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Editorial 06/2022

Die Juni-Ausgabe ist da!

  Editorial 06/2022 | Die Juni-Ausgabe ist da!

Chefredakteur Benjamin Heine verrät im Editorial der neuen Ausgabe seinen Geheimtipp gegen das Altern: etwas Dummes tun.

»Ich sehe eine goldene Zukunft und nicht viel mehr

Ich seh, wie alles glänzt und leuchtet

Geb mich her und hin und her und hin und her und hin und her«

– Das Paradies, am 11.6. in der Nato

Man kann sich Mühe geben, wie man will, es ändert nichts – irgendwann wird man erwachsen. Was weniger an einem selbst als viel mehr daran liegt, dass das Schicksal auch das sonnigste Gemüt wieder und wieder mit Scheiße bewirft. Natürlich auch mit Konfekt, wirklich tollem Konfekt, das alles wiedergutmacht. Aber erwachsen wirst du durch die Scheiße. Krankheit, Tod, diese Kaliber. Manchmal reicht auch Verantwortung. Irgendwann kommen sie so nah, dass du merkst: Es gibt sie wirklich. Und dann merkst du, dass etwas anders ist als vorher. Dass alles anders ist als vorher. Und auf einmal siehst du die grauen Haare auch und wirst gesiezt. Dagegen hilft eigentlich nur eins: etwas Dummes zu tun. Da reichen manchmal schon ganz kleine Sachen. Wichtig ist nur, dass du vorher nicht weißt, dass du was Dummes tust. Und ja, das macht die Sache etwas kompliziert.

Ich selbst spazierte neulich im Zuge der Recherche zu unserer Titelgeschichte ins Stadtgeschichtliche Museum und eröffnete der Frau am Eingang mit einer Selbstverständlichkeit, dass ich gern einen Katalog zur 2016er Ausstellung »Leipzig in Schwarz« kaufen wolle. Sie hätten das Gesicht der Frau sehen sollen! »Der ist seit Pfingstsonntag ausverkauft«, sagte sie mir, und während ich – ratter, ratter – zu dem Schluss kam, dass Pfingstsonntag ja erst nächsten Monat ist, präzisierte sie bereits: »Pfingstsonntag 2016!« Also zwei Monate nach der Ausstellungseröffnung und zwei Monate vor deren Ende. Die Museumsfrau und ich einigten uns dann schnell darauf, dass das ziemlicher Quatsch sei, das Buch nicht neu aufzulegen, weil man ja mindestens einmal im Jahr Massen davon verkaufen könnte. Aber in dem Moment, als ich ihr meinen Wunsch mitgeteilt hatte und sie, ach was: das Schicksal mich ansah und mir zu verstehen gab: »Jungchen, was weißt du schon!«, in diesem Moment war ich kurz nicht erwachsen. Und es war wunderbar.

Und es stimmt ja: Was weiß ich schon? Nur weil es da mal eine Ausstellung zu einem populären Phänomen gab und einem das Internet vom Buch dazu verrät, was jeden vernünftigen Menschen glauben lässt, dass man ebendieses im dazugehörigen Museum erstehen könne, heißt das eben nicht, dass das so ist. Theorie und Praxis, Sie wissen schon! Und ein Exemplar in der Museumsbibliothek gibt es ja auch noch – nur ist die Bibliothekarin »diese Woche leider krank«.

Was ich damit sagen will: Das Wave-Gotik-Treffen ist wirklich groß geworden, arriviert, institutionalisiert, tourismus- und damit – Achtung – wirtschaftsrelevant. Es ist, ob wir wollen oder nicht, »unser« Karneval in Rio, auch wenn es so ziemlich das Gegenteil davon ist. Angefangen hat es aber ganz klein, und zwar:

a) 1992 im Conne Island,

b) 1990 auf der Festwiese,

c) 1988 im Schloss Belvedere oder

d) 1987 mit der Foto-Love-Story »Ratte macht die Fliege« in der Bravo?

Nach Lektüre dieses Heftes sind Sie – wie immer – schlauer. Was Sie aber nicht daran hindern sollte, ab und zu etwas Dummes zu tun.

Ahoj!

BENJAMIN HEINE

chefredaktion@kreuzer-leipzig.de

PS: Wer seine Texte gut gliedert, braucht kein PS.


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