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Stadtleben

Ritterburg, Bergbau, Musenhof

Kontrastreiche Kulturlandschaft im Altenburger Land in und um Posterstein

  Ritterburg, Bergbau, Musenhof | Kontrastreiche Kulturlandschaft im Altenburger Land in und um Posterstein

Posterstein ist eine Gemeinde im Dreiländereck von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, in einer guten Stunde über die B7 hinter Altenburg und Schmölln zu erreichen – mit Zug und Bus braucht es zwei Stunden und zwei Umstiege. Den kleinen Ort prägen hübsche Fachwerkhäuschen und die mittelalterliche Burg. In der auf einem Felsvorsprung über dem Flüsschen Sprotte erbauten Höhenburg befindet sich ein Museum. Es verbindet Burg- und Regionalgeschichte in sehr gelungener Weise mit europäischer Salon- und Weltgeschichte – und spricht in der Familienausstellung »Die Kinderburg« auch jüngere Gäste an. Vom Bergfried schweift der Blick über Felder und Wälder. In nordöstlicher Richtung sind das Schloss Tannenfeld und der Förderturm Löbichau zu sehen.

Vor dem Weg dorthin lohnt ein Abstecher in das ehemalige Herrenhaus von Gut Posterstein. Das Café Zur Eisernen Bank bietet hausgebackenen Kuchen und einen Imbiss. Auf Vorbestellung kann man sich einen Picknickkorb zusammenstellen lassen. Im Nebenraum des Cafés erinnern Wandbild und Buchregale an den Schriftsteller Hans Fallada, der noch Rudolf Ditzen hieß, als er hier lebte. Nach dem Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung der Heilanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Tannenfeld 1912/13 absolvierte er auf dem Gut eine Ausbildung zum Landwirt und profilierte sich als Kartoffelexperte.

Um nach Tannenfeld zu gelangen, geht es zurück auf die B7. Ein holpriger Asphaltweg führt auf das in einem Wäldchen versteckte Areal. Hier ließ Herzogin Anna Dorothea von Kurland Ende des 18. Jahrhunderts ein klassizistisches Schloss mit englischem Garten errichten. In Tannenfeld und in ihrem Schloss im nahe gelegenen Löbichau initiierte die Herzogin einen Musenhof von europäischem Rang. Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaften und Kunst waren zu Gast, darunter Goethe, Jean Paul, Feuerbach und der russische Zar Alexander I. Man disputierte, dinierte und unternahm Ausflüge nach Leipzig. Höhepunkt des Tages war die abendliche Teestunde mit Theateraufführungen und Lesungen. Nach dem Tod der Herzogin 1821 endete die Zeit des Musenhofes. Schließlich gründete um 1900 der Arzt Paul Tecklenburg in Tannenfeld eine Heil- und Nervenanstalt. Sein bekanntester Patient war besagter Rudolf Ditzen: Mit der Berufung des Vaters ans Reichsgericht war Familie Ditzen in die Leipziger Südvorstadt gezogen, Rudolf wurde jedoch aufs Gymnasium nach Rudolstadt geschickt. Dort erschoss er bei einem als Doppelsuizid getarnten Duell seinen Freund Hanns Dietrich von Necker (der ihn »nur« schwer verletzte) und wurde daraufhin nach Tannenfeld eingewiesen.

Mit den Zeilen aus Ditzens Tannenfeld-Gedicht im Kopf – »vielleicht führt jeder Weg zum Irrsinn« – fühlt man sich heute in der wunderschön bepflanzten Parkanlage entlang der seit Jahren verfallenden Gebäude wie an einem verwunschenen Ort.

Während Tannenfeld Charme hat – wenn auch einen dem Zahn der Zeit unterworfenen –, entstand in Löbichau ein Potemkinsches Dorf, indem man 2009 das Schloss bis auf die Fassade abriss, neu baute und nun als Alten- und Pflegeheim nutzt.

Thomas R. Müller
Foto: Thomas R. Müller

Weithin sichtbar ist das Fördergerüst des ehemaligen Schachtes 403. Der Förderturm wurde für die Ausstellung »Resurrektion Aurora« (Auferstehung der Morgenröte) als Begleitprogramm der Bundesgartenschau Gera-Ronneburg 2007 aufgestellt. Das Gesamtkunstwerk, das die Geschichte des Uran-Erzbergbaus mit moderner Landschaftsgestaltung und Kunstinstallationen verbindet, ist leider nur bedingt nachhaltig angelegt: Der Förderturm und der Skulpturengarten sind eingezäunt, die Tafeln der Litera-Natur sind vergilbt. Am Ende einer langen Birkenallee gelangt man zum Großbild »Die friedliche Nutzung der Kernenergie« von Werner Petzold. Das verstörend heroische Motiv des Sozialistischen Realismus war ein Auftragswerk für ein Gebäude der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut, die in der Region um Ronneburg Uran für das sowjetische Atomprogramm abbaute.

Insgesamt ergibt sich in Posterstein und Umgebung also ein interessanter Kontrast bei der Entdeckung der Kulturlandschaft im Altenburger Land.

 


Titelbild: Burg Posterstein, Thomas R. Müller


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