An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der Dezember-Ausgabe des kreuzer. Chefredakteur Andreas Raabe erzählt eine Legende von Außerirdischen, über Natriumdampflampen und die Schattenseiten des Lichts.
Wir Stadtkinder kennen das ja gar nicht mehr: eine Welt ohne Licht in der Finsternis. Was Dunkelheit bedeutet, weiß nur, wer mal beim Camping war oder winters in Kleinkleckersdorf nach 18 Uhr aus dem Haus gegangen ist. Plötzlich, tja, sieht man gar nichts mehr. Und dann wirds auch gleich gruselig, stimmts? Manchmal entdeckt man aber auch Neues: Es gibt eine Legende aus dem Jahr 2000, als im Großraum Los Angeles, der sich über mehr als 200 Kilometer erstreckt, der Strom ausfiel. Tausende Menschen meldeten sich bei der Polizei: Eine riesige leuchtende Wolke würde am Himmel über der Stadt schweben, ein Anblick, der ihnen Angst machte. Denn wer weiß, vielleicht ist das ja jetzt die Attacke der Außerirdischen? Tatsächlich hatten die Leute zum ersten Mal in ihrem Leben die Milchstraße gesehen.
Licht ist so was wie der Beginn der Zivilisation, von Religion und Kultur, das kennt man ja. Alle hatten ihre Lichtgötter und unser Hirte Jesus Christus meinte einst: »Ich bin das Licht der Welt!«. Na ja, in den Streets of Leipzig jedenfalls kommt das Licht aus Straßenlaternen. Kein Wunder, dass heutzutage keiner mehr in die Kirche geht. Natriumdampflampen sorgen dafür, dass wir in einem riesigen orangefarbenen Leuchtraum leben und keine Angst vor der Finsternis mehr haben müssen. Aber es gibt nicht nur Menschen in der Stadt. Allerlei Getier lebt unter uns und für diese kleinen Gesellen ist die ständige Beleuchtung ganz schön nervig: Sie haben nämlich keinen Schalter, um das Licht auszuknipsen. Einige umkreisen die Lampen sogar so lange, bis sie tot zu Boden sinken. Im Sommer sterben laut Schätzungen pro Nacht bis zu eine Milliarde Insekten beim Umschwirren von elektrischen Lampen. Im Leipziger Friedenspark kann man – mitten in der Stadt – die Erfahrung mal machen, wie sich ein wenig Dunkelheit anfühlt. Denn dort hat die Stadt die Laternen abgebaut, um den Tieren ein wenig Ruhe zu gönnen. Und genau an diesem dunklen Ort beginnt die Titelgeschichte dieses Heftes, in der es um den Konflikt zwischen dem Schutz der Umwelt und dem Bedürfnis der Menschen nach Licht geht. Aufgeschrieben wurde sie von Laurie Stührenberg,
Leonhard Eckwert, Michael Kees, David Muschenich – und illustriert von Markus Färber: »Die Schattenseiten des Lichts«.
Eine erhellende Lektüre und viel Spaß mit dem neuen kreuzer wünscht
ANDREAS RAABE