In dieser Woche gibt es im Cineplex die einmalige Chance, DEFA-Filme auf Leinwand zu sehen. Zu den Neuerscheinungen diese Woche gehören »Supernova«, über die fortschreitende Demenz eines Partners und »Alles, was uns glücklich macht«, eine Tragikomödie ganz im Stile des zwanzig Jahre alten Erfolgsfilms »Ein letzter Kuss«.
Das Cineplex feiert an diesem Wochenende mit einer ganz eigenen Filmauswahl 75 Jahre DEFA – schließlich arbeiteten einige der Mitarbeiter des Grünauer Kinos noch unter der »Bezirksfilmdirektion Leipzig«. Auf dem Programm stehen »volkseigene Filme«, Publikumslieblinge wie die Märchenverfilmungen »Das kalte Herz«, »Weiße Wölfe« mit Dakotahäuptling Gojko Mitic oder »Mir nach, Canaillen!« mit Manfred Krug. Auch der erste Science Fiction-Film der DDR »Der schweigende Stern« hebt noch einmal ab.
»Das Leipziger DEFA-Wochenende«, 15.–17.10., Cineplex
Film der Woche: Tusker ist ein erfolgreicher Schriftsteller und seit vielen Jahren mit dem Pianisten Sam liiert. Nun schwebt allerdings ein dunkler Schatten über ihrer Zweisamkeit, denn obwohl Tusker erst um die 60 Jahre alt ist, leidet er unter einer frühen Form der Demenzerkrankung, die seinen Alltag immer mehr in Mitleidenschaft zieht. Die beiden Männer unternehmen gemeinsam einen Ausflug mit ihrem Wohnmobil durch die Grafschaft Cumbria im Nordwesten Englands, wo sie zunächst bei Freunden zu Gast sind, die eine Überraschungsparty mit alten Bekannten für das Paar organisieren. Hier wird erstmals deutlich, wie weit fortgeschritten Tuskers Krankheit mittlerweile ist. Nach wie vor kommt es selten vor, dass ein alterndes homosexuelles Paar in einem Film die Hauptrollen bekleidet. »Love is Strange« ist ein seltenes Beispiel, oder auch »Wir beide« über ein lesbisches Paar, dessen Alltagsroutine ebenfalls durch Krankheit beeinträchtigt wird. Stanley Tucci agiert hier zwar als dementer Autor über weite Strecken noch zu klar, aber Colin Firth spielt als dessen liebevoller Partner schlichtweg sensationell, vor allem im letzten Drittel des Films, in dem er vor ein moralisches Dilemma gestellt wird. Harry Macqueen erzählt die liebenswerte Geschichte mit einer beeindruckenden Unaufgeregtheit, bei der das Geschlecht und die sexuelle Orientierung der Protagonisten schließlich völlig nebensächlich wird.
FRANK BRENNER
»Supernova«: ab 14.10., Passage Kinos
Anfang der 1980er-Jahre werden die Teenager-Kumpel Giulio und Paolo bei einer Demonstration in Rom Zeuge davon, wie der gleichaltrige Riccardo verletzt wird. Sie bringen ihn in ein Krankenhaus. Es entsteht eine Freundschaft zwischen den Dreien. Auch Gemma, in die Paolo sich unsterblich verliebt, stößt wenig später zu der Clique – ein Quartett, das jede Menge Veränderungen erfahren wird und dessen Lebenswege sich immer wieder annähern, entfernen und kreuzen werden. Gabriele Muccino macht erneut das, was er am besten kann und liefert eine Tragikomödie ganz im Stile seines zwanzig Jahre alten Erfolgsfilms »Ein letzter Kuss« ab, in der er einst ein emotionales Beziehungsgeflecht aufdröselte. Diesmal erzählt er in einer wesentlich größeren Zeitspanne. In vierzig Jahre lässt der Regisseur die italienische Geschichte des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts Revue passieren. In satten, warmen Farben, flankiert von jeweils zur Ära passender Musik und vor historischen Fixpunkten erschafft er eine nicht allzu tiefschürfende, aber unwiderstehliche Ode an die Freundschaft. Aber auch an das Verrinnen der Zeit und das Leben, die mit Pierfrancesco Favino, Kim Rossi Stuart, Claudio Santamaria und Micaela Ramazzotti perfekt besetzt ist. Dazu zitiert der Italiener große Vorbilder wie Ettore Scolas »Wir hatten uns so geliebt« oder Federico Fellinis »Das süße Leben« und variiert deren erzählerische Ansätze ebenso beschwingt wie melancholisch für ein aktuelles Publikum.
