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Stadtleben

»Menschen genießen es, sich mal nicht erklären zu müssen«

Alexander Naß hat für seine Arbeit in der Gruppe »TransGenderTown« die goldene Ehrennadel erhalten

  »Menschen genießen es, sich mal nicht erklären zu müssen« | Alexander Naß hat für seine Arbeit in der Gruppe »TransGenderTown« die goldene Ehrennadel erhalten

Im April dieses Jahres wurde die Goldene Ehrennadel der Stadt Leipzig an einige ehrenamtlich arbeitende Menschen aus Leipzig verliehen. Einer der Ausgezeichneten ist Alexander Naß, der für die Leitung der Gruppe »TransGenderTown« bei der RosaLinde Leipzig e.V. geehrt wurde. »TransGenderTown« ist eine Gesprächsgruppe für trans- und intergeschlechtliche, nicht-binäre und in Bezug auf ihr Geschlecht noch unsichere Menschen aller Altersgruppen. 2004 wurde die Gruppe, die schon zuvor existierte, aber nicht wirklich betreut wurde, durch Naß neu gegründet. Die Themen, die besprochen werden, reichen von konkreten Fragen zu Abläufen, Adressen und Erfahrungen auf Stationen der Transition bis zu Alltagsgesprächen, »über Filme oder ähnliches, die nichts mit dem Thema trans zu tun haben, weil die Menschen auch genießen, wenn es mal nicht darum geht, wenn man sich mal nicht erklären muss«, so Naß. Wenn die Gruppe zu Beginn eines Treffens sehr still ist, beginnen Alexander Naß und seine Kollegin Kessandra oft mit eigenen Anekdoten – so hat Naß zum Beispiel der Gruppe von der Verleihung der Goldenen Ehrennadel erzählt. »Um persönliche Geschichten und Unsicherheiten bei der Geschlechtsidentität geht es eher in der Einzelberatung. Da rege ich aber auch dazu an, in die Gruppe zu gehen, vor allem aber, sich keinen Druck zu machen, das sofort zuordnen zu müssen«.

Außer der ehrenamtlichen Leitung der Gesprächsgruppe und Einzelberatung bei der RosaLinde e.V. arbeitet Naß als Sachverständiger für Vornamens- und Personenstandsänderungen nach dem Transsexuellengesetz (TSG). Menschen, die ihren amtlichen Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern lassen möchten, müssen sich laut TSG zwei unabhängigen Begutachtungen unterziehen, was für die Begutachteten häufig sehr unangenehme Erfahrungen mit sich bringt. Dazu gehören zum Beispiel unnötig intime Fragen, die im TSG gar nicht vorgegeben sind. »Um die Frage nach dem Bestehen eines körperlichen Missempfindens beantworten zu können, reicht zumeist der Blick in den Alltag der trans Personen«, so Naß. Sein Anliegen als Gutachter bestehe darin, den trans Personen, die zu ihm kommen, solche Erfahrungen zu ersparen.

Weil ihm in Beratungsgesprächen bei der RosaLinde e.V. immer wieder von solchen unnötig invasiven Gutachten erzählt wurde, entschloss sich der Diplomsoziologe zu diesem Schritt, auch, wenn viele Gutachtenden einen fachlichen Hintergrund in Psychologie oder Psychiatrie haben. In seiner soziologischen Expertise sieht Naß auch Vorteile, obwohl er momentan auch noch ein Zweitstudium in Psychologie absolviert: »Der soziologische Hintergrund bietet den Vorteil, einen gesamtgesellschaftlichen Blick auf Zusammenhänge zu werfen. Man hat verschiedene Dimensionen, die man mit Psychologie oder Soziologie betrachten kann. Ich habe vor, beides zu verbinden, weil oft nicht über den eigenen Fächer-Tellerrand geschaut wird«.

Naß begann seine Arbeit als Gutachter 2019, als er damit rechnete, die Menschen nur noch für eine kurze Übergangszeit zu betreuen, bis das umstrittene TSG von einem neuen Selbstbestimmungsgesetz abgelöst würde. Doch erst Ende Juni, drei Jahre später, haben Justiz- und Familienministerium die Eckpunkte des von vielen trans Menschen lang ersehnten Gesetzes vorgestellt. Der Kern der Neuerungen ist der Wegfall der Begutachtungspflicht. Stattdessen soll für die Personenstandsänderung bei Volljährigen nun eine Erklärung beim Standesamt genügen; bei Minderjährigen kann dies mit Zustimmung der Eltern erfolgen. Laut Sven Lehmann, dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung, sei das Inkrafttreten allerdings erst für 2023 geplant – Alexander Naß wird also noch eine Weile zu tun haben. Für die Zeit danach könne er sich vorstellen, nach einer psychotherapeutischen Ausbildung trans-sensible Therapie anzubieten. Denn genau wie bei den Gutachten sehe er auch in diesem Bereich einen Mangel, besonders, weil eine Begleittherapie Voraussetzung für die Ausstellung einer Indikation zu medizinischen Behandlungen wie Hormontherapie und geschlechtsangleichenden Operationen ist. Das, was ihn besonders erfüllt, wird auch bei der Arbeit als Therapeut gegeben sein: »Ich mag es, die Entwicklung von Personen zu sehen und, wie Fragestellungen überwunden werden. Wenn ich beobachten kann, wie es Leuten über die Zeit mental besser geht und ich dazu beitragen kann – das finde ich super bereichernd«.

Termine und Aktuelles auf der TransGenderTown-Website: https://tgtmalanders.jimdosite.com/


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