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Kultur

Wenn Kino beim Ankommen hilft

Die Kinostarts der Woche

  Wenn Kino beim Ankommen hilft | Die Kinostarts der Woche

Damit die Kinder auf andere Gedanken kommen, bieten die Passage-Kinos gratis-Kinovorführungen ausschließlich für ukrainische Kinder und ihre Begleitpersonen. Jedes Kind erhält eine kleine Tüte Popcorn oder ein Eis gratis. Am 14.4. um 14:15 Uhr ist »Die Winzlinge – Abenteuer in der Karibik« zu sehen, der Film kommt ohne Dialoge und Sprache aus. Am 21.4. um 11 Uhr wird »Clara und der magische Drache« in der ukrainischen Sprachfassung gezeigt und am 25.4. kann man »Shaun, das Schaf – Der Film« erleben, der ebenfalls ohne Dialoge und Sprache auskommt. Die Schaubühne Lindenfels unterstützt mit ihrem mehrteiligen Programm »Subverting the History«, das in dieser Woche startet, ebenfalls ukrainische Geflüchtete.

Film der Woche: »The Innocents« gehört zum Horror-Untergenre der Unheimlichen Kinder und ist bei aller Traditionsverbundenheit sehr modern. Der Film kreist um ein Geschwisterpaar – die neunjährige Ida und die elfjährige, stark autistische Anna, die nach dem Umzug in eine Hochhaussiedlung neue Bekanntschaften schließen müssen. Eine davon ist der kleine Ben, der über telekinetische Fähigkeiten zu verfügen scheint, moralisch aber nicht besonders gefestigt ist. Je unschuldiger man dem Film begegnet, desto mehr ist man gefangen in der unvorhersehbaren Story, die mit bedächtigem Tempo und langen Einstellungen erzählt wird und sehr behutsam eskaliert. Damit reiht sich »The Innocents« in die Riege jener psychologischen Horrorfilme ein, die in den Genre-Konventionen vor allem einen Tarnmantel sehen, um weiterführende Themen aufzugreifen. Hier geht es ganz offensichtlich um die kindlichen Innenwelten, in denen sich Empathie und Grausamkeit mit einer märchenhaften Alptraumlogik begegnen können. Erwachsene treten dort nur als eher ohnmächtige Randfiguren auf, ganz so, als könnte sich das Erwachsenwerden insgesamt als Mythos herausstellen. Der Horror von »The Innocents« hat dann auch wenig mit Blut, Monstern oder Schockmomenten zu tun, sondern eher mit dem schleichenden Unbehagen, das man als Kind einmal eine intuitive Vorstellung vom Bösen gehabt haben könnte, die man seitdem unbedingt zu verdrängen versucht.

MARKUS HOCKENBRINK

»The Innocents«: ab 14.4., Cineplex, Regina Palast, Luru Kino in der Spinnerei, 22.4., Kinobar Prager Frühling

Nachdem der 85jährige André einen Schlaganfall erlitten hat, der ihn linksseitig gelähmt zurücklässt, verliert der zweifache Vater jeglichen Lebensmut. Zu seiner Ehefrau, die ebenfalls krank ist, hat er keinen engen Kontakt mehr, seitdem sie von seiner Beziehung zu einem anderen Mann erfahren hat. Doch auch mit Gérard hat André mittlerweile Schluss gemacht. Deswegen wendet er sich mit seiner Bitte an Emmanuèle, seiner älteren Tochter. André möchte, dass sie ihm dabei hilft, sein Leben zu beenden. Obwohl sie in ihren Teenager-Jahren kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hatte, will Emmanuèle nun alles Menschenmögliche tun, um André diesen letzten Wunsch nach humanem Sterben zu erfüllen.

»Alles ist gutgegangen« steht in der Tradition der neueren Filme François Ozons (»Gelobt sei Gott«), in denen sich der französische Starregisseur schwieriger Themenfelder mit inszenatorischem Feingefühl angenommen hat. Das zugrundeliegende Buch von Emmanuèle Bernheim, mit der Ozon seit »Unter dem Sand« mehrfach zusammengearbeitet hatte, basiert auf autobiografischen Ereignissen und beleuchtet in erster Linie die bürokratischen Fallstricke, die sich hier vor allem den Angehörigen in den Weg legen. Ozon ist erneut ein wichtiger Film zu einem gesellschaftlichen Tabuthema geglückt, das es längst zu reformieren gilt, um unheilbar Kranken oder unter unmenschlichen Bedingungen Lebenden einen würdigen und legalen Tod zu ermöglichen.