PETER HOCH
»Auf alles, was uns glücklich macht«: ab 14.10., Passage Kinos
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Robert Soko mit seinen „Balkan Beats“ als DJ Soko unterwegs. Der Hype ist längst verflogen, die Tanzflächen sind kleiner geworden und leerer. Soko ist alt geworden und müde. Mit 19 kam er aus Bosnien nach Berlin, kurz nach dem Fall der Mauer und noch vor dem Krieg in seiner Heimat. Er verdingte sich als Taxifahrer und tut das noch heute. Am Steuer begann seine Karriere als DJ. Gegen das Heimweh begann er, Balkanmusik für die Taxigäste aufzulegen. Das kam an. Sein Landsmann Goran Bregovic machte zu jener Zeit mit seinen Soundtracks zu den Filmen von Emir Kusturiza die Musik seiner Heimat populär. Soko brachte sie auf die Tanzfläche. Das Berliner Lido wurde sein zweites Zuhause. Jetzt, dreißig Jahre später, ist er das Nachtleben leid. Er will zurück auf die Jagd nach neuen Klängen und musikalischen Mitstreiter*innen. Also steigt er in seinen Mercedes und fährt an den Balkan. Dort ist die Flüchtlingskrise auf ihrem Höhepunkt. Unzählige Menschen sind an der Grenze zu Europa gestrandet. Er nimmt die Musik der Geflüchteten auf, trifft den jungen Ferdows aus Afghanistan, Beatboxer und Rapper, der seit 18 Monaten auf der Reise ist. Dann geht es - leider - zurück nach Berlin. Auch hier trifft Soko auf Musiker mit Migrationsgeschichten, die Lebensumstände sind jedoch gänzlich andere. Ein gemeinsamer Track mit Musikern aus verschiedenen Teilen der Welt entsteht an den Reglern eines Berliner Studios. Am Ende fügt sich Sergej Kresos Film zu einem zersplitterten Bild der Migration in Zentraleuropa zusammen. Immer wieder mäandert er an Nebenschauplätze. Wenn Soko am Ende erneut auf Ferdows trifft, hat der Film das Interesse an ihm bereits verloren.
»Here We Move Here We Groove«: ab 14.10., Luru Kino in der Spinnerei
Weitere Filmtermine der Woche
TOVE
(FIN/SWE 2020) - im Rahmen des 28. LeLeTre
Porträt der finnisch-schwedischen Schriftstellerin und Malerin Tove Jansson, Erfinderin der »Mumins«. - Preview im Rahmen des 28. LeLeTre
R: Zaida Bergroth, D: Alma Pöysti, Krista Kosonen, Shanti Roney, FIN/SWE 2020, 116 min
Kinobar Prager Frühling
• Freitag 15.10., um 19:00 Uhr
Die Schlacht um Algier
(ALG/IT 1966) - Globale
Klassiker über den Kampf der Menschen in Algerien um Unabhängigkeit von den Franzosen in den 1950ern. - Globale
R: Gillo Pontecorvo, D: Brahim Hadjadj, Jean Martin, Yacef Saadi, ALG/IT 1966, 121 min
Felsenkeller
• Samstag 16.10., um 20:00 Uhr
Bowlingtreff
(D 2015, Dok)
Im Jahr 1987 eröffnet, wurde der Bowlingtreff zu einem Symbol für die Sportstadt Leipzig. - Leipziger Seniorenfilmtage, anschl. Gespräch mit den Filmemachern.
