokumentarfilm, der voll und ganz von seiner einzigartigen Protagonistin lebt.
»Fragen Sie Dr. Ruth«: ab 27.8., Passage Kinos
Weitere Filmtermine der Woche:
Deckname Jenny
Jennys Bande will nicht mehr zuschauen: Flüchtlinge an den Zäunen Europas, eingesperrt in Lagern. Doch als Jennys Vater deren militante Ambitionen zufällig herausfindet, muss er sich seiner eigenen Vergangenheit stellen. Der Deckname Jenny und dessen klare Zuordnung verschwimmt plötzlich umso mehr, je gefährlicher es für alle Beteiligten – Globale
28.8., 20 Uhr, Wagenplatz Toter Arm
Der marktgerechte Patient
Die Flucht aus den Krankenhäusern ist für Pflegerinnen und Pfleger bereits real, weil sie trotz unsäglichem Stress nicht mehr zur wirklichen Pflege der Patienten kommen. Aber auch die meisten Ärzte sind es leid, gezwungen zu sein, in erster Linie auf die Profitabilität ihrer Abteilung zu achten. – Globale29.8., 20 Uhr, Caracan. Bar & Grill
Showgirls
Kinoflopp, der Verhoevens Karriere auf lange Zeit schadete, dann jedoch zum Kultfilm avancierte...
29.8., 21.15 Uhr, Pittstop Freiluftkino
Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess
Ein sommerlicher Film für die ganze Familie, der auch für die Daheimgebliebenen ein wenig Urlaubsgefühle und den Traum von der ersten Liebe auf die Leinwand bringt. – Preview30.8., 15 Uhr, Passage Kinos
Die Blechtrommel
Wiederaufführung der oscargekrönten Günter-Grass-Adaption von Volker Schlöndorff um den kleinen Oskar, der gegen die Nazis antrommelt. Restaurierte Version mit Einführung.
31.8., 19 Uhr, Regina Palast
Der Hauptmann
Krasse Geschichte um einen Fahnenflüchtigen am Ende des Zweiten Weltkriegs, der in die Rolle eines Hauptmanns schlüpft und seine sadistische Ader entdeckt. Mit starken Darstellern und kraftvollen Bildern inszeniert, hallt die Kriegsgeschichte lange nach. – zum Weltfriedenstag1.9., 20 Uhr, Kinobar Prager Frühling
High Noon
Herausragender, wegweisender und oft zitierter Western-Klassiker von Fred Zinnemann. – zu Gast per Videotelefon: Johannes Binotto (Filmwissenschaftler), Auftakt der Reihe »Cops«
1.9., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OF)
Violent CopBlutiges Debüt von Takeshi »Beat« Kitano, das bereits seinen unnachahmlichen Stil der Yakuza-Thriller formte. – Cops1.9., 21.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Detroit
Hartes und erschütterndes Drama über die bis heute nicht komplett aufgearbeiteten blutigen Ereignisse im Detroit des Sommers 1967: Aus Unmut über rassistisch motivierte Polizeiwillkür und soziale Ungleichheit kommt es in der afroamerikanischen Bevölkerung zu Tumulten, die in Straßenkämpfen, Folter und Erschießungen gipfeln. – Cops2.9., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato
»Queer-Film-Festival«Mit einer Mischung aus Trotz und aktueller Brisanz kommt im September ein bunesweites Queer-Film-Festival auch in die Leipziger Kinos. 12 spannende und äußerst vielfältige Produktionen aus aller Welt lohnen sich zu entdecken. Ein Highlight ist etwa der russische »Dylda« (»Bohnenstange«), der in Cannes u.a. den Preis der internationalen Filmkritik gewann. Daneben gibt es aktuelles queeres Kino aus Skandinavien, Lateinamerika und Südafrika. 2.-6.9., Kinobar Prager Frühling, Passage Kinos
Eröffnung: Futur Drei
Drei junge Iraner treffen in Deutschland aufeinander und erleben einen unvergesslichen Sommer miteinander. Queerfilmfestival2.9., 18.45 Uhr, Passage Kinos, 20.30 Uhr, Kinobar Prager Frühling
We almost lost Bochum – Die Geschichte von RAG
Die Geschichte der Ruhrpott AG, kurz RAG, einer der wichtigsten deutschen Rap-Crews der neunziger Jahre.
2.9., 20 Uhr, Passage Kinos