Film der Woche: Ein Kran schleppt das alte Autowrack, in dem die Kinder immer spielten, von seinem angestammten Platz, an dem es Wurzeln schlug. Ein Sinnbild für die Situation auf der Pfirsichplantage ihrer Eltern. Weil früher die Verträge per Handschlag besiegelt wurden, ohne offizielle Formulare, muss die Familie Solé ihr Land verlassen. Die Bäume sollen Solarzellen weichen. Damit verspricht sich der Sohn des verstorbenen Grundbesitzers einen höheren Profit. Für Qumet (Jordi Pujol Dolcet) und seine Familie bedeutet das, sie müssen alles hinter sich lassen. Mühevoll bringen sie die letzte Ernte ein. Familiäre Konflikte brechen sich Bahn.
Erzählt aus der Perspektive der Kinder ist »Alcarràs – Die letzte Ernte« ein bewegendes Familiendrama, das viel über die gegenwärtige Situation der Bauern in Katalonien erzählt. Inszeniert hat es die Regisseurin Carla Simón (»Fridas Sommer«), die ihren Film gemeinsam mit Arnau Vilaró schrieb, hauptsächlich mit Laiendarstellern und -darstellerinnen aus der Region. Dies und die genaue Beobachtung des Alltags ihrer Figuren verleihen dem Gewinner des Goldenen Bären bei der diesjährigen Berlinale eine Wahrhaftigkeit, gefasst in Kinobilder.
»Alcarràs – Die letzte Ernte«: ab 11.8., Passage-Kinos
Tom (Timothy Spall) ist am Ende des Weges angekommen. Seine Frau ist bereits vorgegangen und auch für den Neunzigjährigen bleibt nicht mehr viel Zeit. Doch eine Aufgabe lastet noch auf ihm. Er möchte ein Versprechen, dass er seiner Frau gegenüber geleistet hat, erfüllen: Ihre Asche in ihre Heimat am südlichsten Zipfel Großbritanniens bringen. Also macht er sich auf den Weg von der Küste Schottlands nach Land’s End – mit Linienbussen. Auf dem Weg trifft er die unterschiedlichsten Menschen. Die Reise führt ihn aber auch in eine schmerzhafte Vergangenheit.
Man denkt nicht nur ob des deutschen Titels (Original: »The Last Bus«) an den »Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand«. Auch der Film des erfahrenen TV-Regisseurs Gilles MacKinnon ist ein sentimentales Roadmovie in die Erinnerung. Getragen wird es von Timothy Spall, der die rund 30 Jahre ältere Figur glaubwürdig mit den Marotten eines alten Mannes verkörpert. Ihn dabei zu begleiten, wie er unbeirrt seinen Weg ans Ziel verfolgt, tröstet über einige unglaubwürdige Begegnungen auf der Reise hinweg.
»Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr«: ab 11.8., Regina-Palast, Schauburg
Weitere Filmtermine der Woche
Concerning Violence
S/F/DK/USA 2014, Dok, R: Göran Olsson, 99 min
Doku-Essay über die Befreiungsbewegungen in Afrika in den sechziger und siebziger Jahren, unterlegt mit dem von Lauryn Hill gelesenen Text von Frantz Fanon »Die Verdammten dieser Erde«.
Grassi-Museum Leipzig, 17.8., 20 Uhr (OmU)
Der Waldmacher
D 2022, Dok, R: Volker Schlöndorff, 93 min
Volker Schlöndorff porträtiert den australischen Agrarwissenschaftler und Gewinner des alternativen Nobelpreises Tony Rinaudo, der die afrikanische Land- und Forstwirtschaft revolutionierte.
Richard-Wagner-Hain, 12.8., 20 Uhr
Ludwigs Garten, 19.8., 20 Uhr
Ukraine On Fire
USA 2016, R: Igor Lopatonok, 102 min
Dokumentation über die andauernde Krise in der Ukraine, produziert von Oliver Stone.
Richard-Wagner-Hain, 18.8., 20 Uhr (OmU)
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya
MAZ/B/F 2019, R: Teona Strugar Mitevska, D: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Simeon Moni Damevski, 100 min
Die religiöse Satire um eine junge Frau, die mit der Borniertheit der Einwohner ihrer Heimatstadt aufräumt, gewann den ökomenischen Filmpreis der Berlinale.
Pauluskirche Grünau, 19.8., 21 Uhr
Herr Lehmann
D 2003, R: Leander Haußmann, D: Christian Ulmen, Detlev Buck, Michael Gwisdek, 105 min
»Die unwägbare Seichtigkeit des Seins«: Kreuzberg vor der Wende. Bestseller-Verfilmung nach Sven Regener.
Kinobar Prager Frühling, 14.8., 19 Uhr
Lieber Thomas
D 2021, R: Andreas Kleinert, D: Albrecht Schuch, Jella Haase, Peter Kremer, 157 min
Andreas Kleinerts mitreißendes Biopic: Fordernd, fast dreistündig und in Schwarz-Weiß gedreht, getrieben von einem unbarmherzigen Rhythmus und einem furchtlosen Hauptdarsteller. Albrecht Schuch beweist hier erneut eindrucksvoll, dass er zu den besten Schauspielern des deutschen Kinos zählt. Dafür gab es insgesamt neun Deutsche Filmpreise.
Kinobar Prager Frühling, 15.8., 18 Uhr
Sonnenallee
D 1999, R: Leander Haußmann, D: Alexander Scheer, Alexander Beyer, Robert Stadlober, 87 min
Jungs und Mädels in einer Ost-Berliner Straße an der Mauer in den siebziger Jahren. Ausgelassene DDR-Gesellschaftskomödie des Theaterstars Leander Haußmann nach dem Roman von Thomas Brussig.
Kinobar Prager Frühling, 13.8., 18 Uhr
Laal Singh Chaddha
IND 2022, R: Advait Chandan, D: Aamir Khan, Kareena Kapoor, Mona Singh, 159 min
In diesem indischen »Forrest Gump«-Remake treibt ein autistischer Mann tragikomisch durch die Geschichte seines Landes.
Regina-Palast, 13.8., 12 Uhr (OmeU) und 14.8., 16 Uhr (OmeU)
Oscar Shorts: Live Animation
Eine Auswahl der oscarnominierten Kurzfilme 2022.
Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 14.8., 21:45 Uhr
Rise up!
D 2022, Dok, R: Marco Heinig, Luise Burchard, Steffen Maurer, Luca Vogel, 89 min
Der Dokumentarfilm sucht zusammen mit fünf außergewöhnlichen politischen Helden Antworten auf die Entwicklungen unserer Zeit. Preview, Start: 27. Oktober.
Open-Air-Kino in der Spinnerei, 18.8., 21 Uhr (Preview)
Wir können auch anders
D 1993, R: Detlev Buck, D: Joachim Król, Sophie Rois, Horst Krause, 92 min
Die Brüder Kipp wollen eigentlich nur mal raus aus ihrem täglichen Trott und brechen Richtung Ostsee auf. Doch an einer Tankstelle treffen sie auf den flüchtigen Rot-Armisten Viktor, der sie unter vorgehaltener Kalaschnikow zwingt, ihn mitzunehmen. Ein turbulentes und urkomisches Roadmovie.
Freilichtkino Dölitzer Wassermühle, 19.8., 21 Uhr
Titelbild: Filmstill aus »Alcarràs – Die letzte Ernte«, Copyright Avalon Distribución Audiovisual