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Kultur

Vielfalt

Die Kinostarts der Woche

  Vielfalt | Die Kinostarts der Woche

Die Ruhe und Weite des argentinischen Films, das pulsierende Kino Brasiliens, Charakterdramen aus Chile, brachialer Sozialrealismus aus Mexiko – Das Kino aus Lateinamerika unter einen Festivalhut zu bringen, ist ein wahres Kunststück. Trotzdem stellt sich der Verein Sudaca seit fast zwei Jahrzehnten dieser Herausforderung – zuerst mit Cinebrasil und den Argentinischen Filmtagen, im Oktober zum 13. Mal mit den Lateinamerikanischen Tagen. Eine Woche mit 20 Filmen, die es zeitnah auf kreuzer-leipzig.de zu entdecken gibt.

5.–15.10., Cineding, Schaubühne Lindenfels, Mühlstraße 14

Film der Woche: Die Schönheit im Scheitern übt einen gewissen Reiz auf den Österreicher Ulrich Seidl aus. Im Fokus seiner Filme stehen Figuren, die sich im abgegrenzten Umfeld ihres Lebens sicher fühlen. Doch die Fassade fällt, richtet man den Blick von außen darauf. Das gilt für seine Dokumentarfilme ebenso wie für die fiktionalen Erzählungen. Zehn Jahre nach der »Paradies«-Trilogie hat er nun wieder einen Spielfilm mit seiner Partnerin Veronika Franz entwickelt. Ihr Protagonist ist ein Archetyp für die Filme Seidls: Richie Bravo – ein Künstlername und als solcher will der in die Jahre gekommene Schlagersänger verstanden werden. Nach einem kurzen Abstecher in die Vergangenheit, das Haus seiner Eltern, um die Mutter zu beerdigen, kehrt Richie zurück nach Rimini. Die Vergnügungsmetropole von einst wirkt in der Nachsaison noch einsamer. Richie schleppt sich von einem Auftritt in der Hotellobby zum nächsten und füllt die trostlosen Tage und Nächte dazwischen mit Alkohol und Groupies. Als seine erwachsene Tochter auftaucht und Geld von ihm verlangt sieht Richie seine Chance für eine Versöhnung und der Einsamkeit zu entkommen. Seidl zelebriert die halbseidene Welt in langen Einstellungen und fordert wie üblich viel vom Zuschauer. Michael Thomas gibt den abgehalfterten Entertainer mit faszinierender Intensität. Zwischen den Szenen bleibt viel Raum. Der könnte im kommenden Jahr mit »Sparta« gefüllt werden, der die Geschichte des nicht weniger erfolglosen Bruders von Bravo erzählt. LARS TUNÇAY

»Rimini«: ab 6.10., Passage-Kinos, Schauburg

In einer schmuddeligen Sicherheitszelle kniet die Nordkoreanerin Mona Lee auf dem Boden, die Arme in einer Zwangsjacke gefangen. Als eine Pflegerin eintritt, die ihr die Nägel schneiden soll, lässt sie deren Gemeinheiten zunächst teilnahmslos über sich ergehen – bis sie ihre Peinigerin urplötzlich durch telepathische Kräfte dazu bringt, sich mit der Schere selbst schwer zu verletzten, wonach Mona die Flucht aus der Anstalt gelingt. Bald darauf steht sie im schmuddeligen Vergnügungsviertel von New Orleans der Prostituierten Bonnie während eines Angriffs bei, die sie daraufhin mit zu sich und ihrem Sohn Charlie nach Hause nimmt – nicht ganz uneigennützig, denn Bonnie will mit Hilfe von Monas dunkler Gabe zu Geld kommen. Ana Lily Amirpour, die vor acht Jahren mit dem Vampirdrama »A Girl Walks Home Alone At Night« ein sprödes, zumindest von der Kritik aber viel beachtetes Regiedebüt vorlegte, widmet sich in ihrem jüngsten Genre-Beitrag auf erneut unkonventionelle, geerdete Weise diesmal dem Science-Fiction-Film, versehen mit manch augenzwinkernder Anleihe an »Terminator 2«. Mona ist darin allerdings eher eine Antiheldin mit bis zuletzt nebulöser Vorgeschichte. Die wahre Heldenfigur kristallisiert sich erst spät aus all den abgerissenen Charakteren heraus, die Amirpours visuell und musikalisch hypnotisches, inhaltlich aber erneut etwas ziellos vor sich hin mäanderndes Werk bevölkern. PETER HOCH

»Mona Lisa and the Blood Moon«: ab 6.10., Passage-Kinos, Schauburg, Regina-Palast

