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Kultur

Der Stand der Dinge

  Der Stand der Dinge |

Umsonst und draußen zeigt die Globale bis zum 1. November wieder globalisierungskritische Filme an unterschiedlichen Orten überall im Stadtgebiet. Dokumentarfilme über Aktivisten im Vietnamkrieg, Kolonialismus und Faschismus, Netzwelten und industrielle Landwirtschaft, zu sehen im Gemeinschaftsgarten Annaline, im Schönauer Park in Grünau, im Auenwald, am Gasthof Jesewitz und auf dem Nikolaikirchhof. Vielfältige Filme und Themen laden an vielen Orten zur Diskussion ein.

»Globale«: 27. Juli bis 1. November, verschiedene Orte


Film der Woche: Anaïs (Anaïs Demoustier) ist ein flatterhaftes Wesen. Leichtfüßig läuft sie durch den französischen Sommer, immer zu spät, immer leicht abwesend. Ihr Leben ist im Umbruch. Mit ihrem Freund kann sie nicht zusammenleben, die Miete allein zahlen allerdings auch nicht. Ihre Doktorarbeit macht kaum Fortschritte und mit dem Job an der Uni läuft es auch nicht so recht. Das alles bekümmert Anaïs kaum, nicht jedoch die Nachricht, dass der Krebs ihrer Mutter zurück ist.

Die Konsequenz, die sie aus der Hiobsbotschaft zu ziehen scheint: Noch intensiver leben! Bei einer Party trifft die 30-Jährige den deutlich älteren Verleger Daniel und lässt sich auf eine Affäre ein. Während er sich Hals über Kopf in sie verliebt, fühlt sie sich zunehmend zu seiner Frau Émilie, einer bekannten Autorin, hingezogen. Um sie kennenzulernen, hilft Anaïs dem Schicksal ein bisschen auf die Sprünge und reist Émilie kurzfristig hinterher. Und diese bleibt nicht unbeeindruckt von der mitreißenden, fordernden jungen Frau.

Regisseurin Charline Bourgeois-Tacquet war selbst als Schauspielerin in kleineren Rollen zu sehen, bevor sie begann, Kurzfilme zu drehen. Mit »Der Sommer mit Anaïs« ist ihr ein charmantes Langfilm-Debüt gelungen. Das liegt weniger an der Originalität der Geschichte als am Ensemble. Gerade Anaïs Demoustier (»Das Haus am Meer«) wirbelt als Protagonistin so erfrischend durch den Film, dass man auch vor dem Bildschirm hingerissen über ihre Selbstbezogenheit hinwegsieht. Auch Valeria Bruni Tedeschi in der Rolle der sinnlichen Künstlerin, die die Balance zwischen Leidenschaft und Bodenständigkeit sucht und Denis Podalydès, der plötzliche Außenseiter seiner eigenen Beziehung, sind sehenswert. Die Bilder und Farben französischer Landstriche tun ihr Übriges – man kann fast eintauchen in die flirrende Atmosphäre.

Letztlich ist »Der Sommer mit Anaïs« eine Aneinanderreihung flüchtiger Momente, die Lust machen, den Sommer zu schmecken, zu riechen und zu fühlen. Da kann man darüber hinwegsehen, dass bei der Liebesgeschichte mitunter etwas dick aufgetragen wird. SARAH NÄGELE

»Der Sommer mit Anaïs«: ab 21. Juli, Passage-Kinos

 

Harper will nach einem aufwühlenden, tragischen Ereignis zur Ruhe kommen und hat dazu ein malerisches Cottage im ländlichen England angemietet. Den eigentümlichen Besitzer komplementiert die junge Londonerin nach der Begehung schnell aus dem Haus. Eine unheimliche Bildstörung beim folgenden Videotelefonat mit ihrer Schwester soll jedoch nur der Anfang mehrerer erschreckender Ereignisse sein, die aus Harpers Auszeit einen Albtraum machen – oder doch eine Heilung? Mit seinen Drehbüchern zu Filmen wie »28 Days Later«, »Sunshine« und »Dredd« hat sich der »The Beach«-Romanautor Alex Garland bei Genrekinofans einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Mit dem packenden Androidendrama »Ex Machina«, dem ungewöhnlichen Netflix-Monsterfilm »Auslöschung« und der auf Disneyplus abzurufenden Serie »Devs« glückten dem Multitalent dann sogar drei spannende Regie-Erstlinge. Den so geweckten hohen Erwartungen wird sein jüngster Streich »Men« leider nur bedingt gerecht. Jessie Buckley ist zwar großartig in der Hauptrolle, Bildgestaltung, Tondesign und visuelle Effekte sind meisterlich verstörend und die Atmosphäre ist bedrohlich. Die Geschichte selbst jedoch tritt leider nach einem makellosen ersten Drittel zu früh auf der Stelle und mündet trotz des gelungenen Finales unterm Strich in einem durchschaubaren Arthouse-Horrordrama zu einem inzwischen etwas zu oft bemühten, wenngleich wichtigen Thema. PETER HOCH

»Men«: ab 21. Juli, Cineplex

Weitere Filmtermine der Woche

African Territory
ARG 2022, Dok, R: Joaquin & Julian Azulay, 112 min
Eine 22‐monatige Expedition durch den afrikanischen Kontinent auf der Suche nach fremden Kulturen, spannenden Menschen und perfekten Wellen.
Sommerkino auf der Feinkost, 28. Juli, 21:30 Uhr (Surffilmnacht, OmeU)

