Im Frühling dieses Jahres veröffentlichte der Klett-Kinderbuch-Verlag das Buch »Manchmal male ich ein Haus für uns«, in dem geflüchtete Kinder ihre Geschichten erzählen. In Leipzig sollen dazu jetzt eine Woche lang Aktionen und eine Ausstellung stattfinden. Im Kreuzer-Interview spricht Verlegerin Monika Osberghaus darüber, wie das Projekt mit Alea Horst zustande kam und wieso Politik immer häufiger auch in Kinderbüchern vorkommt .
kreuzer: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?
MONIKA OSBERGHAUS: Mir ist am wichtigsten, dass man in irgendeiner Form in Schwingung versetzt wird. Kinder würden sagen, es soll spannend und lustig sein. Und ich würde hinzufügen, dass es dabei auch traurig sein darf. Letztlich erwarte ich von einem guten Kinderbuch das, was ich auch von einem guten Erwachsenenbuch erwarte: eine gewisse Tiefe. Außerdem habe ich gerne eine anarchische Note dabei. Kinder bekommen in ihrem Alltag inzwischen so viele Grenzen gesetzt, die müssen sie auch mal überschreiten dürfen. Sie müssen Geheimnisse haben und über die Stränge schlagen können.
In »Manchmal male ich ein Haus für uns« erzählen geflüchtete Kinder der Fotografin Alea Horst ihre Geschichten. Wie kam es dazu?
Ich bin bei Facebook auf die Bilder von Alea Horst aufmerksam geworden. Damals habe ich sofort gedacht: Das ist ja mal ein ganz anderer Blick.Wie die Kinder auf ihren Fotos aus den Augen gucken, das berührt mich. Eine Weile habe ich Alea Horsts Projekte verfolgt und dabei ist die Idee gereift, sie für ein Kinderbuch anzufragen. Sie kam dann nach Leipzig und wir haben uns auf einem langen Spaziergang alles ausgedacht. Am Ende war Alea Horst von der Idee so begeistert, dass sie extra für unser Buch noch einmal nach Kara Tepe gereist ist und zusätzliche Bilder und Interviews mit den Kindern machte. Im Buch steht neben jedem Bild ein kurzer Bericht des jeweils porträtierten Kindes. Die Langfassung kann man auf unserer Webseite aufrufen.
Betrachtet man den Kinderbuchmarkt, steht Ihr Buch mit seiner Ausrichtung nicht allein. Der Trend, so scheint es, geht zum politischen Kinderbuch…
Ja, aber ich empfinde das häufig auch als ein Abwälzen. Ich glaube, dass die Erwachsenen sich selbst oft eine Beruhigung wünschen und sich besser fühlen, wenn sie ihren Kindern Bücher geben, in denen alles korrekt aufgeschrieben ist.
Worauf haben Sie bei der Arbeit an »Manchmal male ich ein Haus für uns«, geachtet?
Aufgrund des schweren Themas wollten wir gerne ein entlastendes Element hinzufügen und haben dafür den Illustrator Mehrdad Zaeri angefragt, der selbst eine Fluchtbiografie hat. In den Protokollen der Kinder hat er Teile seiner eigenen Erfahrungen wiedererkannt, am stärksten den Wunsch nach einem Zuhause. Diesen Wunsch hat er als Leitmotiv für das Buch eingebracht, was mir sofort eingeleuchtet hat. So kam das Buch auch zu seinem Titel.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie als Verlag auf so ein Buch?
Da kommt einiges. Meist geschieht das über Erwachsene, wie im Fall einer Lehrerin, die das Buch den Kindern in ihrer Willkommensklasse gezeigt hat. Dort haben zwei geflüchtete Kinder, die auch in Kara Tepe waren, Menschen aus dem Buch wiedererkannt. Das hat sie angeregt, zum ersten Mal von ihren Erfahrungen auf Lesbos zu erzählen. Eine andere Rückmeldung kam von einer Erzieherin, die sagte, dass sie das Buch im Hort vorgelesen habe und dass jetzt vor allem die Jungs, die sonst nicht so gerne lesen, jeden Nachmittag dieses Buch wieder haben wollen. Von vielen Kindern hören wir übrigens, dass sie am liebsten sofort helfen würden.
Parallel zum Buch gibt es Wanderausstellungen zu den Bildern von Alea Horst. Sie planen jetzt eine ganze Veranstaltungswoche in Leipzig. Wieso?
Wir wollen den Leuten die Möglichkeit geben, Alea Horst persönlich zu erleben. Sie ist bei solchen Veranstaltungen ungemein beeindruckend und herausfordernd, sie ist einfach eine äußerst warme und herzliche Person. Dies alles können wir finanziell stemmen, weil wir im letzten Jahr mit dem deutschen Verlagspreis eine große Geldsumme bekommen haben. Davon wollen wir gerne etwas für eine gute Sache weitergeben. So kam die Idee für diese Aktionswoche, in der wir uns darauf freuen, auch unsere Leipziger Leserinnen und Leser zu sehen. Auf sie wartet ein tolles Programm mit Lesungen, einem Bücher-Schnäppchenmarkt, Mitmach- und Spendenmöglichkeiten, Musik und Lagerfeuer – und vor allem die Ausstellung mit Alea Horsts starken Fotos, zum Teil im Riesenformat.
> Alea Horst (Text/Fotos), Mehrdad Zaeri (Illustrationen): Manchmal male ich ein Haus für uns. Europas vergessene Kinder. Leipzig: Klett Kinderbuch 2022. 80 S., 16 €, ab 8 J.
>Weitere Infos und Festivalprogramm: www.klett-kinderbuch.de/aktionswoche
Titelfoto: Monika Osberghaus. Copyright: Lichtbildnerei Leipzig.