Diese Woche wartet mit einem geballten Paket von Neuerscheinungen auf: Viggo Mortensen wagt sein Regiedebüt, Lars Eidinger spielt den aufrechten DDR-Bürger und Euros Lyn zeigt einen Film zum Wohlfühlen. Außerdem: Das Leipziger FIlmfestival Kurzsuechtig geht wieder los!
Auch der wichtigste Festivaltermin für den kurzen Film wird nachgeholt: Das Kurzsuechtig ist mittlerweile zu einer ganzen Festivalwoche angewachsen und präsentiert Animiertes, Experimentelles, Dokumentarisches, Spielfilm und Digitales. Daneben wird auch wieder der Preis für Filmmusik und Sounddesign vergeben. All das wieder an gewohnter Stelle im frisch sanierten Ballsaal der Schaubühne und online. Am 23.8. gibt es dann ein Best of im Luru. www.kurzsuechtig.de
»Kurzsuechtig«: 18.–21.8., Schaubühne Lindenfels & Digitaler Raum, 23.8., Luru Kino in der Spinnerei
Film der Woche: Als Darsteller liefert Viggo Mortensen seit über drei Jahrzehnten regelmäßig überzeugend ab, egal ob als Held Aragorn in der »Der Herr der Ringe«-Trilogie oder in Charakterrollen, etwa als getriebener Mafiascherge in »Eastern Promises« oder zuletzt in »Green Book«. Mit dem unsentimentalen Familiendrama »Falling« legt er nun sein Regie- und Drehbuchdebüt vor und auch das kann sich mehr als sehen lassen. Eine der beiden Hauptrollen hat der Schauspieler natürlich auch noch übernommen: Willis lebt glücklich mit seinem Mann Eric und der gemeinsamen Tochter Monica in Los Angeles. Seiner tristen Kindheit auf der Farm seines kaltherzigen Vaters John konnte er gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester entfliehen. Alles holt ihn wieder ein, als er John pflichtbewusst zu sich nimmt, weil dessen Demenzerkrankung sich verschlimmert. Von Altersmilde ist bei dem Kotzbrocken jedoch nichts zu spüren, ständig äußert er sich beleidigend über alles und jeden und insbesondere die Homosexualität seines Sohnes ist ihm ein Dorn im Auge. In immer wieder eingestreuten Rückblenden setzt sich dann ganz unaufgeregt das Puzzle ihrer Vergangenheit zusammen und man wird Zeuge vom persönlichen Scheitern eines auf sich selbst fixierten und lieblosen Mannes, bravourös unsympathisch gespielt vom sträflich unterschätzten B-Movie-Furchengesicht und Ex-»Aliens«-Androiden Lance Henriksen.
PETER HOCH
»Falling«: ab 12.8., Passage Kinos, Regina Palast
Franz Walter sitzt in einer Zelle. Sein Gesicht spiegelt Verzweiflung wider, in seinen Augen stehen Tränen. Franz wird von der DDR-Staatsführung der Spionage bezichtigt. Einige Zeit zuvor war er vom Staatssicherheitsdienst angeworben worden. Als Wissenschaftler wurde ihm eine Professur in Aussicht gestellt, wenn er hilft, den Fahnenflüchtigen Fußball-Profi Horst Langfeld zurück aus dem Westen zu holen. Über seine Tätigkeit an der Seite von Oberstleutnant Dirk Hartman darf er mit niemandem reden. Die Lüge zersetzt seine Ehe mit Corina und die Methoden der Stasi setzen ihm moralisch zu. Parallel dazu steht Franz vor dem Gericht und rechtfertigt die Taten, die zu seiner Inhaftierung führten in nüchternen Worten. Die Verhandlung ist eine Farce und Franz steuert ungebremst seinem Untergang entgegen. Die Montage von Franziska Stünkels Aufarbeitung der Vita des letzten Hingerichteten der DDR lässt keinen Zweifel am tragischen Ausgang der Geschichte. Und dennoch gelingt es ihr, Spannung und Mitgefühl zu erzeugen für das Schicksal des aufrechten DDR-Bürgers, der seinen Zweifel mit dem Leben bezahlen musste. Das liegt auch an der einnehmenden Darstellung von Lars Eidinger, dem der zunehmende psychische Druck ins schweißnasse Gesicht geschrieben ist. Franziska Stünkels bis in die Nebenrollen mit Luise Heyer und Dewid Striesow glänzend besetztes Thrillerdrama wurde bei den Münchener Filmtagen verdient mit zwei Preisen ausgezeichnet.