FRANK BRENNER

»Alles ist gutgegangen«: ab 14.04., Passage Kinos

Es ist eine paradoxe Situation im deutschen Gesundheitssektor. Einerseits ist das System an vielen Stellen überlastet, andererseits gibt es dutzende Krankenhäuser, die überflüssig sind und versuchen ihre Existenz zu rechtfertigen. So auch das Krankenhaus von David-Ruben Thies. Der Manager und ehemalige Krankenpfleger leitet eine orthopädische Klinik in Eisenberg, mitten auf dem thüringischen Land. Jahrzehntelang war die in einem Plattenbau untergebracht, dann kam die Möglichkeit für einen Neubau und Thies entschied sich neue Wege zu gehen. Seine Idee: ein Krankenhaus wie ein Hotel, die Patienten darin als Gäste.

»Wir haben David-Ruben Thies während Dreharbeiten für eine Serie über Krankenhäuser kennengelernt und uns da schon gedacht, der Mann wäre interessant für einen Dokumentarfilm«, erinnert sich Carsten Waldbauer, Filmemacher aus Leipzig, der gemeinsam mit seiner Kollegin Antje Schneider die Dokumentation »Vier Sterne Plus« gedreht hat. 2018 begannen Schneider und Waldbauer Thies dafür mit der Kamera zu Reisen und Terminen zu begleiten.

»Unsere Abmachung war von vornherein, dass wir auch an unangenehmen Stellen, wenn es ans Eingemachte geht, dabeibleiben dürfen«, erzählt Schneider. Ihr Film porträtiert Thies in seinem Kampf für Verbesserungen im Gesundheitssystem. Wie nah die beiden Filmemacher ihrem Protagonisten gekommen sind, zeigt sich insbesondere nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Ein schwerer Schlag für den Manager, der auf einmal die Eröffnung seines Neubaus bedroht sieht. Noch seine verzweifeltsten Momente, so scheint es, haben Schneider und Waldbauer begleiten dürfen. Das Ergebnis: ein einfühlsames und zugleich schonungsloses Porträt eines Menschen, der etwas verändern möchte.

»Am Ende hatten wir 250 Stunden Material aus fünf Jahren Drehzeit«, sagt Waldbauer, »dabei war es uns im Schnitt wichtiger Fragen zu stellen, als Antworten zu geben. Das ganze Gesundheitssystem kann man in neunzig Minuten sowieso nicht erklären. Aber wir haben die Hoffnung, dass die Leute Fragen mit nachhause nehmen, sich auch über den Film hinaus mit einzelnen Aspekten des Gesundheitswesens beschäftigen.«

JOSEF BRAUN

»Vier Sterne Plus«: ab 14.04., Passage Kinos, Luru Kino in der Spinnerei

Weitere Filmtermine der Woche

 

Beast
IND 2022, R: Nelson Dilipkumar, D: Vijay, Pooja Hegde, Selvaraghavan,, 155 min
Cineplex, 17.04. 11:00 (OmeU)
Actionthriller in indischer Sprache (Tamil-Version) mit englischen Untertiteln über eine Geiselnahme durch Terroristen in einer Shopping-Mall in Chennai.

Deutschland zu Fuß
D 2021, Dok, R: Enno Seifried
KOMM-Haus, 22.04. 19:00
Auf 3.442 Kilometern zu Fuß durch Deutschland: Vom nördlichsten zum südlichsten Punkt auf einer unvergesslichen Wanderung durchs eigene Land. Enno Seifried machte sich auf, um Deutschland ganz neu kennenzulernen. Abseits der Touristenmassen wanderte er in 160 Tagen durch das ganze Land.

Indigenes Kurzfilmprogramm: (Hi)stories We Tell
CDN 2018-2020, R: Diverse, 94 min
Cinémathèque in der Nato, 22.04. 20:00 (alle OmU)
Eine Auswahl von Kurzfilmen kanadischer Filmemacher und Filmemacherinnen, die indigene Perspektiven und Realitäten vermitteln.

