Film der Woche: Sandra ist Mitte 30 und lebt in Paris. Sie zieht ihre Tochter alleine groß und arbeitet als Übersetzerin. Daneben kümmert sich liebevoll um ihren dementen Vater. Doch eines Tages muss sie realisieren, dass sie ihm nicht mehr helfen kann. Auf Drängen ihrer geschiedenen Mutter macht sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Heim. Doch die staatlichen Einrichtungen sind heruntergekommen und überlastet, die privaten kostspielig. Als Sandra droht, unter der Belastung zusammenzubrechen, trifft sie auf Clément, einen alten Freund, für den sie neue Gefühle entdeckt. Realistisch und einfühlsam schildert Mia Hansen-Løve das Schicksal einer Frau in den Dreißigern. Ihr Spiel aus Entscheidungen, verpassten Chancen und möglichen Abzweigungen auf dem Weg des Schicksals bleibt stets nachvollziehbar und geerdet. Dafür sorgen auch die starken Schauspieler: Der preisgekrönte Charakterdarsteller Pascal Greggory (»La Vie En Rose«) spielt den Vater, einen ehemaligen Professor, dem die Worte entrissen wurden, mit berührender Intensität, Melvil Poupaud (»Laurence Anyways«) den Freund, hin und hergerissen zwischen seiner Liebe zu Sandra und der Ehe mit Frau und Tochter. Das Zentrum ist aber die überragende Léa Seydoux (»Blau ist eine warme Farbe«), die Sandra mit Hingabe verkörpert und eine tiefe Traurigkeit mit bedingungsloser Liebe in sich vereint.
»An einem schönen Morgen«: ab 8.12., Passage-Kinos
Az (Yasin Houicha), der auf einer Austernfarm arbeitet, wohnt mit Schwester, Mutter und seiner algerischen Großmutter im französischen Mittelmeerstädtchen Sète. Hier lebt auch seine Freundin Jess (Tiphaine Daviot), die es mittlerweile als TV-Schauspielerin zu einiger Bekanntheit gebracht hat. Alles scheint perfekt, bis es an einem entscheidenen Punkt für den sanften, manchmal etwas naiven Az ganz anders verläuft als geplant und er sich tagelang unter der Bettdecke verkriecht. Zum Glück hat er gute Freunde, die ihm aufhelfen. Beim Versuch, Jess durch neu zur Schau gestelltes Selbstvertrauen wiederzugewinnen, begegnet Az nicht nur die Kraft der algerischen Raï-Musik. Auch Lila (César-Preisträgerin Oulaya Amamra), die für ihre Tanz-Leidenschaft nach Paris gegangen war und erst vor Kurzem nach Sète zurückgekehrt ist, kreuzt seinen Weg.
»Fragil«: ab 8.12., Luru-Kino in der Spinnerei
Ein Dorf am Schwarzen Meer in Georgien, mit freundlichen Menschen, die glauben, sich zu kennen. Eines Tages wird Eliko erhängt aufgefunden. Seine Enkelin Moe reist aus der Stadt an, um die Beerdigung zu organisieren – und stößt auf ein Netz aus Lügen, das sich über zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit spannt. Zusammen mit ihrer neuen Freundin Fleshka bricht sie das Schweigen und erfährt die tragischen Hintergründe von Elikos verborgenem Liebesleben mit Amnon. »Wet Sand« von Elene Naveriani gibt den Außenseitern und Außenseiterinnen des ländlichen Georgiens eine Stimme und ist ein filmisches Manifest gegen Homophobie. Seine Premiere feierte das zugleich melancholische und hoffnungsvolle Drama über Generations-übergreifende Solidarität und queere Selbstermächtigung in Locarno, wo Hauptdarsteller Gia Agumava in der Sektion Cineasti del presente als Bester Schauspieler ausgezeichnet wurde.
»Wet Sand«: ab 8.12., Cineding
Weitere Filmtermine der Woche
Red Secrets – Im Fadenkreuz Stalins
UKR/GB/PL 2019, R: Agnieszka Holland, D: James Norton, Vanessa Kirby, Peter Sarsgaard, 118 min
1933 reist der walisische Journalist Gareth Jones nach Moskau, um ein Interview mit Josef Stalin zu führen. Als Jones für seinen Artikel auch in die Ukraine reist, um dort die Umstände der dramatischen Hungersnot zu recherchieren, ist ihm der sowjetische Geheimdienst auf den Fersen, um zu verhindern, dass der Journalist die Wahrheit über die humanitäre Katastrophe ans Licht bringt.
Schaubühne Lindenfels, 08.12. 18:00 (Eintritt frei, OmU)
ASAP Global Cups
Filmprogramm und Poetry Slam mit Künstlern und Künstlerinnen der Leipziger Szene, die Texte mit Fußballbezug vortragen.
Kinobar Prager Frühling, 09.12. 18:30
Aşk, Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod
D 2022, Dok, R: Cem Kaya, 102 min
Mit viel mitreißend geschnittenem Archivmaterial erzählt die Doku die weitgehend unbekannte Geschichte der Lebensrealität türkischer Einwanderer in Deutschland anhand der lebendigen Musikszene.
