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Stadtleben

Die Verharmlosung der Coronaleugner

Die Bewegung wird von vielen Verantwortlichen verharmlost – nicht nur von Konservativen

  Die Verharmlosung der Coronaleugner | Die Bewegung wird von vielen Verantwortlichen verharmlost – nicht nur von Konservativen

Dass die Demonstration vom 7.11 so eskalieren konnte, liegt auch an der Verharmlosung der Bewegung. Die Grundhaltung der Querdenker und die Vermischung mit zahlreichen Neonazis müssen endlich als brandgefährlich anerkannt werden. Und Schluss mit »Covidioten« fordert unsere Autorin.

Schon wieder durften Coronaleugner und Nazis Hand in Hand demonstrieren, dieses Mal in der Leipziger Innenstadt. Sie bewarfen die Polizei mit Gegenständen und Pyro, griffen die Presse und Gegendemonstrierende an, riefen gewalttätige Parolen und beleidigten Menschen. Diese Katastrophe ist unter anderem der Verharmlosung geschuldet, die auf unterschiedlichen Ebenen stattfindet und die Bewegung der Coronaleugnung mit Nazis in ihren Reihen bewusst oder unbewusst in Schutz nimmt. Drei Punkte, an denen es am meisten auffällt:

1. Die Annahme, Coronaleugner würden sich an die Regeln halten

Das Grundvertrauen der Verantwortlichen in die Coronaleugner und die tatsächliche politische Unterstützung durch Genehmigungen, verwässert die Maßnahmen auch für jene Menschen, die die Pandemie ernstnehmen. Die Annahme, dass sich Coronaleugner natürlich an die Regeln halten würden, verharmlost das, wofür diese Bewegung steht: Die unbegrenzte Verbreitung eines tödlichen Virus als politische Haltung. Es erweckt den Eindruck, dass sich Menschen unter ihnen befinden könnten, die irgendwie auch legitime Meinungen vertreten.

So wie für jede politische Bewegung ist die Glaubwürdigkeit auch für Coronaleugner unverzichtbar: Wer für ein veganes Leben propagiert, muss auch selber vegan leben. Wer gegen Coronamaßnahmen steht, hält sich nicht an Coronamaßnahmen. Das, wofür sie stehen, müssen sie also selber ausleben, um zu zeigen, dass sie davon überzeugt sind. Wer selber nicht überzeugt ist, kann andere nicht überzeugen und dann war’s das mit den Massen, die ihnen folgen sollen. Und sie sind nun auf die Unterstützung von Massen angewiesen.

Das heißt, auf einer Demonstration gegen die Coronamaßnahmen kann man die Regeln alleine aus politischen Gründen nicht einhalten, sonst würde man sich unglaubwürdig machen. Das wäre Selbstsabotage. Obwohl das der Stadt Leipzig klar gewesen sein musste, wurde die Demonstration genehmigt und fand, dank der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, in der Innenstadt statt, vor den Augen aller. Menschen, die die Abschaffung der Einschränkungen fordern, wurde die Chance gegeben, diese Haltung wortwörtlich zu demonstrieren. Als würde man ihnen sagen: »Zeigt mal, wie ihr das haben wollt.«

2. Es gibt keine friedlichen Demos, auf denen Neonazis sind

Ein Totalversagen. Und wie reagiert der sächsische Innenminister Roland Wöller aus der CDU? Mit einer weiteren Verharmlosung. Eine friedliche Demonstration hätte man nicht gewaltsam auflösen können, sagte er auf der Pressekonferenz vergangenen Sonntag in Dresden. Was meint Wöller mit friedlich? Es wurde doch randaliert.

Es ist durchaus bekannt, dass Coroleugner und Nazis gemeinsam demonstrieren, in Leipzig war es weder das erste Mal noch eine Ausnahme. Schon Tage vor der Demo in Leipzig kündigten rechtsextreme Gruppen an, dass sie am Samstag mitmarschieren würden. Sie waren da, sind nicht nur marschiert, sondern haben auch körperliche Gewalt angewendet. Sie haben verprügelt. Auch wenn sie nicht verprügelt hätten: Können wir wirklich behaupten, dass ein Marsch von Neonazis je gewaltfrei sein könne, solange dort niemandem auf die Fresse gehauen wird? Vernichtungsfantasien, Antisemitismus und Rassismus – alles gewaltfrei, solange niemand ins Krankenhaus muss? Nein. Das geht nicht.

