So langsam kehrt so etwas wie Normalität in die Leipziger Kinowelt ein. Mit der Schauburg öffnet nun auch wieder das letzte Kino in der Stadt. Grund genug, sich anzuschauen, was nächste Woche alles so zu sehen ist.
Mit einer Mischung aus Trotz und aktueller Brisanz kommt im September ein bundesweites Queer-Film-Festival auch in die Leipziger Kinos. 12 spannende und äußerst vielfältige Produktionen aus aller Welt lohnen sich zu entdecken. Ein Highlight ist etwa der russische »Dylda« (»Bohnenstange«), der in Cannes u.a. den Preis der internationalen Filmkritik gewann. Daneben gibt es aktuelles queeres Kino aus Skandinavien, Lateinamerika und Südafrika.
»Queer-Film-Festival«: 2.–6.9., Kinobar Prager Frühling, Passage Kinos
Film der Woche:Pat betritt zum ersten Mal seit jener Nacht die Dachgeschosswohnung in dem kleinen Ort im Nordwesten von Mecklenburg-Vorpommern. Hier hat sie mit dem Mädchen vom Jugendwerkhof »eine wundervolle Liebesnacht verbracht«, als Parteifunktionäre die Tür eintraten und sich ihr Leben für immer veränderte. Wenn sie von ihrer ersten Liebe erzählt, leuchten ihre Augen. Erinnert sie sich an die Ungerechtigkeit, die ihr widerfuhr, brüllt sie ihre Wut in den leeren Raum. Auch mit Anfang Fünfzig ist der Schmerz noch spürbar. Vor der Kamera von Barbara Wallbraun spricht sie zum ersten Mal darüber. Die Leipzigerin hat mit »Uferfrauen« ihr dokumentarisches Langfilmdebüt gedreht, weil sie selbst überrascht war, wie wenig über die Liebe zwischen Frauen in der DDR bekannt ist. Wallbraun wollte die persönlichen Geschichten festhalten, bevor sie in der Zeit verloren gehen. Wie sah es aus, das Leben in der DDR, in der es für die Frauen keine Möglichkeit gab, sich auszutauschen? Der Film zeichnet in Interviews mit sechs Protagonistinnen ein vielfältiges, berührendes, oftmals erschütterndes Bild lesbischer Liebe in der DDR. Geschichten von einem stillen Coming-Out, einem geheimen Kennenlernen, erster Liebe und der Konfrontation mit einem Staat, der diese Liebe nicht zuließ. Die Frauen vor der Kamera sind überraschend offen und ehrlich und geben ihrer Generation ein Gesicht. Ihre Erzählungen gehen zu Herzen und bleiben lebendig.
»Uferfrauen«: ab 3.–5.9., Cineding, am 3.9. in Anwesenheit der Regisseurin, 6.–9.9., Kinobar Prager Frühling, am 7.9. in Anwesenheit der Regisseurin
Schaffen es polnische Produktionen ins deutsche Kino, so sind es meist stimmungsschwangere Dramen voller Hoffnungslosigkeit. Beste Beispiele aus jüngerer Zeit sind etwa Paweł Pawlikowskis preisgekrönte Filme »Ida« und »Cold War». »Corpus Christi« reiht sich hier perfekt ein: In anderen Händen hätte aus dem Drehbuchstoff wohl eine fröhliche Verwechslungskomödie werden können, bei dem polnischen Regisseur Jan Komasa wird er zur düsteren Parabel über Kirche und Menschlichkeit. Im Zentrum der Handlung steht Daniel, frisch aus der Jugendhaftanstalt entlassen und auf dem Weg in die Provinz. Doch anstatt sich umgehend im örtlichen Sägewerk zu melden, wie es seine Bewährungsauflagen verlangen, steuert er als erstes die Kirche an. Dort gibt er sich spontan als Priester aus – ein Beruf, der ihm eigentlich durch seine Vorstrafen verwehrt bleibt. Dem örtlichen Geistlichen kommt Daniels Anwesenheit gerade recht. Er übergibt dem vermeintlichen Priesternachwuchs kurzerhand die Gemeinde und fährt auf Kur. Und so muss Daniel schon bald seinen ersten Gottesdienst halten – ohne Vorerfahrung aber mit einem unerschütterlichen Glauben. Mit seinen unkonventionellen Methoden schafft er es schnell, sich als Priester zu etablieren und widmet sich auch umgehend den dunklen Geheimnissen des Ortes. Getragen wird die Handlung dabei vor allem vom fantastischen Mienenspiel des Hauptdarstellers Bartosz Bielenia.