LARS TUNÇAY
»Nahschuss«: ab 12.8. Passage Kinos, am 15.8., 16 Uhr in Anwesenheit der Regisseurin Franziska Stünkel
Jan Vokes steckt fest. Die Kinder sind aus dem Haus, ihr Mann, ein Tierarzt im Ruhestand, verbringt seine Zeit nur noch vor dem Fernseher und ihre Jobs im Supermarkt und einer Bar sorgen auch nicht gerade für Abwechslung. Die Tristesse im Leben der schüchternen Frau wird erst durchbrochen, als Vokes eines Tages einen Mann im Pub von Pferderennen reden hört und beschließt, ihr eigenes Rennpferd zu züchten. Eine ziemlich kostspielige und gewagte Angelegenheit, weswegen sie die gesamte Dorfgemeinschaft überredet, sich an dem Projekt zu beteiligen. »Dream Horse« erzählt eine klassische Underdog-Geschichte, beruhend auf einer wahren Begebenheit. Vor der walisischen Kulisse, wo nach den großen Tagen der Schwerindustrie viele arbeitslos sind und ihre Aussichten ähnlich trist wie die von Vokes, weckt die Beteiligung an dem Rennpferd Stolz und neue Solidarität bei den Dörflern. Mit einem Gespür für Land und Leute entfaltet Regisseur Euros Lyn, selbst Waliser, seine Geschichte. Manches darin ist dem Genre entsprechend zwar voraussehbar, doch dem Vergnügen, das man als Zuschauer empfindet, wenn sich Alte und Junge zusammentun, um im Bus zum Rennen zu fahren, tut das keinen Abbruch. Von der Auswahl der Songs, über die Hauptdarsteller Toni Collette und Damian Lewis bis zur Besetzung der Nebenrollen ist »Dream Horse« im besten Sinne ein Film zum Mitfiebern und Wohlfühlen.
JOSEF BRAUN
»Dream Horse«: ab 12.8., Passage Kinos, Cineplex, Regina Palast
Suzy van Zehlendorf ist Berlinerin mit einer tiefen Abneigung gegen das Bodemuseum. Die Künstlerin, deren häufigstes Motiv ein Hahnenkopf ist, der in verschiedenen Kontexten ihres Werks auftaucht, arbeitet in ihrem Atelier an einer Nachbildung des Museums. Ihre Idee: wenn das Modell fertig ist, möchte sie es mit Dartpfeilen zerstören. Als Zuschauer wird einem rasch klar, dass Suzy van Zehlendorf viel zu sagen hat. Dasselbe gilt auch für die anderen Männer und Frauen, die in der Kunstwerkstatt Mosaik unter der Leitung von Nina Pfannenstiel arbeiten. Sie alle eint, dass sie in dem Atelier einen Ort gefunden haben, der sie in ihrem Künstlertum anerkennt und nicht aufgrund ihrer verschiedenen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen davon abtrennt. Regisseurin Sabine Herpich, deren Dokumentarfilm bei der letzten Berlinale Premiere feierte, begleitete ihre Protagonistinnen über mehrere Wochen mit der Kamera. Besuche von Galeristen, gemeinsame Mahlzeiten, Wochenpläne, Gespräche über einzelne Werke, in all diesen Situationen hält sich Herpich zurück, dadurch gelingt es ihr, tief in die Atmosphäre der Mosaik-Werkstatt einzutauchen. Einfühlsam porträtiert sie die Zusammenarbeit zwischen den Künstlern und dem Team um Nina Pfannenstiel. »Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist«, ist ein berührende und stellenweise sehr witzige Dokumentation über einen außergewöhnlichen Ort.
JOSEF BRAUN
»Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist«: ab 12.8., Cinémathèque in der Nato, ab 26.8., Cineding
Weitere Filmtermine der Woche
Congo Calling
(D 2019) - Globale
Drei Europäer, die sich seit vielen Jahren im Kongo engagieren, aber sich nun damit auseinandersetzen müssen, dass es in der Entwicklungshilfe neben Erfolgen auch viele Rückschläge zu verkraften gilt. - Globale
R: Stephan Hilpert, D 2019, Dok, 94 min
Grassi-Museum Leipzig
• Donnerstag 12.08., um 20:00 Uhr
Chez jolie coiffure
(B 2018) - Globale
Ein kleiner Friseursalon in einer Galerie im Herzen von Matongé, Treffpunkt der Nachbarschaft, wo kleine, große und persönliche Probleme des täglichen Lebens sowie der Gesellschaft besprochen werden. - Globale
R: Rosine Mbakam, B 2018, Dok, 70 min
Grassi-Museum Leipzig
• Freitag 13.08., um 20:00 Uhr
Dok Leipzig Sommerkino: Kurzfilme
- Verwundene Fäden (D 2020, Dok), All Inclusive (CH 2018, Dok), Hotel Astoria (D 2020, Anim.)