UT Connewitz, 08.12. 20:00
Chocolate of Peace
COL 2017, Dok, R: Gwen Burnyeat, Pablo Mejía, 60 min
Doku über die Erfahrungen der Friedensgemeinde San José de Apartadó in Kolumbien, die als Erzählfaden metaphorisch den natürlichen Zyklus des Kakaoanbaus in einer Geschichte über Gewalt und Widerstandskraft nutzt.
Passage-Kinos, 08.12. 18:00 (in Anwesenheit der Gwen Burnyeat, mit anschließendem Q&A und Diskussion)
Der Bettelpoet (The Beloved Rogue)
USA 1927, R: Alan Crosland, D: John Barrymore, Conrad Veidt, Marceline Day, 99 min
Stummfilmstar John Barrymore als »Bettelpoet« François Villon mit livemusikalischer Begleitung durch Richard Siedhoff am Klavier.
Grassi-Museum Leipzig, 11.12. 16:00 (mit Kinoorgel-Begleitung von Richard Siedhoff)
Der Nussknacker und die vier Reiche
USA 2018, R: Lasse Hallström, Joe Johnston, D: Mackenzie Foy, Keira Knightley, Helen Mirren, 99 min
Die 16-jährige Clara wird in dieser Disney-Version des Hoffmann-Märchens und Tschaikowski-Balletts am Weihnachtsabend in ein märchenhaftes Abenteuer hineingezogen. In einer fantastischen Welt begegnet sie dem jungen Soldaten Phillip und muss sich gegen die böse Mutter Gigoen behaupten.
Philippus-Biergarten, 11.12. 15:00 (Eintritt frei)
Nightmare Before Christmas
USA 1993, R: Tim Burton, 75 min
Stop-Motion-Kultfilm aus Tim Burtons Produktionsschmiede.
Philippus-Biergarten, 10.12. 16:00 (Eintritt frei)
Die Unzertrennlichen
CDN/USA 1986, R: David Cronenberg, D: Jeremy Irons, Geneviève Bujold, Heidi von Palleske, 115 min
Psychologischer Horrorthriller über zwei Zwillingbrüder, die zwar in ihren Jobs als Gynäkologen erfolgreich sind, privat aber eine äußerst problematische Beziehung zueinander haben, die aus dem Ruder läuft, als eine Schauspielerin in ihr Leben tritt.
Luru-Kino in der Spinnerei, 14.12. 22:00 (Horror-Doppel mit Donis, um 20 Uhr läuft »Crimes of the Future« in OmU)
Donnie Darko
USA 2001, R: Richard Kelly, D: Jake Gyllenhaal, Jena Malone, Drew Barrymore, 113 min
Richard Kellys außergewöhnlicher Mystery-Thriller kam hierzulande tatsächlich nie in die Kinos. Rund 20 Jahre später ist es nun soweit: »Donnie Darko« erblickt das Licht der Leinwand in überarbeiteter Digitalfassung. Ein Lynch für die Generation Z und Jake Gyllenhaals Durchbruch als Schauspieler.
Kinobar Prager Frühling, 08.12. 19:45 (Best of 2022, OmU)
Gremlins – Kleine Monster
USA 1984, R: Joe Dante, D: Zach Galligan, Phoebe Cates, Hoyt Axton, 105 min
Aus einem niedlichen Kuscheltier entspringen durch falsche Behandlung zahllose Monsterchen, die zur Weihnachtszeit eine US-Kleinstadt ins Chaos stürzen. Kultiger schwarzhumoriger Monsterfilm.
Moritzbastei, 08.12. 20:00
Luru-Kino in der Spinnerei, 11.12. 15:00
Jochen macht Triathlon
D 2022, R: Larsen Sechert, D: Daniel Weißbrodt, Ronja Rath, Oskar Naumann, 105 min
Jochen ist arbeitslos, wohnt allein und hat keine nennenswerten Freunde. Um seine Tochter zu beeindrucken, trainiert er für den Triathlon. Unabhängig produzierte Komödie von »Knalltheater«-Impresario Larsen Sechert.
KOMM-Haus, 16.12. 19:00
Les 2 Alfred
F 2020, R: Bruno Podalydès, D: Denis Podalydès, Sandrine Kiberlain, Bruno Podalydès, 92 min
Alexandre bleiben zwei Monate Zeit, eine Arbeit zu finden und seiner Frau bei ihrer Rückkehr zu beweisen, dass er sich um die Familie kümmern kann. Schräge Komödie von den Brüdern Podalydès.
Institut Français, 12.12. 19:00 (OmeU)
Mariupol. Unlost Hope
UKR 2022, Dok
Polnisches Institut, 13.12. 19:00
Naai Sekar Returns
IND 2022, R: Suraj, D: Vadivelu, Sivaangi Krishnakumar, Rao Ramesh, 150 min
Komödie aus Indien in tamilischer Sprache mit englischen Untertiteln.
Cineplex. 10.12. 14:00 (Indisches Kino, OmU)11.12. 14:00 (Indisches Kino, OmU)
Stollen
D 2020, Dok, R: Laura Reichwald, 85 min
Der Ort Pöhla im Süden Sachsens blickt auf eine 800-jährige Geschichte des Bergbaus zurück. Zur Weihnachtszeit herrscht dort heute Hochsaison. Porträt einer Arbeiterregion zwischen Tradition und Moderne.
Luru-Kino in der Spinnerei, 11.12. 17:00, 13.12. 19:00
Titelfoto: Filmstill »An einem schönen Morgen«. Copyright: Weltkino Filmverleih.