HANNE BIERMANN
»Corpus Christi«: ab 3.9., Passage Kinos
Es ist Sommer. Der zehnjährige Sam verbringt seine Ferien mit der Familie auf der niederländischen Insel Terschelling. Doch statt unbeschwert im Meer zu spielen, macht er sich Gedanken über seine Sterblichkeit und trainiert das Alleinsein. Dem kommt Tess in die Quere. Das Mädchen ist ein paar Jahre älter als Sam und spannt ihn ein, für einen besonderen Plan: Tess vermutet, dass der deutsche Urlauber Hugo ihr Vater ist. Gemeinsam mit Sam will sie Hugo dazu bringen, Gefühle für seine mögliche Tochter zu entwickeln. Doch der weiß von seinem Vaterglück ebenso wenig, wie Tess‘ Mutter davon, dass er auf der Insel ist. Gemeinsam mit der Weimarer Ostlicht Filmproduktion inszenierte der niederländische Regisseur Steven Wouterlood einen sommerlichen Kinderfilm nach der beliebten Vorlage von Anna Wolz. Die Kinderdarsteller überzeugen, die Kulisse macht Lust auf Meer und die Handlung bleibt spannend bis zum Schluss. Ein rundum gelungener Film für die ganze Familie, der auch für die Daheimgebliebenen ein wenig Urlaubsgefühle und den Traum von der ersten Liebe auf die Leinwand bringt.
»Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess«: ab 3.9., Passage Kinos, Cineplex
Weitere Filmtermine der Woche
972 Breakdowns5 Menschen. 2,5 Jahre. 43.000 Kilometer. 972 Pannen – auf Motorrädern von Halle zum Big Apple. Am 3.9. in Anwesenheit der Protagonisten Anne Knödler und Johannes Fötsch.3.9., 20 Uhr, Passage Kinos
Best of Kurzsuechtig
Alle Gewinnerfilme aus den Kategorien Animation, Dok, Fiktion und Experimental des diesjährigen Mitteldeutschen Kurzfilmfestivlas (19.-23.8.).3.9., 20 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
Bohnenstange
Leningrad 1945: Der Krieg hat tiefe Spuren hinterlassen in Iya und ihrer Freundin Masha. Ein Kind soll neue Hoffnung bringen. Das russische Drama gewann den Preis der Kritik in Cannes 2019. – Queer-Film-Festival3.9., 20.45 Uhr, Passage Kinos
Neubau
Sommer in der Uckermark. Markus ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seinen pflegebedürftigen Omas und der Sehnsucht nach einem anderen Leben in Berlin. – Queer-Film-Festival
3.9., 18.45 Uhr, Passage Kinos, 20 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Are we lost forever
Adrian und Hampus trennen sich und gehen völlig unterschiedlich mit der neuen Situation um. Was geschieht nach dem Ende einer Beziehung? Trennungsdrama aus Schweden. – Queer-Film-Festival4.9., Kinobar Prager Frühling, 20.15 Uhr, 20.45 Uhr, Passage Kinos
Baby JaneDie 19-jährige Jonna genießt ihre Freiheit in der großen Stadt, bis sie von einem Mann überfallen wird. Die 30-jährige Piki hilft ihr und Jonna verliebt sich in sie. Finnisches Liebesdrama nach dem Roman von Sofi Oksanen. – Queer-Film-Festival4.9., 18.45 Uhr, Passage Kinos
Adam
Abla betreibt eine bescheidene lokale Bäckerei in ihrem Haus in Casablanca, wo sie allein mit ihrer achtjährigen Tochter Warda lebt. Als Samia, eine junge schwangere Frau, an ihre Tür klopft, ist Abla weit davon entfernt, sich vorzustellen, dass sich nun ihr Leben für immer verändern wird. – Queer-Film-Festival
5.9., 18.45 Uhr, Passage Kinos
Im Stillen laut
Erika und Tine sind beide 81 und seit über 40 Jahren ein Paar. Zusammen leben und arbeiten sie auf dem Kunsthof Lietzen in Brandenburg – und blicken auf ein bewegtes Stück gemeinsame Geschichte zurück. – Queer-Film-Festival5.9., 17 Uhr, Passage Kinos, 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
MoffieAlle weißen jungen Männer über 16 Jahren müssen 1981 in Südafrika zwei Jahre Militärdienst leisten, um das Apartheid-Regime und seine Kultur des giftigen rassistischen Machismo zu verteidigen. Doch Nicholas spürt, dass er anders ist. – Queer-Film-Festival5.9., 19.45 Uhr, Kinobar Prager Frühling, 20.45 Uhr, Passage Kinos
