Das skandinavische Kino befindet sich auf einem Höheflug: Mit »Der Rausch« von Thomas Vinterberg feierte die Leipziger Weltkino Besucherrekorde, mit »Helden der Wahrscheinlichkeit« folgt gleich der nächste Hit. Kein Wunder, dass sich in diesem Monat gleich zwei Kinos mit der Filmregion befassen. Dabei gibt es eine Mad Mikkelsen-Retrospektive in der Kinobar und das intensive Drama »Hope« in der Schauburg.
»Nordische Filmtage«: ab 18.11., Schauburg, ab 25.11., Kinobar Prager Frühling
Film der Woche: Es gefällt Kelly Reichardt wahrlich nicht, irgendwelche Erwartungen zu erfüllen. Wer auf »First Cow« beim Kramen in der Westernschublade stößt, bekommt sicherlich nicht das, wonach er sucht, mit Sicherheit aber wesentlich mehr. Das deutet sich schon beim Prolog an, beginnt ihr Film doch in der Gegenwart, wo eine Frau beim Spaziergang mit ihrem Hund auf die Gerippe zweier Menschen stößt. Die Erzählung geht zurück in die Zeit der Pioniere, die das Land erschlossen und an vereinzelten Orten Handel trieben, aus denen einmal Städte entstehen sollten. Doch noch ist das Ziel von Cookie und King Lu im Staate Oregon nur eine Ansammlung von Matsch und Hütten. Die beiden Einzelgänger freunden sich an und träumen davon, ihr eigenes Geschäft aufzumachen. Mit Cookies Backkünsten und King Lus Geschäftssinn und der Ankunft der ersten Kuh in Oregon bauen sie sich schon bald ein florierendes Geschäft auf, das auch die Aufmerksamkeit des Chief Factor erregt, den der Geschmack der Backwaren an das heimische Königreich erinnert. Das Problem ist nur, dass die Kuh eigentlich ihm gehört und er nichts davon ahnt, dass Cookie und King Lu nachts auf seine Weide schleichen. Mit dem klassischen Western hat »First Cow« wahrlich nur das Setting gemein. Reichardts Film erzählt die Geschichte von einer Freundschaft zwischen zwei Männern, die in die falsche Zeit hineingeboren wurden, ruhig, einfühlsam und stets überraschend.
»First Cow«: ab 18.11., Cineding, Cinémathèque Leipzig
Hans Hoffmann sucht immer wieder öffentliche Toiletten auf, um sich mit anderen Männern zum Sex zu treffen. Im Jahr 1968 ist das unter Strafe gestellt und geheime Überwachungsaufnahmen davon dienen der Staatsanwaltschaft als Beweis für eine neuerliche Anklage Hoffmanns. Denn der war zuvor schon während der Nazi-Herrschaft aufgrund von Paragraph 175 zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, die er auch nach dem Einmarsch der Alliierten und seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager noch in einem regulären Gefängnis absitzen musste. Trotz der erniedrigenden Behandlung im Knast knüpft Hoffmann dort auch echte Freundschaften. Sebastian Meise (»Outing«) nimmt sich in seinem Film der Ungerechtigkeiten in der Wirtschaftswunder-BRD gegen homosexuelle Männer an. In dem intensiven Charakterporträt wird den Zuschauern die bedrückende Atmosphäre und unmenschliche Behandlung in deutschen Gefängnissen eindringlich vor Augen geführt. Die Handlung springt zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her, um so Parallelen deutlich zu machen. Neben zahlreichen bedrückenden Szenen bleibt in »Große Freiheit« auch Zeit für eine poetische Liebesgeschichte, die sowohl an Wolfgang Petersens bekannten Fernsehfilm »Die Konsequenz« als auch an einige klassische Arbeiten Rainer Werner Fassbinders erinnert. Dafür gab es den Großen Preis der Jury in der renommierten Cannes-Reihe »Un Certain Regard«.