KGF Chapter 2
IND 2022, R: Prashanth Neel, D: Yash, Sanjay Dutt, Srinidhi Shetty, 168 min
Cinestar, 17.04. 19:30 (OmeU)
Fortsetzung und Abschluss des Actionthrillers von 2018, in indischer Sprache (Hindi-Version) mit englischen Untertiteln .

Subverting the History
UKR 2017-2020, 100 min
Schaubühne Lindenfels, 20.04. 19:00 (OmeU)
Erster Teil der solidarischen Filmprogrammreihe », initiiert von einem Künstlerinnen-Netzwerk aus der Ukraine, Belarus, Russland und Europa. Gezeigt werden die Kurzfilme »Letter to a Turtledove«, »So They Won't Say We Don't Remember«, »In Memory of Antonia Nikolayevna on Lost Love« und »No! No! No!«. Der Erlös wird an Organisationen gespendet, die Hilfe in der Ukraine leisten und die Menschen helfen, die vom Krieg vertrieben wurden.

Oster in der Kunst
GB 2020, Dok, R: Phil Grabsky, 85 min
Passage-Kinos, 18.04. 15:00 (Kunst trifft FIlm)
Der Dokumentarfilm untersucht die Ostergeschichte, wie sie in der Kunst dargestellt wird, von der Zeit der frühen Christen bis zur Gegenwart.

River
AUS 2021, Dok, R: Jennifer Peedom, Joseph Nizeti, 75 min
Passage-Kinos, 22.04. 19:00 (zum World Earth Day)
Der poetische Dokumentarfilm zeigt, wie Flüsse unsere Landschaften formen.

Sachsen ist mehr
D 2022, Dok, R: Jessy James La Fleur
Kupfersaal, 20.04. 19:00 (Premiere)
Die Leipziger Spoken-Word-Künstlerin Jessy James La Fleur behandelt in ihrer Dokumentation das Klischee »Sachsen ist rechts« und spricht mit den Menschen, die trotz dieser Aussage bleiben und sich hier in verschiedenen Bereichen der Kulturarbeit engagieren.

Shorts Attack: Oscar Shorts Animation
UT Connewitz, 21.04. 19:00 (alle OmU), 22.04. 19:00 (alle OmU)
Eine Auswahl nominierter animierter Kurzfilme für den Academy Award 2022.

Shorts Attack: Oscar Shorts Live Action
UT Connewitz, 21.04. 21:00 (alle OmU), 22.04. 21:00 (alle OmU)
Eine Auswahl nominierter Kurzspielfilme für den Academy Award 2022.

Tage im Mondschein
D 2021, Dok, R: Soniya Frotan, Viktoria Lukina, 30 min
Bethanienkirche, 22.04. 20:00 (anschl. Gespräch mit der Regisseurin Soniya Frotan)
Soniya Frotan war im Mai 2021 in Kabul und Parwan unterwegs und traf Frauen, die jedes Klischee sprengen und zahlreiche Widersprüche und Gegensätze leben und aushalten müssen.

The Dark And The Wicked
USA 2019, R: Bryan Bertino, D: Marin Ireland, Michael Abbott Jr., Julie P. Oliver-Touchstone, 94 min
Luru-Kino in der Spinnerei, 15.04. 21:15 (OmU)
Cinestar, 16.04. 22:45
Die Geschwister Louise und Michael Straker kehren auf die Farm ihrer Familie zurück, nachdem der Vater gestorben ist. Sie wollen sich um ihre Mutter Virginia kümmern, doch bald beginnen unheimliche Dinge auf der alten Farm vorzufallen.

The Other Side of the River
D/FIN 2021, Dok, R: Antonia Kilian, 98 min
Ost-Passage-Theater, 20.04. 20:00
Die 19-jährige Hala flieht aus Syrien und schließt sich dem kurdischen Militär an. Nach ihrer Ausbildung kehrt sie zurück in ihren Heimatort Manbidsch und arbeitet dort als Polizistin.

 

Titelbild: Filmstill aus "The Innocents", Copyright capelight pictures OHG


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