Suzie ist aufgeregt. Die Schule liegt hinter ihr, die Uni in Berlin wartet. Doch da wird sie auf der Straße aufgegriffen. In ihrer Handtasche: Eine Ausgabe von George Orwells »1984« – verbotene Westliteratur. Der Traum vom Literaturstudium zerplatzt und Suzie findet sich im Kabelwerk Oberspree wieder, wo sie zur Strafe eine Ausbildung beginnen soll. Auf dem Weg zur Arbeit lichtet sie zufällig der unangepasste Fotograf Coyote ab und sie landet in der Sibylle, der größten Modezeitschrift der DDR. Voller Aufregung nimmt sie allen Mut zusammen, stellt sich in der Redaktion vor und wird engagiert: Ihre Karriere als Modell beginnt, doch ihr wird schnell klar, dass auch die Designer und Verlagschefs nur nach der Pfeife der Staatsoberen tanzen. Die von einer wahren Biographie inspirierte Geschichte spielt sich in den letzten Monaten der DDR ab. Allerdings ist der kurze Zeitraum dramaturgisch so überladen, dass die Inszenierung nur wenig glaubhaft wirkt. Die Stasi tritt als gesichtslose Männer in Uniform auf, die Generation der Väter ist eine von konturlosen Duckmäusern. Da war der deutsche Film in der Aufarbeitung der DDR schon mal weiter als es Dokumentar- und Spielfilmregisseurin Aelrun Goette (»Die Kinder sind tot«) hier ist. Jungdarstellerin Marlene Burow in der Hauptrolle ist solide, Peter Schneider als Vater kann wenig aus seiner konturlosen Figur herausholen und die Nebenfiguren wirken wie Abziehbilder in einer Illustrierten.

»In einem Land, das es nicht mehr gibt«: ab 6.10., CineStar, Regina-Palast, Passage-Kinos, am 7.10. in Anwesenheit von Regisseurin Aelrun Goette, Hauptdarstellerin Marlene Burow und DDR-Modeikone Frank Schäfer

Weitere Filmtermine der Woche

Neun Jahre liegt der letzte Film von Wong Kar-Wai (»The Grandmaster«) zurück. Damit das Warten auf ein neues Werk des Großmeisters nicht zu lange wird, veröffentlicht Plaion Film (ehemals Koch Media) seine Werke als aufwändig gestaltete Box-Sets und auch auf der großen Leinwand gibt es ein Wiedersehen: Die Kinobar zeigt im September seine vier wichtigsten Werke, die von 1994 bis 2000 mit dem Kameramagier Christopher Doyle entstanden.
»Verneigung vor Wong Kar-Wai«, ab 29.9., Kinobar Prager Frühling

Barfly
USA 1987, R: Barbet Schroeder, D: Mickey Rourke, Faye Dunaway, Alice Krige, 97 min
Luru-Kino in der Spinnerei, 11.10. 19:00 (freier Eintritt, mit Vortrag, Woche der Seelischen Gesundheit, OmU)
Kultfilm über Charles Bukowski: Sein alkoholsüchtiges Alter Ego Henry Chinaski lässt sich durch das Nachtleben in Los Angeles treiben.

Die Saat
D 2021, R: Mia Maariel Meyer, D: Hanno Koffler, Anna Blomeier, Andreas Döhler, 100 min
Ost-Passage-Theater, 12.10. 20:00
Da die Mieten in der Stadt immer weiter steigen, ist Rainer gemeinsam mit seiner schwangeren Frau Nadine und der 13-jährigen Tochter Doreen in ein Haus ins Umland gezogen. Doch der Lebenswandel hat viele Hürden.

Donnie Darko 
USA 2001, R: Richard Kelly, D: Jake Gyllenhaal, Jena Malone, Drew Barrymore, 113 min
Kinobar Prager Frühling, 11.10. 20:00 (Irres Kino, OmU)
Richard Kellys außergewöhnlicher Mystery-Thriller kam hierzulande tatsächlich nie in die Kinos. Rund 20 Jahre später ist es nun soweit: »Donnie Darko« erblickt das Licht der Leinwand in überarbeiteter Digitalfassung. Ein Lynch für die Generation Z und Jake Gyllenhaals Durchbruch als Schauspieler.

Eine neue Welt - Widerstand
Dok, R: Thierry Robert, 52 min
Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli, 11.10. 20:45 (Globe22)
Cyril Dion trifft sich mit Journalist David Wallace Wells, der beschreibt, wie ernst die Lage ist: Artensterben, wirtschaftliche Disparitäten, globale Wanderungsbewegungen und die Erderwärmung – unumkehrbare Prozesse sind im Gange. Wie konnte es so weit kommen?

Eltern – Kinder – Stasihaft. Albträume und Traumata
D 2020, Dok, R: Jürgen Haase, Angela Henkel
Zeitgeschichtliches Forum, 10.10. 19:00
Dokumentarfilm über die Kinder, deren Eltern in der DDR inhaftiert waren, und wie sie mit den Traumata der Eltern umgehen.

Freie Räume – Eine Geschichte der Jugendzentrumsbewegung
Dok, R: Tobias Frindt, 102 min
Luru-Kino in der Spinnerei, 12.10. 19:00
Dokumentarfilm über die Jugendzentrumsbewegung, in der sich der Geist der 68er manifestierte.

Konzerne als Retter – Das Geschäft mit der Entwicklungshilfe
CH/D 2017, Dok, R: Valentin Thurn, Caroline Nokel, 86 min
HTWK Leipzig, 12.10. 20:00 (OmU, Globale)
Immer weitere Teile der staatlichen Entwicklungshilfe werden privatwirtschaftlich organisiert. Aber was bedeutet das? Der Film zeigt, wie sogenannte »öffentlich-private Partnerschaften« funktionieren und wer wirklich von ihnen profitiert, die Ärmsten der Armen oder die Konzerne.

