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Tüfteln in der Backstube

Die Backwaren in der Bäckerei Eßrich sind handgefertigt und voller regionaler Zutaten

  Tüfteln in der Backstube | Die Backwaren in der Bäckerei Eßrich sind handgefertigt und voller regionaler Zutaten

Die Bäckerei Eßrich setzt ganz auf Handwerk und regionale Zutaten. Das zeigt sich im Geschmack von Brot, Kuchen und Gebäck. 2018 übernahmen die Brüder zusammen mit ihrer Mutter die 1974 eröffnete Bäckerei. Hier veröffentlichen wir den Text aus der Januar-Ausgabe des kreuzer (01/21).

Alte Getreide sind schwerer zu verarbeiten, weil ihr Klebereiweiß weniger ausgeprägt ist«, sagt Bäckermeister Tom Eßrich. »Die Struktur ist eine andere als bei neueren Sorten, das kann bekömmlicher sein«, ergänzt sein Bruder, der Konditor Hans-Peter Eßrich. Eine Weile werfen sie sich – beide in den Zwanzigern – die Stichworte zu, während sie den unterschiedlichen Aufbau verschiedener Klebereiweiße erläutern. Die Brüder Eßrich können viel über ihr Handwerk und ihr Verständnis vom Backen erzählen, das den Weg bestimmt, den sie mit dem Familienbetrieb eingeschlagen haben.

Dessen Geschichte beginnt bei ihrem Großvater, der die Bäckerei in Liebertwolkwitz 1974 eröffnete. 2018 übernahmen die Brüder zusammen mit ihrer Mutter, die ebenfalls Konditorin ist. »1974 gab es in Liebertwolkwitz neun Bäcker«, erzählt Tom Eßrich. Heute existiert dort nur noch ihr Betrieb, zwei weitere Filialen haben sie im Stadtgebiet. Vom allgemeinen Bäckereiensterben ist seit einigen Jahren die Rede, der Zentralverband des Deutschen Handwerks spricht davon, dass sich die Zahl der Betriebe allein in den letzten 20 Jahren halbiert hat. Das mag verschiedene Gründe haben. Zwei davon sind sicher Großbäckereien, die tiefgefrorene Fertigware liefern, und Ketten, die diese aufbacken. Entsprechend war es fast schon folgerichtig, als ein Discounter vor ein paar Jahren die Werbebotschaft verbreitete, dass sich gutes Brot am niedrigen Preis erkennen lasse.

Das ist natürlich Quatsch, und das führen die Brotkreationen von Tom Eßrich gut vor. Die Eßrich-Urkruste zum Beispiel hat einen runden, malzigen Geschmack, sie riecht angenehm intensiv nach Brot, ist schön saftig, von weicher Fluffigkeit und mit knusprig-dünner Kruste. Das »Ur« im Namen leitet sich von den schon genannten alten Getreidesorten ab, die darin verbacken werden: Dinkel, Emmer, Einkorn, Waldstaudenroggen. Sie kennen Müller und Landwirt persönlich, die Zutaten liefern regionale Erzeuger wie die Rollmühle, Saatgut Plaußig oder Wassergut Canitz, Milchprodukte stammen von der Agrargenossenschaft Kitzen und von Nemt aus Wurzen. Eine Ausnahme bilden die Baguettes, deren spezielles Mehl aus Frankreich kommt. Ihre weiche Porung und dünne Kruste zeigen, dass die Eßrichs das Konzept Baguette verstanden haben.

Es braucht Zeit, bis ein Teig nach den Regeln der Handwerkskunst fertig ist, auch bei Einsatz von sehr neuer Technik. Wenn er dann zu Brot, Baguettes, Croissants, Brötchen geformt ist, ruhen die Stücke von vormittags um 10 bis 1 Uhr am Folgetag. So können Aromen entstehen. Solche Schritte werden mit Zusätzen anderswo aus Kostengründen ebenso abgekürzt wie das Backen selbst. Deshalb ist eine ausgeprägte Kruste das erste Qualitätsindiz beim Brot.

Nun lebt man nicht vom Brot allein. Auf der süßen Seite des Betriebs tüftelt Hans-Peter Eßrich ständig an Feinheiten herum. Die Dominosteine enthalten tiefrotes Kirschgelee, das die Balance zwischen süß, sauer und fruchtig hält. Vollmundig ist der Schokoladenüberzug des Baumkuchens, dessen Inneres es schafft, feste mit weicher Konsistenz zu vereinen. Hans-Peter Eßrich spielt gerne mit der Aromatik, tariert Nuancen aus, die süße Auslage in der Bäckerei ist vielfältig und bunt. 
Da Früchte nicht immer Saison haben, kommen auch hier Aromapasten zum Einsatz, allerdings enthält die Erdbeerpaste nicht nur drei Prozent Frucht, sondern hundert.

Der Anspruch, vollständig selbst zu produzieren und auf regionale Produzenten zu setzen, brachte die Bäckerei unter anderem mit Slowfood und dem Leipziger Ernährungsrat zusammen, Initiativen, die sich für regionale Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, sie kooperieren außerdem mit Gastronomen. Das regionale Netzwerk will gepflegt werden, und wenn etwa Trockenheit oder Schädlinge für Ernteausfälle bei den Brandenburger Kürbiskernen sorgen, muss schnell jemand gefunden werden, der ebenfalls beste Ware aus der Region liefern kann. Die Brüder machen indes nicht den Eindruck, als ließen sie sich von langen Tagen und kleineren Rückschlägen den Spaß verderben. »Backen ist genial«, sagt Tom Eßrich. Und: »Die harte Arbeit lohnt sich, denn es schmeckt.«


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