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Kultur

Perspektiven

Die Kinostarts der Woche

  Perspektiven | Die Kinostarts der Woche

Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg mitten in Europa. Der russische Angriff auf die Ukraine erschüttert auch die deutsche Gesellschaft bis ins Mark. Die Solidarität mit der Ukraine und der Wille, zu helfen, sind bei vielen groß. Gleichzeitig ist schlagartig das Bewusstsein erwachsen, dass wir hierzulande kaum etwas über die Ukraine, ihre Geschichte und ihre Gesellschaft wissen. Es gibt so viel zu erfahren über das ukrainische Selbstverständnis, Diskurse, Perspektiven, Menschen und Orte im Land. Und wie besser die uns vielfach in Bildern erreichenden Kriegsmeldungen einordnen als im Bild selbst?

Im Juni laden die Deutsche Kinemathek und teilnehmende Kinos in Berlin, Hamburg und Leipzig zu einer facettenreichen ukrainischen Filmreihe aus sieben Lang- und zwei Kurzfilmen ein, flankiert von Einführungen und Gesprächen mit ukrainischen Kulturakteuren. Das Programm wird kuratiert von Victoria Leshchenko und Yuliia Kovalenko, die mit ihrer Filmkuratoreninitiative sloїk film atelier unterrepräsentierten Stimmen Raum geben und sie international fördern.

»Perspectives of Ukrainian Cinema«: 15.–20.6., Schaubühne Lindenfels (OmeU)

Film der Woche: Ihre Mutter ertrank in einem Fluss, als sie ein anderes Kind rettete, seitdem kann Suzu nicht mehr singen. Damals war sie sechs, inzwischen ist sie siebzehn, konnte das Trauma aber nie verarbeiten. Die Gelegenheit, sich aus ihrer Melancholie in eine andere Realität zu flüchten, bietet sich, als Suzu von einer virtuellen Welt namens U erfährt. Mit dem Foto der Schulschönheit Luka baut sich das unscheinbare Mädchen einen Avatar und schafft sich in U ihre Traum-Identität. Hier findet sie ihre Stimme wieder und steigt unter dem Nickname Belle schnell zur gefeierten Sängerin auf. Doch in der scheinbar kontrollierbaren Welt treibt ein »Biest« sein Unwesen. »Die Schöne und das Biest« als Animé-Update: Mit viel Gespür für die Generation seiner Heldin verquickt Regisseur Mamoru Hosoda (»Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft«) die märchenhafte Romantik der Geschichte, die Realität der Teenager und die Texturen der digitalen Welt (inklusive Chat-Bubbles und Hashtags) zu einem berührenden Coming-of-Age-Trip. Virtueller Eskapismus und Influencer-Kult werden nicht verdammt, stattdessen wird ihnen eine Message entgegengesetzt: Finde dich und sei du selbst, dann wird am Ende alles gut. Im Gegensatz zu den meisten US-Produktionen mit ähnlicher Botschaft nimmt sich Hosoda viel Zeit und Raum, um dieses innere Werden inmitten überbordender Bilderbögen wirklich zu erzählen – und zitiert dabei sogar den Disney-Klassiker »Beauty and the Beast«.

KARIN JIRSAK

»Belle«: ab 9.6., Regina-Palast, Schauburg, 9. und 12. Juni, Passage-Kinos, Cineplex, CineStar

Das Treffen der Helden von »Jurassic World« mit den vorzeitlichen Figuren des 90er-Hits »Jurassic Park« ist ein großer Spaß. Wenn dann noch Dinosaurier-Action hinzukommt, ist der Kassenhit fertig.

Schon wenn Cowboys im Schnee besonders große Rinder einfangen, ist das in 3D ein tolles Spektakel, denn gejagt werden zahme Saurier, die hier im Norden Amerikas weiden. Nebenan im Sägewerk müssen erst Riesen-Dinos geweckt werden, bevor die Arbeit weitergehen kann. Seit den Ereignissen des letzten Films »Jurassic World: Das gefallene Königreich« (2018) im Dino-Reservat Isla Nublar tummeln sich die Urzeit-Riesen frei auf dem Festland, neben und zwischen den Menschen. Dinosaurier-Experte Owen Grady (Chris Pratt) und seine große Liebe Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) leben friedlich in einer Blockhütte, soweit es der rebellische Teenager Maisie Lockwood (Isabella Sermon) erlaubt. Maisie ist allerdings ebenso im Visier übler Gestalten wie das süße Dino-Baby vom Velociraptor Blue. Nach der Entführung beider Kinder beginnt eine Jagd rund um die Welt, die zum mysteriösen und mächtigen Biotech-Unternehmen namens Biosyn führt.