Moritzkino
Moritzbastei, 13.10. 20:00

Mulholland Drive 
USA 2001, D: Naomi Watts, Laura Elena Harring, Justin Theroux, 147 min
Kinobar Prager Frühling, 12.10. 20:00 (Irres Kino, OmU)
Ein typischer David-Lynch-Thriller: toll besetzt und gefilmt, hypnotisch, verschachtelt – und völlig rätselhaft bis zum Schluss.

Piggy
E/F 2022, R: Carlota Pereda, D: Claudia Salas, Carmen Machi, Laura Galán, 90 min
Kinobar Prager Frühling, 14.10. 21:00 (Feministisches FLINTA‐Kultur‐ und Kunst‐Festival, Horror-Preview, OmU)
Stets hat Sara mit dem Spott, den Urteilen und den Beschimpfungen der anderen Mädchen in ihrem Dorf zu kämpfen. Bis ein mysteriöser Unbekannter im Dorf auftaucht und ihre Peiniger entführt.

Plan B – Aus der psychischen Krise zum persönlichen Gewinn
D 2015, Dok, R: Andrea Rothenburg, 90 min
Cinémathèque in der Nato, 12.10. 19:00 (mit Diskussion, Reihe »Kamera Sensibel«)
Drei Frauen setzen sich mit ihren psychischen Problemen auseinander, um anderen Menschen Mut zu machen.

Rebellion
GB 2021, Dok, R: Maia Kenworthy, Elena Sánchez Bellot
Cinémathèque in der Nato, 14.10. 19:00 (Dok Leipzig)
Der Film begleitet die Entwicklung der ersten »Extinction Rebellion«-Gruppe in Großbritannien.

Reservoir Dogs 
USA 1992, R: Quentin Tarantino, D: Harvey Keitel, Tim Roth, Michael Madsen, 99 min
Passage-Kinos, 10.10. 20:30 (Best of Cinema, OmU)
Quentin Tarantinos famoser Debütfilm frisch restauriert in 4k zurück auf der großen Leinwand.

We Were Soldiers In The »War On Terror« – Zeugnisse aus dem Irakkrieg
D 2012, Dok, R: Elsa Rassbach, 25 min
Neues Schauspiel Leipzig, 10.10. 20:00 (OmU, Globale)
Neun US-Veteranen, stationiert im Irak, alle sind freiwillig zum Militär gegangen. Viele waren in Deutschland stationiert und wurden hier ausgebildet. Jetzt sind sie durch inneren Drang getrieben, den tiefen Rassismus gegenüber den Moslems ans Licht zu bringen, der ihrer Meinung nach charakteristisch für die heutige NATO-Militärpolitik ist.

When Two Worlds Collide
PER 2016, Dok, R: Heidi Brandenburg, Mathew Orzel, 103 min
HTWK Leipzig, 13.10. 20:00 (Globale, OmU)
Der Film dokumentiert eindrücklich eine der größten Protestbewegungen indigener Ureinwohner Südamerikas gegen einen übermächtigen Gegner.

White Pop Jesus & Breakdance Sensation
Luru-Kino in der Spinnerei, 14.10. 19:00 (Italo-Musik-35mm Doppel)
Musikalisches Italo-Doppel mit Donis: In »White Pop Jesus« (1980) kommt Disco-Jesus zurück auf die Erde und legt sich mit der Mafia an. In »Breakdance Sensation« (1984) reist eine Gruppe italienischer Tänzer zu einem Wettbewerb in New York.

Wie friedlich war die Friedliche Revolution? Ost-Migrantische Perspektiven auf den Mauerfall
Denkmalwerkstatt, 14.10. 19:00
Interaktiver Film und Gespräch mit Zeitzeugin Mona Ragy Enayat und der Projektleiterin Judith Schein.

Wrong Elements
F/B 2016, Dok, R: Jonathan Littell, 135 min
Neues Schauspiel Leipzig, 14.10. 20:00 (Globale, OmU)
Die »Lord’s Resistance Army« (LRA) in Uganda entführte mehr als 60.000 Teenager über einen Zeitraum von 25 Jahren und bildete sie zu Soldaten aus. Weniger als die Hälfte von ihnen sind lebendig aus dem Busch zurückgekehrt.

Zum Tod meiner Mutter
D 2022, R: Jessica Krummacher, D: Birte Schnoeink, Elsie de Brauw, Christian Löber, 135 min
Passage-Kinos, 13.10. 18:00 (Filme vom Abschied)
Juliane, die immer ein enges Verhältnis zu ihrer Mutter Kerstin hatte, wird mit deren Wunsch konfrontiert, sterben zu dürfen. Denn Kerstin ist schwer krank und lebt deshalb in einem Pflegeheim – und in diesem Zustand will die 64-Jährige nicht mehr weiterleben.

 

Foto: Filmstill aus »Rimini«, Copyright Neue Visionen Filmverleih


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