Der PrinzChile 1970. Am Ende einer durchzechten Nacht ersticht der 20-jährige Jaime seinen heimlich begehrten besten Freund. Im Gefängnis landet er in einer Gruppenzelle, die vom gefürchteten Potro geführt wird, den alle nur den »Hengst« nennen. – Queer-Film-Festival6.9., 20.45 Uhr
Eine total normale FamilieDie 11-jährige Emma hat immer gedacht, dass ihre Familie wie alle anderen ist. Bis ihr Papa Thomas sich eines Morgens als trans outet und erklärt, dass er von nun an als Frau leben möchte. – Queer-Film-Festival
6.9., 16.45 Uhr, Passage Kinos, 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling
MinjanDer 17-jährige David beginnt sich zaghaft in der Szene des East Village auszuleben, hinterfragt nach und nach die strengen Regeln seiner jüdischen Gemeinschaft und freundet sich mit zwei schwulen jüdischen Senioren an. – Queer-Film-Festival6.9., 18.45 Uhr , Passage Kinos
Xposed – Lonely WolvesKurzfilmprogramm im Rahmen des Queer-Film-Festivals.6.9., 20.45 Uhr, Kinobar Prager Frühling
GritDian wächst in Indonesien von einem jungen Mädchen zu einem politisch aktiven Teenager heran, der gegen die Übermacht eines Gaskonzerns antritt. – Flimmergarten3.9., 20.30 Uhr, Bürgergarten Meißner Straße
I am not your negroEin aufrüttelndes, oscarnominiertes dokumentarisches Essay über die Situation von Afroamerikanern in den USA, von der Zeit der Sklaverei bis zu den Unruhen in Ferguson 2014. – Flimmergarten4.9., 20.30 Uhr, Bürgergarten Meißner Straße
Honeyland – Land des HonigsAls eine türkische Familie in die ruhige Welt der Imkerin Hatidze einfällt, sorgt das für Konflikte. In kraftvollen, bemerkenswert nahen Bildern beobachten die Regisseure des oscarnominierten Dokumentarfilms das Leben der Nachbarn. – Flimmergarten5.9., 20.30 Uhr, Bürgergarten Meißner Straße
Push – Für das Grundrecht auf WohnenDer Begriff Gentrifizierung ist für die aktuelle Wohnproblematik mittlerweile nicht mehr groß genug. In der Zwischenzeit sind Wohnräume weltweit besonders in städtischen Ballungsgebieten zu reinen Anlagemitteln geworden. An diesem Punkt setzt Leilani Farha die UN-Spezialreporterin für angemessenes Wohnen, an. Ihre Aufgabe ist es, herauszufinden, warum und aus welchen Gründen Menschen aus den Städten verdrängt werden. Dafür reist sie um die ganze Welt – Filmemacher Fredrik Gertten hat sie dabei begleitet. – Flimmergarten6.9., 20.30 Uhr, Bürgergarten Meißner Straße
Gundermann RevierDokumentarfilm über den Liedermacher Gerhard Gundermann. – in Anwesenheit von Regisseurin Grit Lemke und Gundermanns Ehefrau Conny, Moderation: Prof. Michael Hofmann – Globale (bei schlechtem Wetter im Schloss)3.9., 19 Uhr, Parkschloss im Robert-Koch-Park
Infernal AffairsWegweisender Cop/Gangsterfilm, der von der gegenseitigen Unterwanderung von Polizei und Mafia in Hongkong erzählt. – Cops3.9., 21.15 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
RobocopEin ermordeter Polizist wird als Robotermensch reanimiert und begibt sich auf die Jagd nach den Verantwortlichen für seinen Tod. SF-Action-Thriller mit Achtziger-Trash-Charme. – Cops3.9., 19 Uhr, 8.9., 22.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
Cop LandAls der behäbige Sheriff einer vor allem von Polizisten bewohnten New Yorker Vorstadt in eine Korruptionsaffäre verwickelt wird, scheint sich ihm die letzte Chance zu bieten, seinem Leben eine Wende zu geben und traumatische Erlebnisse der Vergangenheit zu überwinden. Packendes, stark besetztes Kriminaldrama mit Sylvester Stallone in einer überraschend überzeugenden Charakterrolle. – Cops6.9., 21.30 Uhr, 9.9., 22 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