Auf Madagaskar wird der erste Rettungsversuch zu einem Katz-und-Maus-Spiel mit tödlichen Sauriern: Die Schurken sorgen mit einer Kombination aus hochmoderner militärischer Laser-Kennung und animalischem Jagdinstinkt der Vorzeit für lange Verfolgungsjagden. Nach dem gelungenen Action-Mittelteil wird die gesamte Belegschaft zum Labor von Biosyn in ein Dolomiten-Tal geflogen. Dort kommt es im letzten Drittel endlich zum Treffen mit den Alt-Stars Laura Dern, Sam Neill und Jeff Goldblum aus Steven Spielbergs »Jurassic Park«, die in einer Parallelhandlung eingesammelt wurden.

Jede der vielen Filmminuten von Regisseur Colin Trevorrow liefert tolle Popcorn-Unterhaltung. Bei all dieser digitalen Kreativität liegt der Clou von »Jurassic World: Ein neues Zeitalter« allerdings im generations-übergreifenden Treffen der Hauptfiguren.

GÜNTER JEKUBZIK

»Jurassic World: Ein neues Zeitalter«: ab 9.6., Cineplex, CineStar, Regina-Palast

Acapulco, einst bevorzugter Urlaubsort der Reichen und Schönen, ist im Zuge der mexikanischen Drogenkriege stark heruntergekommen. Wer heutzutage hier Ferien machen möchte, tut das besser in streng bewachten Luxus-Resorts fernab der eigentlichen Stadt. So wie Neil und seine Schwester Alice aus London, die ganz offensichtlich nicht aufs Geld achten müssen. Als ihre Mutter überraschend stirbt, behauptet Neil, seinen Reisepass verloren zu haben, um nicht mit zurück nach England fliegen zu müssen. Stattdessen setzt er sich alleine an den Strand, bestellt eimerweise Bier und freundet sich mit einer jungen Kioskbetreiberin an. Ist das nur eine Midlife-Crisis oder etwas viel Beunruhigenderes? Bei Regisseur Michel Franco bleibt das lange und absichtlich in der Schwebe, denn »Sundown« brät erst einmal antriebslos in der Sonne wie ein müder Tourist. Dann zieht das Tempo plötzlich an, verschiebt die Handlung Richtung Thriller, nur um wenig später in ein ganz anderes Genre zu münden. Bevor man sich ein richtiges Bild dieses mehrdeutigen Films machen kann, ist er auch schon wieder vorbei. Was bleibt, sind Szenen und Eindrücke, die wie nachbelichtete Fotografien vor dem inneren Auge flirren. Es entsteht der Verdacht, dass hier nicht nur ein bestimmter Lebenslauf illustriert werden soll, sondern das Leben insgesamt. Das kann schön, schockierend und kurz sein.

MARKUS HOCKENBRINK

»Sundown«: ab 9.6. in den Passage-Kinos, ab 23.6. in der Schaubühne Lindenfels, am 30.6. im Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle

 

Weitere Filmtermine der Woche

»DT64 – Chronik einer angekündigten Abwicklung«
Niemand war an »Power von der Eastside!« so nah und ausdauernd dran wie die Westberliner Filmemacher Ulrike Hemberger und Rainer Hällfritzsch. Intensiv verfolgten sie das dynamische Geschehen von Herbst 1991 bis zum Frühjahr 1992 mit ihrer Kamera. Die raren Aufnahmen gibt es heute mit anschließender Diskussion über »DT64« in der Westwahrnehmung.
Galerie KUB, 12.06., 20 Uhr

Flat Earth Society vertont »Die Austernprinzessin«
D 1919, R: Ernst Lubitsch, D: Victor Janson, Ossi Oswalda, Harry Liedtke, 60 min
Lustspiel von Ernst Lubitsch, vertont von der belgischen Jazz-Bigband »Flat Earth Society«. Ukraine-Soli. 
UT Connewitz, 10.06. 20 Uhr

Hofbauer Kongress
Im Januar 2020 fand der letzte »außerordentliche Filmkongress des Hofbauer-Kommandos« in seiner Geburtsstätte, dem KommKino Nürnberg statt. Dann kam die Pandemie. Nun gibt es ein Gastspiel dieser fröhlich-frivolen Feier des Kinos und seiner Ambivalenzen im Luru-Kino. Vier Tage, 13 analoge Lang- plus Kurzfilme im Souterrain und Open-Air und viele kuriose Entdeckungen sind garantiert beim Zusammentreffen der Connaisseurinnen und Connaisseure des schlechten Geschmacks.
Luru-Kino in der Spinnerei, 9.-12.06.

