In dieser Ausgabe des Editorials für das Heft 9/20 erklärt unser Aushilfschefredakteur Tobias Prüwer, warum Leipzig nicht nur schöner wird, sondern auch ein bisschen eintöniger. Außerdem entdeckt er, dass die Neunziger und die Fanzine-Szene auch mit Instagram und TikTok nicht totzukriegen ist. Auch wieder schön.
»Wenn ich nicht hier bin, bin ich aufm Sonnendeck«: Wie jeder Sommer-kreuzer, für den Chefredakteur Andreas Raabe nicht hinterm Steuerrad steht, ist auch dieses Heft wieder in Teilen draußen entstanden. Die Redaktionssitzungen fanden – auch coronabedingt – unter einer Eiche im Palmengarten statt. Ich selbst hatte die meisten Ideen am Cospudener See, der mein persönliches Sonnendeck ist. Oder auf der einen oder anderen grün beschatteten Freifläche. Noch gibt es ja welche. (Sie erahnen die Textdramaturgie.)
Großer Wurf oder Lückenbüßer: Die meisten Neubauten in Leipzig folgen leider dem Schema 08/15 und der Wille zur Gestaltung ist selten zu erkennen. So nimmt die Verdichtung nicht nur Räume, sondern formt das Stadtbild Richtung beliebig bis hässlich um. Und der Bauboom hält an. Die IHK listete mehr als hundert Großprojekte, die in und um Leipzig in Bälde entstehen sollen; Gesamtvolumen: knapp 8 Milliarden Euro. Während die Kommune vor allem in Kindertagesstätten und Schulen investiert, planen andere Geldgeber vor allem Wohnungsbauprojekte. Kreuzer-Redakteur Josef Braun hat über den Betonvorhaben gebrütet und stellt einige von ihnen in kleinen Porträts vor. Damit wir alle sehen, was da auf uns zukommt (S. 18–23). Darunter befinden sich nützliche und wichtige Projekte. Ob sie ästhetisch mithalten können, wird in einer späteren Ausgabe unserer Architekturkolumne »Aufbau Ost« zu erfahren sein. Die aktuelle Folge ist ein Gastbeitrag des kreuzer-Lesers und Architekten Johannes Schroth, der ein bauliches Ärgernis kommentiert (S. 98). Sie sehen, es kann sich lohnen, uns zu schreiben. Darum sei hier noch einmal auf unser Jahresendheft hingewiesen. Im Dezember wollen wir uns Recherchen widmen, die Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, am Herzen liegen. Also, lassen Sie uns bitte wissen, welche Themen Ihnen auf den Nägeln brennen.
»Ohh ja, hier kommen die ersten Wörter. Hilfe.« Unverhofft erreichte mich eine kleine Perle, deren Schöpferin sich auch einfach mal schreibend austoben wollte.
Schick Schock heißt das heiße Teil, das Laura Hübsch mit Freunden zusammengeschraubt hat. Lässiger Name für ein Fanzine in einer Zeit, die bereits die meisten Digitalblogs überlebt hat. Ja, ein richtiges Fanzine, kopiert auf Papier. Ja, eine dieser Underground-Zeitschriften, in denen man früher von Bands erfuhr, die keiner kannte, und schräge Comics schmökern konnte. Ein Fanzine anno 2020! Soll Trump doch Tik Tok verbieten, Schick Schock versüßt uns den Tag. Zu beziehen ist es zum Selbstkostenpreis (Ehrensache!) per Mail – so viel Zugeständnis an die modernen Zeiten muss dann doch drin sein: SchickSchock. Danke für die Überraschung, Laura! (Ist nicht übergriffig gemeint, Medienfuzzis duzen sich nun mal.)
Ansonsten wünsche ich Ihnen und uns allen genügend Gelassenheit, damit wir ohne zweite Ausgangsreduktion wieder in die Situation kommen, neue Ausgelassenheit zu leben. Möge die Lektüre dieser Ausgabe ein bisschen dazu beitragen.
Bleiben Sie gesund und genießen Sie die Sonnendecks der Stadt,
TOBIAS PRÜWER(in Vertretung)