Das Dok Sommerkino zeigt die kurzen Dokumentarfilme »Verwundene Fäden« (D 2020) und »All Inclusive« (CH 2018) sowie die Leipziger Animadok »Hotel Astoria« (D 2020) von Alina Cyranek und Falk Schuster.
Parkbühne im Clara-Zetkin-Park
• Donnerstag 12.08., um 20:00 Uhr
Freakscene - The Story Of Dinosaur Jr.
(D 2020, Dok)
R: Philipp Virus, D 2020, Dok, 86 min
Luru-Kino in der Spinnerei
• Donnerstag 12.08., um 21:00 Uhr
Professor Mamlock
(DDR 1961)
Eine deutsche Universitätsstadt zu Beginn des Jahres 1933. Professor Mamlock ist Jude und Chef einer chirurgischen Klinik. Obwohl er unauffällig und unpolitisch ist, wird er von den Nazis in die Ecke gedrängt. - mit Einführung - Konrad-Wolf-Filmreihe
R: Konrad Wolf, D: Wolfgang Heinz, Ursula Burg, Hilmar Thate, DDR 1961, 100 min
Kinobar Prager Frühling
• Donnerstag 12.08., um 18:00 Uhr
Solo Sunny
(DDR 1980) - Filmeinführung
Sunny ist Schlagersängerin und tingelt mit ihrer Band durch Dörfer und Kleinstädte. Sie sehnt sich nach Glück und Anerkennung als Persönlichkeit, aber ihre Beziehungskisten sind kompliziert und selten dauerhaft. - mit Einführung
R: Konrad Wolf, Wolfgang Kohlhaase, D: Heide Kipp, Renate Krößner , DDR 1979, 102 min
Kinobar Prager Frühling
• Donnerstag 12.08., um 16:00 Uhr
Der geteilte Himmel
(DDR 1965)
Die Verfilmung von Christa Wolfs Roman lehnt sich formal an die französische Nouvelle Vague an und lief in der DDR zunächst sehr erfolgreich. Heute gilt der Film als eine der ambitioniertesten und zugleich kritischsten DEFA-Produktionen. - Jahrestag Mauerbau 13. August 1961
R: Konrad Wolf; D: Eberhard Esche, Martin Flörchinger, Hans Hardt-Hardtloff, DDR 1964, 114 min
Kinobar Prager Frühling
• Freitag 13.08., um 17:00 Uhr
Erinnerung an eine Landschaft - für Manuela
(DDR 1983, Dok)
Der Film von Kurt Tetzlaff ist ein Gleichnis auf den Verlust von Heimat, auf die Zerstörung der Natur im Namen des industriellen Fortschritts. Dörfer die der Braunkohleförderung im Weg stehen, werden abgerissen. Die Menschen werden gegen ihren Willen umgesiedelt. Tetzlaff verfolgt in seinem Film von 1983 über mehrere Jahre die Schicksale einiger Dorfbewohner südlich von Leipzig.
R: Kurt Tetzlaff, DDR 1983, Dok, 84 min
Gethsemane-Kirche Lößnig
• Freitag 13.08., um 18:30 Uhr
Kurzfilmprogramm zum Gedenken an den Mauerbau
Drei Kurzfilme: »Radfahrer« (D 2018), »Detektive oder Die glücklosen Engel der inneren Sicherheit« (D 2006) und »Die Weite suchen« (D 2015).
Kinobar Prager Frühling
• Freitag 13.08., um 19:15 Uhr
Die kalten Ringe
(D 2020, Dok) - im Anschluss Publikumsgespräch
Sport im Kalten Krieg: Der Dokumentarfilm erzählt die weitestgehend vergessene Geschichte der letzten gemeinsamen Olympiamannschaft mit Athleten der Bundesrepublik und der DDR bei den Olympischen Sommerspielen 1964 in Tokio. - im Anschluss Publikumsgespräch
R: Thomas Grimm, René Wiese, D 2020, Dok
Schaubühne Lindenfels
• Donnerstag 12.08., um 19:00 Uhr
Die Verschwundene
(F/D 2019) - Sommerkino der Schaubühne Lindenfels
Eine Frau verschwindet spurlos von der Erdoberfläche. Fünf Menschen stehen jedoch in direkter Verbindung mit dem Verschwinden. Thriller von Dominik Moll (»Lemming«). Preview, Kinostart am 7.10.