Dark Glasses - Blinde Angst
I/D 2022, R: Dario Argento, D: Ilenia Pastorelli, Asia Argento, Xinyu Zhang, 86 min
Der neue Film von Altmeister Dario Argento ist klassischer Italo-Horror um eine brutale Mordserie im sommerlichen Rom.
Passage-Kinos, 13.06. 21 Uhr (Freaky Monday)
Cineplex, 16.06. 20:15 Uhr (Giallo-Special)


Die fabelhafte Welt der Amélie
F 2001, R: Jean-Pierre Jeunet, D: Audrey Tautou, Mathieu Kassovitz, Dominique Pinon, 116 min
Originelles und selbstbewusst romantisches Kinomärchen rund um eine ganz besondere junge Frau in Paris.
Sommerkino auf der Feinkost, 13.06., 21:30 Uhr

Im stillen Laut
D 2019, Dok, R: Therese Koppe, 74 min
Erika und Tine sind beide 81 und seit über 40 Jahren ein Paar. Zusammen leben und arbeiten sie auf dem Kunsthof Lietzen in Brandenburg – und blicken auf ein bewegtes Stück gemeinsame Geschichte zurück.
Zeitgeschichtliches Forum, 13.06., 19 Uhr (Reihe »Starke Frauen«)

Jochen macht Triathlon
D 2022, R: Larsen Sechert, D: Daniel Weißbrodt, Ronja Rath, Oskar Naumann
Jochen ist arbeitslos, wohnt allein und hat keine nennenswerten Freunde. Um seine Tochter zu beeindrucken, trainiert er für den Triathlon. Unabhängig produzierte Komödie von »Knalltheater«-Impresario Larsen Sechert.
Kinobar Prager Frühling, 12.06. 21:30 Uhr (Premiere mit Gästen)

Köy
D 2021, Dok, R: Serpil Turhan, 90 min
Die Regisseurin Serpil Turhan porträtiert drei Generationen kurdischer Frauen in Berlin.
Ost-Passage-Theater, 15.06., 20 Uhr (OmU)

Shorts Attack: Reisefieber
8 Filme nehmen uns in 90 Minuten mit auf Reisen: Endlich wieder Kreuzfahrt! Oder den Balkon an der Riviera genießen! Oder Gleitschirmsegeln gehen!
UT Connewitz, 17.06., 20 Uhr (alle OmU)

Horror-Doppel: Malignant und The Dark and the Wicked
»Malignant«: Eine Frau wird vom imaginären Freund ihrer Kindheit heimgesucht, der Menschen in ihrem Umfeld ermordet.
»The Dark and the Wicked«: Die Geschwister Louise und Michael Straker kehren auf die Farm ihrer Familie zurück, nachdem der Vater gestorben ist. Sie wollen sich um ihre Mutter Virginia kümmern, doch bald beginnen unheimliche Dinge auf der alten Farm vorzufallen.
Luru-Kino in der Spinnerei, 15.06., 20 Uhr Uhr »Malignant«, um 22 Uhr folgt »The Dark and the Wicked« im OmU

Total Thrash
D 2022, Dok, R: Daniel Hofmann, 107 min
Daniel Hofmann beleuchtet die Entstehung der Thrash-Metal-Szene im Ruhrpott.
Passage-Kinos, 16.06., 13 Uhr (in Anwesenheit von Daniel Hofmann und Gästen)

Vikram
IND 2022, R: Lokesh Kanagaraj, D: Kamal Haasan, Fahadh Faasil, Vijay Sethupathi, 146 min
Indischer Actionthriller im Tamil-Original mit englischen Untertiteln.
Cineplex, 11.06., 19 Uhr (OmeU) und 12.06., 11:20 Uhr (OmeU)

War Note
UKR 2022, Dok, R: Roman Liubyi, 72 min
Videos von Handys, Camcordern und GoPros ukrainischer Soldaten und Soldatinnen werden in dieser Dokumenatation zu einer surrealen Reise an die Frontlinie des Krieges mit Russland verwoben. Mit Vorfilm, Einführung und Gesprächsrunde – Eintritt frei!
Schaubühne Lindenfels, 15.06., 19 Uhr (OmeU, Perspectives of Ukrainian Cinema)

Volcano
UKR/D/MON 2018, R: Roman Bondarchuk, D: Serhiy Stepansky, Viktor Zhdanov, Khrystyna Deilyk, 107 min
OSZE-Übersetzer Lukas verirrt sich in der ukrainischen Steppe und findet Unterschlupf im Haus des ortsansässigen Vova. Langsam schmilzt die Verachtung des Stadtjungen für das provinzielle Leben dahin und er begibt sich auf die Suche nach seinem Glück. Mit Vorfilm, Einführung und Gesprächsrunde – Eintritt frei!
Schaubühne Lindenfels, 15.06., 21:30 Uhr (OmeU, Perspectives of Ukrainian Cinema)

 

Titelbild: Filmstill aus »Belle«, Copyright Koch Films


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