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Filmkritik

Erinnerungen

Die Kinostarts der Woche

  Erinnerungen | Die Kinostarts der Woche

Die Solidarität für die Ukraine in den Leipziger Kinos ist ungebrochen. Das Cineding zeigt die Musikdoku »Mustache Funk« vom 5. bis 7. Mai und spendet den Eintritt der Ukraine-Hilfe. Am 5.5. liefert Anne König eine Einführung zum Film. Die Schaubühne Lindenfels zeigt am 9. und 11. Mai den vierten Teil ihrer Reihe »Subverting the History« unter dem Titel »On a Street of Different Memory« mit experimentellen und dokumentarischen Kurzfilmen, organisiert von einem Netzwerk von Künstlerinnen aus der Ukraine, Belarus, Russland und Europa. Auch hier gehen die Erlöse an Organisationen, die den Geflüchteten aus der Ukraine helfen. Der ukrainische Dokumentarfilm »This Rain Will Never Stop« läuft in dieser Woche in der Cinémathèque und im Cineding. Das Cineding zeigt außerdem den ukrainischen Dokumentarfilm »Women* what we are fighting for« über den Kampf für Frauen- und LGBTQ+-Rechte weltweit am 5. Mai um 19 Uhr mit anschließendem Filmgespräch. Und die Passage-Kinos zeigen »Sing – Die Show deines Lebens« in der ukrainischen Sprachfassung bei freiem Eintritt für ukrainische Kinder und ihre Begleiter am 9.5. um 11 Uhr.

 

Film der Woche: Früh am Morgen wacht Jessica auf, weil sie ein Geräusch gehört hat. Ein dumpfes Scheppern, wie wenn eine Betonkugel in einen Blechschacht fällt, der von Wasser umgeben ist, so wird sie es später beschreiben. Denn was sie hört, lässt sie nicht wieder los. Plötzlich kann sie nicht mehr schlafen, irrt durch Bogotá, auf der Suche nach Antworten. Um herauszufinden, woher das Geräusch kommt, besucht sie ihre Schwester am Krankenbett, begegnet einem Sounddesigner, der den mysteriösen Klang am Computer für sie nachstellt und einer Archäologin, die gerade dabei ist, menschliche Überreste zu untersuchen, welche beim Bau eines Tunnels entdeckt wurden.

Mysteriös ist das, auch weil in den knappen Dialogen Hinweise darauf schlummern, dass Jessica sich ihre Begegnungen möglicherweise nur einbildet. Und so wird man als Zuschauer immer weiter hineingesogen in eine Traumwelt, irgendwo zwischen Wachen und Schlafen. Mithilfe eines aufwändigen Sounddesigns, einer guten Auswahl an Schauplätzen, mal in beeindruckender Architektur, dann in der kolumbianischen Natur, sowie relativ sparsamen Schnitten, macht der thailändische Regisseur Apichatpong Weerasethakul die Welt seiner Protagonistin sinnlich erlebbar. Tilda Swinton liefert eine eindringliche Performance, wie keine andere Schauspielerin kann sie abwesend und zugleich total präsent sein. Es braucht Geduld, sich auf diesen Film einzulassen, doch wer es tut, wird definitiv belohnt.

JOSEF BRAUN

»Memoria«: ab 5.5., Passage Kinos

 

Als eines Tages mitten in New York ein Monster auftaucht und die junge America verfolgt, beschließt Doctor Strange (Benedict Cumberbatch), das Mädchen fortan zu beschützen. Das ist auch nötig, denn America verfügt über die Kraft, zwischen den unzähligen Universen umherzureisen. Wer verfolgt sie und wer möchte die Möglichkeiten des Multiversums für sich nutzen?

Mit »Doctor Strange in the Multiverse of Madness« wird das »Marvel Cinematic Universe« zum Plural. Wo bisher immer nur ein Universum bedroht war, sind es jetzt alle. Das eröffnet zwar unbegrenzte Möglichkeiten, bringt aber auch klare Schwächen mit sich. Wenn es unendlich viele Versionen von Doctor Strange gibt und unendlich viele Rettungsversuche, dann wirken die Handlungen der Figuren konsequenzlos. Das, was den Comicverfilmungen so oft vorgeworfen wird, kann man hier besonders deutlich sehen. Eine wirkliche Fallhöhe fehlt und so ist die Geschichte und die Tiefe der Figuren nur genau das, was man auch erwartet.

