Seit 2018 gibt es das Familia*Futura Festival in Sachsen. Das Festival versteht sich als Raum für vielfältige Familienmodelle. Die erste Ausgabe fand in Dresden statt. Die zweite war für Leipzig geplant. Coronabedingt wurde sie in den digitalen Raum verlagert.
Das Panel trägt den Titel »Väter, Ko-Mütter & nicht-gebärende Eltern« und findet über Zoom statt. »Wir wollen heute die sozialen Dimensionen von Elternschaft feiern«, erklärt Moderatorin Alisa Tretau, ehe sie an diesem Dienstagnachmittag ihre Gäste vorstellt. Da ist Carla, eine Lehrerin, die gemeinsam mit zwei Frauen ein Kind großzieht. Carla ist in ihre Rolle als Co-Mutter eher hineingerutscht, wie sie den Zuschauern erklärt. Das Kind war schon da, als die biologische Mutter begann die Sorgearbeit zwischen sich und ihren zwei Freundinnen aufzuteilen. Inzwischen kümmern sich alle drei Frauen gleichberechtigt um den Jungen. Der zweite Gast ist Jochen. Er suchte für sein Kind bewusst nach Menschen, die Lust auf eine Co-Elternschaft hatten. Seine Tochter zieht er gemeinsam mit zwei Frauen auf. Im Gespräch erzählt Jochen wie angenehm er es findet, wenn die Elternschaft nicht mit einer romantischen Beziehung verbunden ist. Eine Erfahrung, die auch Carla bestätigt. An der Seite von Carla und Jochen bestreitet an diesem Nachmittag Felix das Panel. Er ist ein Trans*mann und hat gemeinsam mit seiner Partnerin ein Kind mit Behinderung adoptiert.
Der rechtlichen Situation von Regenbogenfamilien widmet sich ein Panel im Anschluss mit dem Titel »Recht und Geschlecht«, an dem unter anderem die Rechtsanwältin und lesbische Aktivistin Gabriela Lünsmann und die Grünenpolitikerin Tessa Ganser aus Nürnberg teilnehmen. Die strikt auf die Biologie ausgerichteten deutschen Gesetze sehen nur zwei Eltern vor. Das Konzept der Co-Elternschaft, wie sie von Jochen oder Carla gelebt wird, taucht in ihnen nicht auf. Lünsmann und Ganster verweisen in ihren Redebeiträgen auf die Folgen, die das hat. »Unsere Gesellschaft ist heute vielfältig, die Gesetze sind daran aber nur zum Teil angepasst«, fasst Ganser zusammen. Mit Blick auf die Bundestagswahl greift sie die Regierung an, die zu wenig tue, um diverse Familien zu unterstützen.
Am Mittwochabend zeigte Familia*Futura die sehr sehenswerte Dokumentation »(M)others« von Regisseurin Antonia Hungerland. Sie beleuchtet das Thema Mutterschaft aus unterschiedlichsten Perspektiven. Eine der Protagonistinnen des Films heißt Tina Sim und lebt in Kanada. Sim ist Mutter dreier Kinder. Inzwischen trägt sie die Babys fremder Familien aus. Anders als bei einer Eizellenspende sind die Kinder, die Sim für Paare mit Kinderwunsch zur Welt bringt, genetisch nicht mit ihr verwandt. An Zeugung und Geburt dieser Kinder sind also drei Personen beteiligt. Beispiele wie das von Sim und anderen Protagonistinnen aus Hungerlands Film zeigen wie sehr sich Familienmodelle bereits wandeln. Die Ursachen dafür liegen im medizinischen Fortschritt, genauso wie im Sozialen.
In den Festival-Panels berichten Väter von ihren Kindern, die sich in der Schule erklären müssen, weil sie nicht einen Papa und eine Mama haben. Trans*mann Felix erzählt, welche Reaktionen er bekommt, wenn die Leute merken, dass sein Kind eine Behinderung hat. Und in »(M)others« schildert eine der Protagonistinnen, die Vorwürfe, denen sie sich ausgesetzt sah, als ihre Kinder nach der Trennung bei ihrem Mann blieben. Im Nachgespräch zu dem Film am Mittwochabend finden sich auch Ingmar Zöller und Thomas Welter ein. Das Ehepaar hat zwei Kinder adoptiert und lebt in einer offenen Beziehung mit einem Mann. Auf die Frage, was man tun müsse, um die Situation für diverse Familien zu verbessern, beugt sich Thomas Welter über die Schultern seines Partners und sagt in die Kamera: »Wir müssen das vorleben und dann darüber reden.« Ähnlich könnte man auch das Konzept von Familia*Futura umreißen. Bis Samstagabend können hier noch Panels besucht, kann diskutiert und am Ende virtuell gefeiert werden. Mitschnitte vieler Veranstaltungen finden sich in der Festival-Mediathek.