Dida
CH 2021, Dok, R: Nikola Ilić, Corina Schwingruber Ilić, 78 min
Nikola ist Sohn, Ehemann und Enkel und gemeinsam mit seiner Frau Corina macht er darüber einen Film. Im Zentrum steht seine Mutter Dida, die aufgrund einer Lernschwäche seit jeher auf Hilfe angewiesen ist. Ein berührender Film über die unausweichlichen Veränderungen in der Familie.
Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 28. Juli, 21:45 Uhr (Dok-Sommerkino)

Kopf Faust Fahne – Perspektiven auf das Thälmanndenkmal
D 2021, Dok, R: Betina Kuntzsch, 47 min
Ein 50 Tonnen schwerer Koloss aus Bronze steht im Herzen Berlins und gemeinsam mit der dazugehörigen Wohnsiedlung unter Denkmalschutz. Ein Relikt aus alten Zeiten. In »Kopf Faust Fahne« erzählt Betina Kuntzsch in zehn Episoden die Geschichte des Thälmanndenkmals. Der minimalistische Trickfilm »Impossible Figures and Other Stories I« von Marta Pajek gewann 2021 die Goldene Taube für den kurzen Animationsfilm.
Sommerkino auf der Moritzbastei, 25. Juli, 22 Uhr (Dok-Sommerkino, mit Vorfilm)

The Balcony Movie 
POL 2021, Dok, R: Paweł Łoziński, 100 min
Paweł Łoziński stellte zwei Jahre lang seine Kamera auf dem Balkon auf und kam von dort oben mit den Menschen ins Gespräch, die vorbeigingen. Eine faszinierende Versuchsanordnung.
Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 21.7., 21:45 Uhr (Dok-Sommerkino)

Let's make money
AT 2008, Dok, R: Erwin Wagenhofer
Geld regiert die Welt – wie genau, zeigt diese Doku an erschreckenden Beispielen.
Clara-Zetkin-Park, 28.7., 20 Uhr (OmU)

We Come As Friends
F/A 2014, R: Hubert Sauper
Eine moderne Odyssee, eine schwindelerregende, sciencefictionartige Reise ins Herz Afrikas.
Clara-Zetkin-Park, 28.7., 20 Uhr (OmU)

Welcome – Grenze der Hoffnung
F 2009, R: Philippe Lioret, D: Vincent Lindon, Fırat Ayverdi, Audrey Dana, 110 min
Drama um einen illegalen Einwanderer, der mit der Hilfe eines Schwimmlehrers versucht, von Calais über den Ärmelkanal zu seiner Freundin nach London zu kommen.
Clara-Zetkin-Park, 27.7., 20 Uhr

Axiom
D 2022, R: Jöns Jönsson, D: Moritz Treuenfels, Ricarda Seifried, Thomas Schubert, 112 min
»Fake it till you make it«: Julius zieht alle in seinen Bann, ist aber nicht der, der er zu sein vorgibt. Ein Film über Identität und Sozialverhalten.
Passage-Kinos, 21.7., 19 Uhr (in Anwesenheit des Regisseurs)

Borga
D/GH 2021, R: York-Fabian Raabe, D: Eugene Boateng, Christiane Paul, Adjetey Anang, 108 min
Kojo flieht aus den Slums seiner Heimat Ghana nach Deutschland in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch die Realität holt ihn ein. Das beeindruckende Spielfilmdebüt wirft einen anderen Blick auf das Verhältnis zwischen Afrika und Europa.
Ost-Passage-Theater, 27.7., 20 Uhr

Die Täuschung 
GB 2022, R: John Madden, D: Colin Firth, Matthew Macfadyen, Kelly Macdonald, 128 min
John Maddens Rekonstruktion der »Operation Mincemeat« in der Endphase des Zweiten Weltkriegs: Während die Invasion Italiens auf Sizilien vorbereitet wird, soll den Deutschen ein Täuschungsmanöver vorgegaukelt werden.
Regina-Palast, 24.7., 17 Uhr (Der Sonntagsfilm um 5)

Facing Down Under 
D 2020, R: Chris Hartung, 84 min
Ein 19-jähriger Abiturient reist als Backpacker durch Australien und begleitet sein Abenteuer mit einer Kamera.
Kinobar Prager Frühling, 29.7., 19 Uhr (Preview in Anwes. des Regisseurs)
Sommerkino auf der Feinkost, 29.7., 21:30 Uhr (Preview in Anwes. des Regisseurs)

Jump, Darling
CDN 2021, R: Philip Connell, D: Cloris Leachman, Thomas Duplessie, Linda Kash, 90 min
Russell tritt zumeist als Dragqueen Ginger Snaps auf, doch mehr und mehr kommt er darüber ins Grübeln, ob sein Lebensweg der richtige ist.
Passage-Kinos, 27.7., 20 Uhr (QueerBLICK)

Love, Spells And All That
TRK 2019, R: Ümit Ünal, D: Aysenil Samlioglu, Damla Ersan, 96 min
Inselromantik, Homophobie und magische Liebeszauber – ein glaubhaftes Porträt von zwei Frauen, die für ihr Lebensglück vieles aufgeben mussten, weil die Gesellschaft es ihnen nicht zugestehen will.
Cinémathèque in der Nato, 27.7., 20 Uhr (OmU) und 28.7., 20 Uhr (OmU)

Sing a Bit of Harmony
J 2022, R: Yasuhiro Yoshiura, 108 min
Die schüchterne Einzelgängerin Satomi trifft auf Shion, die für ordentlich Chaos in der Klasse sorgt, damit aber selbst Satomi aus der Reserve lockt.
Cinestar, 26.7., 17 Uhr und 20 Uhr (OmU)
Cineplex, 26.7., 18 Uhr (Anime-Night, OmU) und 20 Uhr (Anime-Night)
Passage-Kinos, 26.7., 20:45 Uhr (Anime-Night, OmU)

 

Titelbild: Filmstill aus »Der Sommer mit Anaïs«, Copyright Haut et Court


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