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Kultur

Welsh Poppy gedeiht neben Sorbischen Brombeeren

Kollektiv Wakuum veröffentlicht sorbisch-walisisches Album

  Welsh Poppy gedeiht neben Sorbischen Brombeeren | Kollektiv Wakuum veröffentlicht sorbisch-walisisches Album

Das Cottbusser Kollektiw Wakuum will Räume für mehr sorbische Subkultur schaffen. Im Rahmen einer musikalischen Kooperation mit walisischen Musikern ist ein stilistisch vielfältiges, fünfsprachiges Album entstanden.

Im Zuge der sogenannten »Völkerwanderung« besiedelten Slawen ab dem siebten Jahrhundert weite Teile Ostdeutschlands. Um etwa 800 nach Christus gründeten eben jene Slawen die Siedlung, die wir heute Leipzig nennen. Neben dem Verweis im eigenen Ortsnamen gibt es an der hiesigen Universität das Institut für Sorabistik, das versucht, dem historischen Erbe gerecht zu werden und zumindest das gebliebene Sorbische nicht kulturell auskohlen zu lassen. Um die Sprache zu retten, sind viele neue Interessengemeinschaften und Bündnisse entstanden, wie mit dem Gälischen oder Walisischen Sprachraum. Solch keltisch-slawische Beziehungen werden aber nicht nur auf akademische Weise gepflegt.

Europäische Minderheitensprachen finden hierzulande schon länger auch kreativen Ausdruck, nicht zuletzt, seit das Kolektiw Wakuum gegründet wurde. Das sorbische Kultur- und Kunstkollektiv steht für eine lebendige, feministische und inklusive Kulturszene, und will mehr sein als eine Plattform für Brauchtum und Traditionalismus. Um in der Region erfolgreich Lust auf Neues zu stiften, wollen die Mitglieder Räume für mehr sorbische Subkultur schaffen und bestehende Projekte zwischen Ober- und Niederlausitz vernetzen.

Aber auch entferntere Gebiete werden angebunden. Eine von Wakuum initiierte musikalische Kooperation zwischen walisischen und sorbischen Musikerinnen und Musikern feiert beider Kulturen Freundschaft. Schließlich soll der transkulturelle Anspruch nicht nur auf dem Papier beziehungsweise im Netz stehen. Dazu veröffentlicht die Gruppe am 7. September ein stilistisch vielfältiges, fünfsprachiges Album und präsentiert es direkt ab dem Release Datum auf einer ersten Tour durch die Lausitz.

Aber was genau lässt sich Besonderes aus dem Lausitzer Moor ziehen? Dort irrlichtert Hybrides aus Rap, Folk, Punk und Electronics und lockt tiefer hinein. Letztere wurden von Nick Ronin produziert und prägen einen Großteil der gebrochenen, bassigen Beats. Ebenso stampft Efa Supertramp im Album herum. Prägnant aber überhaupt nicht trampelnd ist ihr Gesang. Tramp soll hier Vagabundin heißen und das trifft viel eher, wie sie durchs Album streicht. Zusammen bilden Supertramp und Ronin die walisische Band Chwalaw, mit der sie Electronica samt Harfen und Geigen abliefern. Dazu kommt noch das hiesige Gemenge mit Jakub Gruhl, Mitgründer vom Leipziger Verein Zimmt und sorbischer Rapper, und weiteren Musikschaffenden aus der nieder- und obersorbischen Szene, so zum Beispiel MC Anka, Mitglied der feministischen Rapcrew Kolektiw Klanki, oder die Band Serbska Reja mit eher traditionellem tanzmusikalischem Ansatz. Außerdem ist da Paul Geigerzahler: Der Mit-Initiator des Projekts bringt seine Erfahrungen in den Feldern Geige, Gesang, und Punk mit ein. Er tourte schon 2019 mit Supertramp durch Wales. Insgesamt kommen von beiden Seiten des Ärmelkanals 16 Köpfe zusammen. Auf Wakuum’s Bandcamp kann man von dem Getümmel schonmal Proben nehmen. Das im Mai in nur einer Woche aufgenommene, 16 Tracks umfassende Album strotzt vor progressiver Involviertheit. Eigentlich keine Attribute, für die die Gegenden um Bautzen, Cottbus und Görlitz bekannt sind. Passt es daher aber nicht erst recht? Gerade immaterielle regionale Muster und Marotten lassen sich ändern, vielseitig neuausrichten und verbinden. Und da wir gerade von Lausitzer Eigentümlichkeiten sprechen: Wo zarte Binsen, die wurzelnde Simse, das Doldige Winterlieb und die sorbische Brombeere zuhause sind oder vor Vattenfall mal waren, wächst auch die Glockenheide. Wenig überraschend, dass sie auch auf walisischen Fluren blüht.

Für die Tour habe man sich im Kerngebiet der sorbischen Kultur bewusst dafür entschieden, vorwiegend in kleinen Orten der Region zu spielen, erklärt Hella Stoletzki vom Kollektiv. Los geht es in Schleife. Der wappenlose sächsische Ort mit zweieinhalbtausend Einwohnern liegt nördlich von Görlitz und mitten im Braunkohlerevier. Erst Laubag, dann Vattenfall und nun die Leag reichen sich den Landstrich schon seit den Neunzigern herum. Ein Soli-Konzert für die Rettung dortiger Flächen vor derlei Großkonzernen, das gemeinsam mit Fridays For Future veranstaltet wird, liegt also durchaus nahe. Weiter geht es über Kumschütz nach Nucknitz. Gleichenorts wird auch sonst mit dem Verein Barakka und mit dem Nuckstock-Open-Air neue alternative sorbische Kultur repräsentiert. Danach sind wieder Städte dran: Nach einem obligatorischen Gig in Cottbus endet die Tour am 11. September in Berlin in der Kirche von Unten. Wenn die Waliserinnen und Waliser neue Flugtickets erworben haben, soll eine weitere Tour folgen – und dann auch Leipzig einschließen.

Bandcamp: https://kolektiwwakuum.bandcamp.com/releases

Termine und weitere Infos: www.kolektiwwakuum.de

Snippets: https://soundcloud.com/geigerzaehler/chyfeillgarwch-cymraeg-a-sorbian-snipped?in=geigerzaehler/sets/diverses


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