R: Dominik Moll, D: Denis Ménochet, Laure Calamy, Damien Bonnard, F/D 2019, 117 min
Markthalle Plagwitz
• Samstag 14.08., um 21:30 Uhr
Honeyland
(MKD 2019) - Globale
Als eine türkische Familie in die ruhige Welt der Imkerin Hatidze einfällt, sorgt das für Konflikte. In kraftvollen, bemerkenswert nahen Bildern beobachten die Regisseure des oscarnominierten Dokumentarfilms das Leben der Nachbarn. - Globale
R: Ljubomir Stefanov, Tamara Kotevska, MAZ 2018, Dok, 85 min
Schloss Frohburg
• Samstag 14.08., um 20:00 Uhr
Sterne
(DDR 1959)
Ein in Bulgarien stationierter Wehrmachtsunteroffizier trifft 1943 auf eine griechische Jüdin, die nach Auschwitz deportiert werden soll. Zwischen den beiden entsteht eine leise, aber hoffnungslose Liebe. Poetischer Klassiker des DDR-Kinos.
R: Konrad Wolf, D: Erik S. Klein, Jürgen Frohriep, Ivan Kondow , DDR/BG 1959, 88 min
Kinobar Prager Frühling
• Samstag 14.08., um 16:00 Uhr
Ich war neunzehn
(DDR 1967)
Die letzten Kriegstage aus Sicht eines Leutnants, der mit seinen Eltern als Kind vor den Nazis nach Russland floh und mit der Roten Armee nach Ostdeutschland zurückkehrt. - Begleitprogramm zur Ausstellung »Inszeniert. Deutsche Geschichte im Spielfilm«
R: Konrad Wolf; D: Alexej Ejboschenko, Jaecki Schwarz, Wassili Liwanow, DDR 1968, 115 min
Kinobar Prager Frühling
• Samstag 14.08., um 18:00 Uhr
Grenzgebiet
(D 2019, Dok) - Sommerbühne von Werk 2 und UT Connewitz
»Grenzgebiet« entwickelt einen ganz eigenen Blick auf Graffiti und deren Dokumentation.
R: Matti Cordewinus, D/PL 2020, Dok, 97 min
Panometer
• Sonntag 15.08., um 21:00 Uhr
Verplant - Wie zwei Typen versuchen, mit dem Fahrrad nach Vietnam zu fahren
(D 2020) - Filmnächte Scheibenholz
Die Geschichte einer Freundschaft und eines irrsinnigen Plans: Von Heiligenstadt aus mit dem Rad nach Vietnam. - Filmnächte Scheibenholz
R: Waldemar Schleicher , D 2020
Galopprennbahn Scheibenholz
• Sonntag 15.08., um 20:30 Uhr
Sky Sharks
(D 2017)
Sky Sharks und Nazi-Zombies. Sechs Jahre arbeiteten die Produzenten Marc Fehse, Carsten Fehse und Yazid Benfeghoul an ihrem mit Crowdfunding finanzierten Trash-Horror.
R: Marc Fehse, D: Michaela Schaffrath, Cary-Hiroyuki Tagawa, Robert LaSardo., D 2021, 102 min
Passage-Kinos
• Montag 16.08., um 21:00 Uhr
Contrahistoria - Geschichte von unten
(E 2020) - Globale
Antifaschistischer Dokumentarfilm über faschistische Kontinuität, Repression und soziale Kämpfe in Spanien. - Globale
Caracan. Bar & Grill
• Mittwoch 18.08., um 20:00 Uhr
Der Hochzeitsschneider von Athen
(D/B/GR 2019) - Filmnächte Scheibenholz
Ein Hochzeitsschneider erkennt, dass er sich nach langen Jahren im Geschäft noch einmal neu erfinden muss, wenn er nicht alles verlieren will. Preview in Anwesenheit des Filmteams, Kinostart 26.8.
R: Sonia Liza Kentermann, D: Dimitris Imellos, Tamilla Koulieva und Thanasis Papageorgiou, GR/D/B 2020, 100 min
Galopprennbahn Scheibenholz
• Mittwoch 18.08., um 20:30 Uhr
Der See der wilden Gänse
(HN/F 2019; OmU) - Sommerkino des Ost-Passage-Theater
Unbarmherziges Genrekino aus Neonlicht und Schatten, preisgekrönt beim Filmfestival in Cannes.- Sommerkino der Schaubühne Lindenfels
R: Yinan Diao, D: Ge Hu, Lun-Mei Kwei, Fan Liao , HN/F 2019, 113 min
Hinterhof Dresdner Str. 82
• Mittwoch 18.08., um 21:00 Uhr
The Rider
(USA 2017; OmU)
Nach einem beinahe tödlichen Unfall versucht ein Rodeoreiter Halt in seinem Leben zu finden. Berührendes, lebensnahes Drama.
R: Chloé Zhao; D: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau, USA 2017, OmU, 104 min
Sommerkino auf der Feinkost
• Mittwoch 18.08., um 21:00 Uhr