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Kultur

Der letzte Auftritt

Julia Schäfer verlässt nach 20 Jahren die Galerie für Zeitgenössische Kunst

  Der letzte Auftritt | Julia Schäfer verlässt nach 20 Jahren die Galerie für Zeitgenössische Kunst

Nach 20 Jahren verlässt Julia Schäfer die Galerie für zeitgenössische Kunst. Nach ihrem Volontariat war sie lange als Kuratorin für die Galerie tätig. Nun katapultiert sie sich selbst aus der Institution - und macht ein Referendariat.

Es war ihr letzter Auftritt als Kuratorin: Bei der Ausstellungseröffnung von »Appointment X - Verabredungen unter besonderen Bedingungen« brachte Julia Schäfer das Karaoke-Mikrofon von zu Hause mit. Die technischen Gerätschaften der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) waren alle in den Ausstellungen verbaut. Viele Menschen standen im gebührenden Abstand zwischen der Villa und dem Neubau der Galerie und konnten so ihre Worte gut verstehen. Öffentliche Dankesworte seitens des Hauses für zwanzig Jahre Arbeit an der Kunst gab es zu dem Anlass allerdings nicht. Wenige Wochen später treffen wir Schäfer zum Gespräch.

1998 eröffnete die Galerie für zeitgenössische Kunst unter der Leitung des Leipziger Kunstwissenschaftlers Klaus Werner ihre Ausstellungsräume in der Villa. Mit der neuen Direktorin Barbara Steiner kam Julia Schäfer 2001 nach Leipzig. Zuvor hatte sie das Erste Staatsexamen Lehramt Deutsch und Kunst absolviert und im Kunstmuseum Wolfsburg in der Vermittlungsabteilung gearbeitet. In Leipzig begann sie als Volontärin. »Wenn ich zurückblicke, war das eine sehr spannende und andere Zeit«, erinnert sie sich.

»Turbo« Zwei Jahre später übernahm Schäfer als Nachfolgerin von Jan Winkelmann die Stelle der Kuratorin, ihre erste Ausstellung hieß »Trautes Heim«. Die künstlerischen Arbeiten präsentierten die Auseinandersetzungen um unterschiedliche Wohn- und Einrichtungssituationen, bezogen auf Stadt, Land und Geschlecht. Das Vermittlungsprojekt »Sitzecke« mit Ohrensesseln bot Literatur zum Thema im ehemaligen Salon der Villa.

Ganz so gemütlich verlief ihre Anfangszeit allerdings nicht. »Turbo« bezeichnet sie Schäfer im Rückblick, denn 2004 eröffnete der GfZK-Neubau. Es wurde über eine Vermittlungsabteilung nachgedacht, die seit 2005 Lena Seik und Alexandra Friedrich leiten.

Dann habe Schäfer richtig gute Chancen erhalten: »Wir waren finanziell sehr gut aufgestellt. Vielleicht war das noch der Fahrtwind der Gründung, den Klaus Werner angeschoben hatte«, sagt Schäfer. Projekte mit großer Reichweite trugen Namen wie »Kulturelle Territorien«, »Schrumpfende Städte« oder »Heimat Moderne«.

»Wegkommen vom statischen Kuratieren« Als Zäsur würde Schäfer ihre Sammlungsausstellung »Puzzle« 2010 im Neubau bezeichnen. Bis dahin fanden die Präsentationen der Sammlung im Altbau statt: »Ich konnte ein Jahr den Neubau mit sehr unterschiedlichen Protagonistinnen bespielen und bin dabei vom statischen Kuratieren weggekommen. Ich teilte die Räume auf und habe den Leuten relativ freie Hand gelassen.« Schäfer lud Mitglieder des GfZK-Förderkreises, Kinder und Jugendliche oder Studierende der Klasse für Intermedia von der Hochschule für Grafik und Buchkunst ein. Für sie bedeutete die Schau den Beginn das Vermittelnde als kuratorische Praxis zu begreifen.

»Turn« Seit 2012 leitet Franciska Zólyom die Galerie. Gemeinsam organisierten sie das Projekt »Travestie für Fortgeschrittene«. Schäfer lud dazu Bühnenbildner ein. »Da habe ich gemerkt - es gibt noch einmal so einen Turn mit der Frage: Wie kannst du Räume so bauen oder anders für Besucherinnen konzipieren, um sie zu irritieren. Ich wollte weg von klassisch angeordneten Ausstellungen«. Als eine ihrer wichtigsten Ausstellungen nennt sie »Martian Dreams Ensemble« von Dominique Gonzalez-Foerster 2018/19. Hierbei spielte eine begehbare Bühne eine große Rolle.

Die aktuelle Ausstellung »Appointment X - Verabredungen unter besonderen Bedingungen« stellte genau die richtige Abschlussausstellung für sie dar, »weil mich schon immer die Frage beschäftigte, wie kannst du die Wände runter klappen – der Neubau ist ja schon so angelegt, dass er sehr transparent ist – aber wie kannst du noch anders in die Stadt rausgehen?« Dazu lud sie unterschiedliche Gruppen ein, die weit weg von Kunstinstitutionen Kunst vermitteln. Etwa das Künstlerkollektiv Fail, das im vergangenen Jahr ein Projekt in Thallwitz realisierte, oder den Kulturbahnhof, der seit Jahren mit Jugendlichen im Leipziger Umland arbeitet.

Aus der Frage nach dem, was draußen geschieht, gründete sie 2018 mit anderen Kulturakteuren das Netzwerk der Komplizenschaft mit. Im Mittelpunkt steht dabei »der sächsische Raum, um kulturelle Schnittstellen von Land und Stadt zu schaffen.« Aus zeitlichen Gründen sei sie dieses Jahr ausgestiegen. Dennoch habe sie gemerkt: »Mich interessiert es, Projekte zu veranstalten außerhalb von der Institution, um vor Ort mit den Menschen anders ins Gespräch zu kommen.«

»Das fühlt sich gut an« Anfang des Jahres entschied Schäfer, die GfZK zu verlassen. Heute stellt sie fest: »Ich katapultiere mich quasi selber aus der Institution raus. Das fühlt sich gut an und tut der Institution gut.« Mit dem neuen Schuljahr beginnt sie ein Referendariat an der Thomasschule für das 2. Staatsexamen, engagiert sich im kuratorischen Beirat vom Kunstraum D21 sowie bei Fail. Geplant ist zudem ein Buch über ihre Projekte in den letzten zwanzig Jahren. Schäfer blick gespannt darauf, welche Richtung die GfZK gehen wird. Ihre Stelle ist nicht ausgeschrieben. Stattdessen sucht das Haus »eine Verwaltungs- und Ausstellungsmanager:in«


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