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Kultur

Ganz dicht dran

Die Doku von zwei Leipziger Filmemacher über Trans-Identität feiert Premiere

  Ganz dicht dran | Die Doku von zwei Leipziger Filmemacher über Trans-Identität feiert Premiere

Die Darstellung von Transidentitäten sah Volker Klotzsche schon lange kritisch. Gemeinsam mit dem Journalisten Oliver Matthes hat er jetzt den Dokumentarfilm »Und ruhig fließt der Rhein« gedreht. Er zeigt die Geschichte von Caro - und den Schicksalsschlag, der sie während der Dreharbeiten trifft. Am 12. Juli feiert der Film Premiere im Luru-Kino. 

Die ersten Bilder zeigen den Rhein, wie er träge im Sonnenlicht dahinfließt. Am Ufer steht Caro, die in der Gegend geboren und aufgewachsen ist, damals noch als Rainer. »Hier hat mich zum ersten Mal jemand in Frauenkleidern erwischt«, erzählt sie der Kamera und deutet auf eine Ansammlung von Häusern, die sich in die Hügel der Gegend schmiegen.

Caro ist die Protagonistin im Dokumentarfilm »Und ruhig fließt der Rhein« der Leipziger Filmemacher Oliver Matthes und Volker Klotzsch. Die beiden kennen sich noch aus ihrer Schulzeit, haben gemeinsam das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Taucha besucht und anschließend erst einmal unterschiedliche Wege eingeschlagen: Matthes arbeitete als Journalist, während Klotzsch Medienpädagoge wurde. Den Wunsch, gemeinsam ein Filmprojekt auf die Beine zu stellen, trugen sie bereits länger mit sich herum, als Klotzsch zwischen 2015 und 2017 eine Ausbildung zum Kameramann machte.

»Wir mussten damals einen Abschlussfilm zum Thema ›Schönheit ist relativ‹ drehen«, erinnert er sich im Gespräch mit dem kreuzer. »Ich empfand zu der Zeit die Darstellung von Transidentitäten in den Medien sehr kritisch und wollte mich damit auseinandersetzen. Auf diesem Weg habe ich Caro in der Rosalinde getroffen und zwischen uns ist schnell ein gutes Vertrauensverhältnis aufgekommen.«

Für den Kurzfilm, den Klotzsch mit Caro drehte, gewann er den Finex-Preis von MDR und RBB. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass Caros Geschichte noch nicht auserzählt war, also wandte er sich an seinen Freund und bat ihn einzusteigen. »Wir haben einfach losgedreht«, erzählt Matthes, »bis es dann zu dem Schicksalsschlag kam, der eine komplett neue Dynamik in das ganze Projekt gebracht hat.« Während der Dreharbeiten erhielt Caro die Nachricht, dass ihr Vater im Sterben liegt, woraufhin Missbrauchs-Erlebnisse aus ihrer Kindheit, die sie bis dahin erfolgreich verdrängt hatte, bei ihr aufbrachen.

»Da gingen dann erst mal zwei, drei Monate ins Land, in denen wir gar nicht gedreht haben«, sagt Matthes, »wo wir uns alle sammeln und überlegen mussten, ob wir überhaupt was zu dem Thema Missbrauch machen können.« Letztlich war es Caro, die die beiden Freunde davon überzeugte, weiterzudrehen. Sie wollte ihre Geschichte erzählen und dokumentieren, was ihr angetan worden war.

»Wir haben uns Hilfe bei einer Traumatherapeutin gesucht«, erzählt Matthes, »wir wollten von ihr wissen, wie wir als Filmemacher im Arbeitsprozess verantwortlich mit einem traumatisierten Menschen umgehen können.« Caros Wunsch war es, die Kamera mit zu ihren ersten Therapiesitzungen zu nehmen, ein weiterer Beweis für das Vertrauen, das über die Zeit zwischen allen Beteiligten entstanden war. »Wenn so etwas passiert, dann bist du vor allem als Mensch gefragt«, sagt Klotzsch, »wir haben uns frühzeitig dafür entschieden, dass wir das Ende des Films nicht in der Drehphase erdenken können, sondern dass wir uns einfach auf die Interaktion einlassen, wertschätzend und ohne eine Einflussnahme.«

Das Ergebnis dieser beobachtenden Arbeitsweise zeigt sich in »Und ruhig fließt der Rhein«, der nicht nur ein intimes Porträt von Caro zeichnet, sondern auch den Menschen in ihrem Umfeld sehr nah kommt. Zweieinhalb Jahre begleiteten Klotzsch und Matthes Caro mit der Kamera, am Ende hatten sie über zweihundert Stunden Rohmaterial, aus dem sie die fertige Schnittfassung erarbeiteten. Keine leichte Aufgabe, zumal während des gesamten Prozesses kaum finanzielle Mittel vorhanden waren. Die einzige institutionelle Förderung, die die beiden Leipziger erhielten, kam von der Kulturstiftung Sachsen und betrug rund 15.800 Euro. Den Rest steuerten ein guter Freund von Klotzsch, eine Crowdfunding-Kampagne und die Filmemacher selbst bei, die Technik konnten sie sich dank eines Stipendiums vom »Werkleitz«-Verein in Halle kostenlos leihen. Anträge für weitere Gelder wurden allesamt abgelehnt, nicht selten auch mit dem Hinweis, wie schwer es sei, ein Thema wie Kindesmissbrauch im Programm unterzubringen. Eine para
doxe Situation, besteht das Anliegen des Films und seiner Protagonistin Caro doch gerade darin, für das Thema zu sensibilisieren. Darauf aufmerksam zu machen, dass Fälle wie der von Caro immer noch stattfinden und wie häufig gerade die Betroffenen von der Gesellschaft übersehen oder nicht ausreichend unterstützt werden.

Im Zuge ihrer Bemühungen um Förderung haben Klotzsch und Matthes bereits 2018 Rootfilms gegründet. In ihrer Firma arbeiten sie nun auch an weiteren Projekten, wie einer Dokumentation über den Reformpädagogen Otto Herz. Außerdem reichen sie »Und ruhig fließt der Rhein« bei Festivals ein und bemühen sich um Plattformen, damit möglichst viele Menschen die Gelegenheit bekommen, Caros Geschichte zu sehen. Aktuell planen sie etwa eine Filmtour mit Betroffenenverbänden. »Momentan sind wir noch zu zweit«, sagt Klotzsch, »aber natürlich möchten wir perspektivisch mehr Menschen für unsere Art des Storytellings gewinnen.«

> Der Text erschien zuerst in der Juni-Ausgabe des kreuzer 06/21.

> Alle Infos zum Film und zur Premiere gibt es hier


Titelfoto: Filmstill aus »und ruhig fließt der Rhein«. Rootfilms.


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1 Kommentar(e)

willie 21.06.2021 | um 22:41 Uhr

Korrektur der URL: http://caroline.rootfilms.de/