Die Ansicht, dass Gewalt nur körperlich stattfinden könne, ist nicht nur politischer, sondern auch wissenschaftlicher Unsinn. Studien belegen, dass das Gehirn auf körperliche und psychische Gewalt gleich reagiert. Die körperliche Gewalt, die  Nazis am Samstag ausgeübt haben, wurde von Kameras festgehalten, der harte Beweis ist also da. Das zu verleugnen, und den Eindruck zu erwecken, dass ein Nazimarsch jemals gewaltfrei sein könne, ist ebenso eine tödliche Verharmlosung. Auf wessen Kosten kann ein Innenminister von dem eigenen Versagen ablenken? Wie weit kann er gehen? Offenbar sehr weit.

3. Coronaleugner sind nicht ungebildet oder dumm

Leider findet die Verharmlosung nicht nur auf konservativer und rechter Seite statt. Auch Linksliberale und Linke beteiligen sich daran, indem sie Coronaleugner als »Covidioten« oder »Leerdenker« bezeichnen, als seien das keine gewaltbereiten Naziunterstützer und nicht in Teilen selber Nazis. Als wären sie bloß ungebildet oder »dumm«. Seit je und eh weisen die Selbstorganisationen von marginalisierten Gruppen sowie behinderter Menschen oder jener, die von Rassismus betroffen sind, auf die Gefahr dieser Art der Verharmlosung hin. Nazitum auf ein Bildungs- oder Intelligenzproblem zu reduzieren ist geschichtsvergessen und ein verzerrtes Bild der Realität. Es führt dazu, dass die Mehrheitsgesellschaft sie nicht als gefährlich wahrnimmt, zudem stigmatisiert es behinderte Menschen, als könnte man aufgrund einer Behinderung plötzlich zum Nazi werden. Außerdem lenkt das von der persönlichen Verantwortung ab: Wer behindert ist, kann nichts dafür. Wer aufgrund einer Behinderung zum Nazi wird, genauso wenig.

Nein. Nazi zu sein ist eine Entscheidung, die man jeden Tag bewusst trifft.

Der Umfang des Versagens vom 7. November 2020 in Leipzig sollte uns solange beschäftigen, bis wir das Problem auf allen Ebenen festgestellt haben und daraus Präventionsmaßnahmen schließen können. Ein wichtiger Schritt ist, mit der Verharmlosung aufzuhören. Auch wenn man weiß, dass man selber auf der richtigen Seite stand.


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7 Kommentar(e)

AK 09.11.2020 | um 17:14 Uhr

Es wurde in der Tagesschau und in den Heute Nachrichten offiziell bekanntgegeben, daß Randale in Leipzig hauptsächlich im linken Bezirk stattfanden aufgrund einer verhafteten Aktivistin aus der extremen linken Szene. Wenn jetzt die Demo gegen die Verordnungen dafür verantwortlich sein sollten, dann könnte man zum Beispiel auch die Erderwärmung den Demonstranten in die Schuhe schieben... Ironie aus! Welch schlecht recherchierter sinnloser Text, bitte das geht differenzierter und objektiver und vor allem ehrlicher!

F.Köhler 09.11.2020 | um 18:45 Uhr

Was weiß die Autorin denn von Covid-19-2, was bisher noch niemand weiß? Das Virus ist bisher nicht nach den Robert Koch'schen Postulaten definiert worden, was aber zwingend notwendig wäre, um es klar definieren zu können. Wissenschaftlich gesehen handelt es sich bei allen Aussagen zu Covid19-2 solange also eher um eine Vermutung, denn um eine Tatsache. Wie will die Autorin denn die Gefährlichkeit eines Virus definieren, so der Virus selbst weder in Gänze gesichtet, noch isoliert, noch rein gezüchtet, noch damit wieder infiziert, noch daraus wieder isoliert werden konnte, um zu klären, wie das Virus denn genau geartet ist und funktioniert? Nichts dagegen einzuwenden, wenn die Autorin glaubt, was sie da sagt, Andere jedoch an ihrem Glauben zu messen und lauthals zu diffamieren, dürfte dann doch inquisitorische Züge tragen. Beschuldigen, beschuldigen, beschuldigen. Sorry liebes kreuzer online medium, darf man fragen was das soll? Haben Sie den Eindruck, daß dieses Land noch nicht genug gespalten ist, und möchten Sie den Graben noch etwas tiefer ziehen?

Anne 10.11.2020 | um 08:50 Uhr

Ein bisschen aber nicht ganz of topic: Ist die Kreuzerredaktion immer noch der Meinung, dass es eine gute Idee war, als Veranstaltungstipp im Oktoberheft dem Leser eine Reise mit dem Flixbus zum Besuch des Berliner Nachtlebens zu empfehlen? Das hat mich einigermaßen sprachlos gemacht, auch wenn Ihr dabei zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung geraten habt. Viele Grüße!

