Die Stadt wächst. Wo werden die Menschen in Zukunft leben wollen? Im Leipziger Osten scheint noch Platz. Unsere kreuzer-Reporterinnen waren auf Streifzug durch drei seiner Stadtteile: Neustadt-Neuschönefeld, Reudnitz und Anger-Crottendorf. Die Titelgeschichte dazu gibt es in der aktuellen Ausgabe des kreuzer.
Um 93.000 Menschen soll die Einwohnerzahl von Leipzig in den nächsten 15 Jahren wachsen, so erwarten es die Statistiker aus dem Rathaus. Das ist fast eine Großstadt, die noch mal hinzukommt, nachdem die Stadtbevölkerung sich zwischen 1999 und 2019 schon einmal um etwa 100.000 Menschen vergrößert hat. Und auch wenn ein Zeitraum von 15 Jahren jetzt weit erscheint, stellt sich doch die Frage: Wo werden all die Leute wohnen wollen? Der Stadtrand mit seinen weitläufigen Siedlungen und die Platte werden es bestimmt nicht sein. Denn gleichzeitig erwarten die Experten für Leipzig eine (im Gegensatz zu Gesamtsachsen) deutliche Verjüngung der Bevölkerung. Die Leute wollen in einer urbanen, spannenden Gegend wohnen.
Nachdem darum zuerst der Leipziger Süden praktisch aus allen Nähten platzte, dann der Westen mit Plagwitz und Lindenau eine erstaunliche Belebung erfuhr, ist seit einigen Jahren der Osten der Stadt mit den alten Arbeitervierteln rund um die Eisenbahnstraße, Reudnitz und Anger-Crottendorf dran. Der kreuzer hat diese Entwicklung im Osten über die Jahre begleitet – unter anderem mit Titelgeschichten im November 2009 und September 2014. Diese Reihe setzen wir im aktuellen Heft fort. Die kreuzer-Reporterinnen Juliane Streich, Tarek Barkouni und Anna Hoffmeister sind ausgeschwärmt und erkunden in drei Stadtteil-Reportagen den Leipziger Osten im Jahr 2020 (ab Seite 14).
Die urbanen Stadtteile im Osten wachsen, und das werden sie auch in Zukunft tun. Wir leben in einer Zeit, in der die Probleme eskalieren, die ein angespannter Wohnungsmarkt mit sich bringt. Inzwischen werden sie offen auf der Straße ausgetragen (siehe Kommentar Seite 11). Doch im Osten ist der Gentrifizierungs-Zug – anders als im Süden und Westen – vielleicht noch nicht ganz abgefahren. Darum muss der Blick von Politik und Verwaltung jetzt auf diese Viertel fallen. Die Zeit drängt. Es ist kein Zufall, dass die jüngsten Krawalle, auch wenn sie größtenteils in Connewitz ausgetragen wurden, ihren Ursprung links von der Eisenbahnstraße hatten, nämlich in der Räumung eines viele Jahre leer stehenden Hauses in der Ludwigstraße, das auch aus Protest gegen Immobilienspekulation besetzt wurde.
Denn nicht nur die Einwohnerzahl wächst, sondern auch das Interesse wirklich gewichtiger Investoren am Leipziger Immobiliengeschäft. Das große Geld wird kommen. Aufgabe der Stadt ist es, ihre Bürgerinnen und Bürger zumindest auf dem Wohnungsmarkt davor zu bewahren, von ihm überrollt zu werden. Vielleicht gibts ja ein Happy End.
Bis es so weit ist, wünsche ich eine erquickliche kreuzer-Lektüre.Wir halten durch!
ANDREAS RAABE