Matto regiertSchweizer Kriminalfilm mit Heinrich Gretler, zum zweiten Mal in der Rolle des Polizeiermittlers Studer. – Cops6.9., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen BürgerDer Chef eines Morddezernats tötet seine Geliebte und hinterlässt absichtlich Spuren, die zu seiner Tatbeteiligung führen. Meisterhafter Krimi von Elio Petri. – Cops9.9., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmeU), 21 Uhr, Ost-Passage Theater (OmeU)
Detroit
Hartes und erschütterndes Drama über die bis heute nicht komplett aufgearbeiteten blutigen Ereignisse im Detroit des Sommers 1967: Aus Unmut über rassistisch motivierte Polizeiwillkür und soziale Ungleichheit kommt es in der afroamerikanischen Bevölkerung zu Tumulten, die in Straßenkämpfen, Folter und Erschießungen gipfeln. – Cops10.9., 21 Uhr, Cinémathèque in der Nato (OmU)
StaatsdienerEin Blick hinter die Kulissen der Polizeiausbildung in Deutschland. – Cops10.9., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Und der Zukunft zugewandtDie junge Kommunistin Antonia kommt 1952 in die DDR und muss ihr altes Leben in der Sowjetunion hinter sich lassen. Drama mit Alexandra Maria Lara. – Zeitgeschichte auf der Leinwand im ehem. Stasi-Kinosaal3.9., 19, 21 Uhr, Museum in der »Runden Ecke«
Das Auge Afrikas. Der Filmpionier Hans SchomburgkDie Dokumentation erzählt die Geschichte des Filmpioniers Hans Schomburgk, der als erster Filmemacher die Schönheit Afrikas mit der Kamera einfing. Die Originalfilme werden verwoben mit Einstellungen aus dem heutigen Afrika, um den rasanten Wandel eines gesamten Kontinents einzufangen. – in Anwesenheit der Regisseurin Anna Neuhaus4.9., 20 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei
After Passion & After Truth - Double-FeatureBeide Adaptionen der Romane von Anna Todd im Doppelpack.5.9., 18.30 Uhr, Cineplex
SupernovaDas Schicksal dreier Männer, deren Leben durch einen Autounfall aus der Bahn geworfen wird. – Polnisches Kino5.9., 17 Uhr. Cineplex (OmU)
Die perfekte KandidatinMaryam ist Ärztin in einer kleinen Stadt in Saudi-Arabien. Als sie feststellen muss, dass sie an den Zuständen nichts ändern kann, kandidiert sie für den Stadtrat. Starkes Plädoyer für Selbstermächtigung. Der Sonntagsfilm um 56.9., 17 Uhr, Regina Palast
Goblin Slayer: Goblin's CrownIn einer Welt, die von Monstern (genauer: Goblins) beherrscht wird kämpfen eine Priesterin und ein Goblin-Slayer gemeinsam mit einer Hochelfen-Bogenschützin, einem Zwergen-Schamanen und einem Echsenmenschen-Priester gegen die Bedrohung. – Best of Anime6.9., 17 Uhr, Cinestar, 17.30 Uhr, Cineplex, 18 Uhr, Regina Palast (OmU)
Lost Places 3: Geschichten hinter vergessenen Mauern – AbschiedDritter Teil der unheimlich erfolgreichen »Lost Places«-Dokumentarfilmreihe, heute Abend in Anwesenheit des Regisseurs Enno Seifried – Kultur im Schlosspark8.9., 20 Uhr, Parkschloss im Robert-Koch-Park
The Other Europeans in: Der zerbrochene Klang
Eine 14-köpfige Truppe international anerkannter Musiker auf der Suche nach einer verschwundenen Musikkultur, die sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Teilen Osteuropas entwickelte. – Latcho Dives, 1. Leipziger Kulturfestival der Roma und Sinti in Anwesenheit der Regisseurin Yvonne Andrä
8.9., 19 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Das Salz der ErdeBildgewaltiges Porträt des Fotografen Sebastião Salgado. – Globale9.9., 20 Uhr, Peterskirche
Der marktgerechte MenschIm Kapitalismus wird alles zur Ware, – auch der Mensch selbst. Wenn Effizienz als einziger anzustrebender Wert auf dem freien Markt übrig bleibt, verändert sich die Arbeitswelt in eine pausenlose Konkurrenzmaschinerie. Was geschieht mit Menschen, die zunehmend in allen Bereichen dem Wettbewerbsdiktat unterworfen sind? – Globale10.9., 19 Uhr, Kulturhaus Völkerfreundschaft