Friderike 10.11.2020 | um 11:06 Uhr

Wie wäre es, sich mit dem nicht unbeträchtlichen Teil an Linken (v.a. aus Künstler-, Hippie-, und Esoterikkreisen) auf diesen Demos auseinanderzusetzen ? Belege: "Es war ein zum Teil kruder Mix aus Menschen von ganz links bis ganz rechts."(Dunja Hayali, ZDF, ihr Fernsehteam wurde auf einer solchen Demo stark bedroht) Die erste "Hygienedemo" überhaupt wurde von linken Besetzern der Berliner Volksbühne angemeldet (sog. "Haus Bartleby").

Ro 10.11.2020 | um 11:17 Uhr

@AK: Sie vermischen da etwas: Die "Randale" angeblich aufgrund der Verhaftung einer mutmaßlichen Linksextremistin fand bereits in der Nacht zum 7. November statt. Und wenn Sie andere Medien konsultieren würden - selbst wenn es weitere überregionale wie der DLF wären - sollten Sie zwei Tage später spätestens mitbekommen haben: Es gab aus der Querdenker-Demo heraus, insbesondere ausgehend von einschlägig bekannten Neonazis/Hooligans (siehe entsprechendes Video-Material), gewalttätige Übergriffe auf Journalisten und auf die Polizei. Der Marsch über den Ring war illegal. Ist alles durch die Polizei Leipzig bestätigt, nachzulesen auf deren Internetseite. Auch wenn in der Nacht auf den 8. November in Connewitz wieder gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen - ich vermute - Gegendemonstranten und Polizei stattfanden: Das ändert nichts daran, dass Sibel Schick sich sehr wohl auf Ereignisse bezieht, die tatsächlich so stattgefunden haben.

Thomas S. 12.11.2020 | um 00:06 Uhr

Leute, hört bitte auf jeden inflationär als Nazi zu bezeichnen! Nazis sind Menschen, die dem Nationalsozialismus angehörten! Diese Zeit ist seit 1945 zu Ende. Menschen, die den Nationalsozialismus nicht erlebten, aber für diese Ideologie eintreten bezeichnet man als Neonazis! Ein großer Teil der Menschen, die Ihr als Nazis bezeichnet sind es per Definition nicht! Wer ständig Nazi sagt, der macht den Begriff normal und gleichzeitig machen Menschen, die ihr damit beschimpft dicht, weil ihnen der Begriff zu absurd erscheint, sie sich selbst nicht als Nazi bezeichnen würden. Jeden Menschen als Nazi zu beschimpfen, weil ihm seine Ansicht nicht passt oder er irgendwie rechts ist wäre faktisch falsch und trägt aktiv zur Spaltung der Gesellschaft bei! Wer zum Nachdenken anregen möchte ist offen für Gespräche, anstatt loszupoltern. Und im übrigen: In Gesprächen argumentiert man gegen das Argument.

Stefan 17.11.2020 | um 23:47 Uhr

"Leute, hört bitte auf jeden inflationär als Nazi zu bezeichnen!" Nein, das werden gewisse Leute eben nicht so einfach tun, da sie einfach Feindbilder benötigen. Man vergebe ihnen, denn es ist sicher eher aus Feigheit oder Unwissenheit heraus. Ein Nazi ist einfach heutzutage für viele das ultimative Feindbild, welches es asuzulöschen gilt (um es mal übertrieben zu sagen). Nächstenliebe hört aber nicht bei Nazis auf. Da die Menschen mittlerweile leider wieder so durch "divide et impera" einegnommen sind und Rechts (auch durch undifferenzierten Sprachgebrauch in den medien Medien) den Menschen als = Nazi eingetrichtert wird, ist dies möglicherweise das Mittel, eine neue Diktatur zu installieren. Es geht eben genau darum, jeden, der oder die nicht moralisch konform mit der Ansicht ist, aus der Gesellschaft physisch zu entfernen (z.B. durch einen "Kampf gegen Rechts" Man sollte IMMER wachsam gegenüber dem Faschismus in all seinen Farben & Facetten sein. Was hier eben gerade anläuft ist eine andere Form dessen. Es werden Menschen bewusst diffamiert, auch billigend in Kauf genommen, physisch entfernt zu werden, obwohl sie keine Nazis sind. Und wenn, dasnn wären es NEONAZIS. Es geht um das etablieren antidemokratischer, "faschistisch-kommunistisch-totalitärer" Strukturen, nur eben unter einem anderen Deckmantel der Begriffe. Bald wird das alles sicher aber etwas mehr und asuführlicher als in meinem halbgaren Geschreibsel hier im öffentlichen Bewusstsein ankommen. Also liebes Kreuzter Team samt Autorschaft: Anstatt sprachlich weiter zu spalten und zu hetzen, mal lieber schnell wieder mehr den Diskurs suchen und liebevoller gestalten. :D