Das wirkt kalkuliert, denn Fans der Reihe wird das nicht abschrecken und auf neue Zuschauerinnen und Zuschauer wird eh nicht gesetzt, muss man doch die vorherigen Filme und vor allem die Disney+ Serie »WandaVision« gesehen haben, um hier mitzukommen.

Dem gegenüber stehen jedoch immer wieder Höhepunkte in der Inszenierung. Sam Raimi verantwortet nicht nur die Spider-Man-Filme mit Tobey Maguire, er ist vor allem als Regisseur der Horrorreihe »Tanz der Teufel« bekannt. Gemeinsam mit der Musik von Danny Elfman heben seine Jumpscares, gekippten Kameraeinstellungen und düsteren Elemente den Streifen von vielen anderen Marvelfilmen ab. Es ist schade und bezeichnend, dass diese Momente aber nur ein Teil zwischen den ansonsten klassischen Superheldenmotiven, viel Fanservice und banalen Dialogen sind. So unterhält die Fortsetzung von »Doctor Strange« über kurzweilige zwei Stunden, wichtig oder gar vielschichtig und wirklich wahnsinnig ist die Geschichte aber nicht. 

KAI REMEN

»Doctor Strange in the Multiverse of Madness«: ab 5.5., Cineplex, Cinestar, Regina Palast

 

Weitere Filmtermine der Woche

Als Susan Sontag im Publikum saß
D 2021, Dok, R: RP Kahl, D: Saralisa Volm, RP Kahl, Heike-Melba Fendel, Marie Céline Yildirim, 86 min
Schaubühne Lindenfels, 06.05. 19:00 (anschl. Filmgespräch mit dem Regisseur RP Kahl), 07.05. 16:4510.05. 19:00
Reenactment der hochkarätig besetzten und historisch wichtigen Panel-Diskussion »A Dialogue on Women’s Liberation« in New York, 50 Jahre danach.

Der Zug des Lebens 
B/F/ISR 1998, R: Radu Mihaileanu, D: Lionel Abelanski, Rufus, Clément Harari, 103 min
Pöge-Haus, 06.05. 20:00 (Filme mit Freund*innen)
Der Osten Europas erbebt 1941 unter der Gewalt des Zweiten Weltkriegs. Unerbittlich rücken die deutschen Truppen vor und zermalmen alles, was sich ihnen entgegenstellt. In einem kleinen jüdischen Dorf geht die Angst um, seinen Bürgern könne es bald so gehen wie vielen anderen davor: Gefangennahme, Verschleppung, Ermordung. Dorfnarr Schlomo hat den rettenden Einfall, um den Deutschen zuvor zu kommen.

Women* what we are fighting for
UKR 2020, Dok, R: Viktoria Guyvik, 30 min
Cineding 05.05. 19:00 (anschl. Filmgespräch, OmeU, Ukraine-Benefiz)
Ein Dokumentarfilm über den Kampf für Frauen- und LGBTQ+-Rechte weltweit.

Blockade
D/RU 1991, Dok, R: Thomas Kufus, 93 min
Kinobar Prager Frühling, 09.05. 13:30 (Special zum Jahrestag der Bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht)
Leningrad 1941. Die Stadt ist von der deutschen Wehrmacht eingeschlossen, der Überlebenskampf bei eisiger Kälte ist gnadenlos. 50 Jahre später erinnern sich Zeitzeugen an die Blockade.

Der Mann, der die Welt aß
D 2020, R: Johannes Suhm, Lena Lessing, D: Johannes Suhm, Hannes Hellmann, Konrad Singer, Maja Schöne, 80 min
Luru-Kino in der Spinnerei, 06.05. 19:00 (in Anwesenheit des Regisseurs), 07.05. 17:00
Aus heiterem Himmel bricht ein Mann mit allem, was ihm bisher wichtig war – seiner Frau, seinen Kinder, seinem Bruder, seinen Freunde, seinem Job. Nur seinen demenzkranken Vater lässt er irgendwann zu sich ziehen, was die Abwärtsspirale, in der der Protagonist sich befindet, noch beschleunigt. Tragikomödie nach dem Bühnenstück von Nis Momme Stockmann. 

