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Kultur

Die Schönheit weißer Seiten

Ein Kinderbuch lädt zum Verschwinden ein

  Die Schönheit weißer Seiten | Ein Kinderbuch lädt zum Verschwinden ein

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Martina Lisa, Josef Braun und Michelle Schreiber helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl und teilen Gedanken, die in die Lektüre hineingenommen werden können. Diesmal liest Familienredakteur Josef Braun »Lea und Finn langweilen sich« von Tom Reed, eine fantastische Geschichte.

Wann konnten Sie das letzte Mal ein Buch nicht aus der Hand legen? Und falls Sie das noch wissen, was war der Grund? Meist ist es wohl die Spannung, die uns dazu bringt, dranzubleiben, an Sofa und Plot gefesselt, auch wenn es längst Zeit wäre, sich schlafen zu legen. Nun ist es nicht so, dass es keine spannenden Kinderbücher gäbe, doch meist ist die Spannung in Geschichten für jüngere Leser eher überschaubar.

Was also hat mich dazu gebracht, »Lea und Finn langweilen sich« immer wieder zu lesen, auch nachdem ich die Geschichte längst kannte? Die Antwort ist simpel: es war das Buch an sich, seine Gestaltung, die Einfälle auf den Seiten, gewissermaßen das Gesamtkunstwerk. Verantwortlich dafür, der Künstler und Kinderbuchautor Tom Reed.

Seine Geschichte steigt mit zwei Hunden ein, die ratlos sind und nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen. Gelangweilt hängen sie auf der weißen Seite herum, bis Lea die Abenteuerlust packt. »Schau mal da drüben«, sagt sie und deutet auf die gegenüberliegende Buchseite. Ist dort wirklich mehr los? Finn hat da so seine Zweifel. Doch Freundschaft ist Freundschaft und so wagt der Hund den Sprung. Leider setzt er dabei jedoch zu kurz an und verschwindet im Spalt zwischen den Buchseiten. Ehrensache, dass Lea sofort zu seiner Rettung eilt, gemeinsam starten beide eine wilde Abenteuerreise durch Zeit und Raum. Mit jedem Sprung landen sie in einem neuen Panorama: die Südsee, eine Demonstration der Suffragetten in London, Schlachten, Fabriklandschaften, das wogende Meer. Für seine Hintergründe verwendet Reed historische Aufnahmen und von ihm bearbeitete Bilder.

Seine Idee, das Buch selbst zum Portal in immer neue Räume zu machen, erinnert an die zweifarbige Schriftgestaltung in Michael Endes »Unendlicher Geschichte«. Wenn man jetzt die Nase ganz tief reinsteckt, könnte man den beiden Hunden nicht folgen? Große Freude macht es, das auszuprobieren. Genauso große Freude wie insgesamt die Lektüre dieses einfallsreichen Buches.

Tom Reed: Lea und Finn langweilen sich. Zürich: Dörlemann Verlag 2022. 56 S., 19 €, ab 4 J.


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