FRANK BRENNER
»Große Freiheit«: ab 18.11., Passage Kinos
Pierre ist 25, als er aus Wyoming zurück nach Frankreich kommt, um den Hof des Vaters zu übernehmen. Er möchte sich eine Zukunft mit Claire aufbauen, doch von seinem Vater wird ihm nichts geschenkt. Selbst nachdem er das Gehöft erworben hat, gehört es nicht ihm. Monatlich drückt er eine Pacht an den Vater ab. Auch wenn das Geld knapp ist, setzt der Alte die Forderungen nicht aus. Und das ist es meistens, denn um mithalten zu können, muss Pierre investieren und um zu investieren, muss er immer höhere Kredite aufnehmen. Ein Teufelskreis, der den Familienvater 17 Jahre später immer tiefer in einen Abwärtsstrudel zieht, unter dem auch seine Frau und die Kinder zu leiden haben. »Das Land meines Vaters« ist ein zutiefst persönlicher Film. Regisseur Edouard Bergeon erzählt darin schonungslos die Geschichte seiner eigenen Familie. Mit Charakterdarsteller Guillaume Canet (»Liebe mich, wenn du dich traust«) und der starken Veerle Baetens (»The Broken Circle Breakdown«) exzellent besetzt, schildert sein mitreißendes Spielfilmdebüt ein stellvertretendes Schicksal hinter den immer wiederkehrenden Protesten der französischen Bauern. Bergeons Film zeigt eine schwerwiegende, lang anhaltende Krise der französischen Agrarwirtschaft auf. Ein schmerzhaftes Mahnmal für die Tatsache, dass sich in Frankreich jeden Tag ein Landwirt das Leben nimmt, weil er keinen Ausweg mehr sieht.
»Das Land meines Vaters«: ab 18.11., Passage Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
26. Französische Filmtage
17. bis 24.November, Passage Kinos, Schaubühne Lindenfels
Die guten Feinde – Mein Vater, die Rote Kapelle und ich
Deutschland 2016, Regie Christian Weisenborn, 90 Minuten
Regisseur Christian Weisenborn zeichnet in der Dokumentation die Geschichte seines Vaters nach, der in der Nazi-Zeit im Widerstand leistete und Mitglied der sogenannten roten Kappelle war.
19. November 18:30 Uhr, Pöge-Haus
Hommage à Marie Losier
USA/DK/MEX 2014
Kurzfilme
21. November, 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Letztes Jahr Titanic
Deutschland 1991, Regie Andreas Voigt, 97 Minuten
25. November, 20:30 Uhr, Lixer
Myselfie TIPP
Deutschland 2019, Regie Anne Scheschonk, 50 Minuten
Die Hallenser Filmemacherin Anne Scheschonk begleitet ein Mädchen, dem alle Haare ausgefallen sind, bei ihrer Suche nach sich selbst.
23. November, 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum
Near Our Borders
Bosnien-Herzegovina/Kroatien 2021, Regie Martina Troxler, 22 Minuten
20. November, 19 Uhr, Cineding (anschließend Filmgespräch)
Pitbull Exodus
PL 2021, Regie Patryk Vega
Fortsetzung des polnischen Mafia-Thrillers von 2005.
20. November, 17:30 Uhr (OmU), Cineplex
Shorts Attack: Sundance Shorts 2021
24.11., 20:00, UT Connewitz
The Ballad of Genesis and Lady Jaye
F 2011, Regie Marie Losier, 76 Minuten
20. November, 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling
À la Carte - Freiheit geht durch den Magen
Frankreich 2021, Regie Eric Besnard, D: Grégory Gadebois, Isabelle Carré, Benjamin Lavernhe, 113 Minuten
Die Geschichte des talentierten Kochs Manceron und der Eröffnung des ersten Restaurants in Frankreich. (in Anwesenheit des Regisseurs)
24. November, 19 Uhr, Regina-Palast