Die Moosvögel vom Zauberberg
R: Ray Zwieback
Schaubühne Lindenfels, 13.05. 20:00 (Premiere in Anwesenheit des Filmteams)
Ein schwankender Lichtspielfilm – musikalisch, sinnlich, surreal von Corinna Harfouch, Dirk Hessel, Marie Nandico, Hael Yxxs und Ray Zwieback.

Grenzgänger – Drei Positionen im zeitgenössischen Tanz
D 2021, Dok, R: Andreas Morell, 56 min
Passage-Kinos, 05.05. 19:00 (mit Einführung, Eintritt frei)
Die Arte-Dokumentation wurde im vergangenen Herbst bei der Euro-Scene aufgezeichnet und zeigt drei Werke der Choreografinnen Milla Koistinen, Arno Schuitemaker und Jefta van Dinthe. Am 5. Mai mit Einführung durch den Produzenten Paul Smaczny (Accentus Music) und Christian Watty (Leiter Euro-scene Leipzig).

Loving Highsmith
CH/D 2021, Dok, R: Eva Vitija-Scheidegger, 84 min
Kinobar Prager Frühling, 13.05. 18:00 (Einführung und Lesung mit der Leipziger Schauspielerin Corinna Waldbauer)
Dokumentarisches Porträt der Autorin Patricia Highsmith.

Mein Krieg
D 1989, Dok, R: Harriet Eder, Thomas Kufus, 90 min
Kinobar Prager Frühling, 08.05. 17:00 (Special zum Jahrestag der Bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht)
Während des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion 1941 filmten einige wenige Soldaten aus privater Leidenschaft ihre Erfahrungen auf dem Feldzug. Die Regisseure konfrontieren 50 Jahre später die ehemaligen Soldaten mit ihren Filmaufnahmen und mit ihren Erinnerungen.

Mustache Funk
UKR 2020, Dok, R: Oleksandr Kowsch, Witalij Bardezkyj, 72 min
Cineding 05.05. 21:00 (OmeU, mit Einführung von Anne König, Ukraine-Benefiz)06.05. 21:00 (OmeU, Ukraine-Benefiz)07.05. 21:00 (OmeU, Ukraine-Benefiz)
Dokumentarfilm über Vokal- und Instrumentalensembles in der Sowjetunion der siebziger Jahre.

Programme 4 – On a Street of Different Memory
R 2019–2020
Schaubühne Lindenfels, 09.05. 19:00 (Subverting the History, alle OmeU)11.05. 19:00 (Subverting the History, alle OmeU)
Ist es Zufall, dass die Hoffnung der Antikriegs-Proteste in Russland nun auf der Mobilisierung von Müttern zukünftiger Wehrpflichtiger ruhen? – Soli-Programm mit experimentellen und dokumentarischen Kurzfilmen, organisiert von einem Netzwerk von Künstlerinnen aus der Ukraine, Belarus, Russland und Europa.

This Much I Know to Be True 
GB 2021, Dok, R: Andrew Dominik, 105 min
Cinestar, 11.05. 19:30 (OmU)
Doku über die kreative Beziehung der Musiker Nick Cave und Warren Ellis.

Yellow Oleander
BUL 2022, R: Lachezar Avramov, D: Marian Valev, Kitodar Todorov, Stefani Ivaylo, 90 min
Cineplex, 13.05. 19:30 (Bulgarisches Kino)
Satire um einen skandalumwitterten italienischen Ex-Politiker, der in Bulgarien landet, um dessen EU-Mitgliedschaft zu promoten.

 

Titelfoto: Filmstill Memoria. Copyright Kick the Machine Films, Burning, Anna Sanders Films, Match Factory Productions, ZDF-Arte and Piano, 2021.


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