R: Thomas Beyer und Adrian Dorschner, D 2015, Dok, 60 min
Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz
• Sonntag 17.10., um 18:00 Uhr
Ellie & Abbie
(AUS 2020; OmU) - im Rahmen des 28. LeLeTre
Der australische Film erzählt von einer lesbischen ersten Liebe im Teenageralter, bei dem eine der Protagonistinnen Unterstützung vom Geist einer verstorbenen lesbischen Tante erhält. - im Rahmen des 28. LeLeTre
R: Monica Zanetti, D: Sophie Hawkshaw, Zoe Terakes, Julia Billington, AUS 2020, OmU, 80 min
Kinobar Prager Frühling
• Sonntag 17.10., um 18:00 Uhr
Mietrebellen
(D 2014, Dok) - im Anschluss Filmgespräch mit Filmemacher und Aktivisten - Globale
Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt: Dokumentation des Ringens Berliner Mieter um ein Recht auf Stadt angesichts des sich drastisch verändernden Wohnungsmarkts. - im Anschluss Filmgespräch mit Filmemacher und Aktivisten - Globale
R: Matthias Coers, Gertrud Schulte Westenberg, D 2014, Dok, 79 min
Neues Schauspiel Leipzig
• Montag 18.10., um 20:00 Uhr
Film ab!
- Musik zu Stummfilmen - MDR-Klassik
Musik zu Stummfilmen mit »Rundfunk auf dem Lande«, »Das Wochenende der Großstädter, »Achtung - Achtung« und »Mister Radio«. - MDR-Klassik
Felsenkeller
• Dienstag 19.10., um 20:00 Uhr
Freistaat Mittelpunkt
(D 2021, Dok) - anschließend Filmgespräch
Der Film erzählt die Geschichte des »Altonaer Bürgermeisters im Exil«: Nach seiner Internierung und Zwangssterilisation durch die Nationalsozialisten und aufgrund der verweigerten Wiedergutmachung in der Bundesrepublik entscheidet sich Ernst Otto Karl Grassmé für ein Leben im Moor. - anschließend Filmgespräch
R: Kai Ehlers, D 2021, Dok, 79 min
Schaubühne Lindenfels
• Dienstag 19.10., um 19:00 Uhr
Große Freiheit
(DE/AT 2020)
Homosexuelle werden im Nachkriegsdeutschland weiterhin strafrechtlich verfolgt und so landet Hans wiederholt im Gefängnis. Dort lernt er Viktor kennen, der wegen Mord einsitzt und zu dem er sich nach anfänglicher Ablehnung hingezogen fühlt. Preview im Rahmen von Queerblick.
R: Sebastian Meise, D: Franz Rogowski, Georg Friedrich, Thomas Prenn, Anton von Lucke, DE/AT 2020
Passage-Kinos
• Mittwoch 20.10., um 20:00 Uhr
Katrin / Abstich
(D 1986, Dok / D 1998, Dok) - Globale
Langzeitdokumentation über das Stahlwalzwerk »Maxhütte« im thüringischen Unterwellenborn. - Globale
Felsenkeller
• Mittwoch 20.10., um 20:00 Uhr
Moby Dick - Die Wahl der Kwal
(D 2021) - Premiere - in Anwesenheit des Filmteams
Vor 65 Jahren machte sich Gregory Peck als Captain Ahab daran, das »weiße Monster« Moby Dick zur Strecke zu bringen. 2020, im Jahr der Pandemie, tritt der »Weiße Wal der Schaubühne Lindenfels«, Wolfgang Krause Zwieback, in John Houstons Fußstapfen und holt Herman Melvilles Hochseeabenteuer in den Ballsaal als leinwandfüllendes Spielfilmepos. - Am 21.10. Leinwand-Premiere in Anwesenheit des Filmteams
R: Wolfgang Krause Zwieback, D: Wolfgang Krause Zwieback, Corinna Harfouch, Dirk Hessel, Marie Nandico, D 2021, 71 min
Schaubühne Lindenfels
• Donnerstag 21.10., um 19:30 Uhr
Shorts Attack - Realitäten
Die Vielfalt der Realitäten in 8 kurzen Filmen.
UT Connewitz
• Donnerstag 21.10., um 20:00 Uhr