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Film

Absurditätenkabinett

Die Kinostarts der Woche

  Absurditätenkabinett | Die Kinostarts der Woche

Die Filme von Emir Kusturica zeugen von einer große Liebe zu seiner serbischen Heimat und zur Musik des Balkans. Die Kinobar zeigt noch einmal drei seiner schönsten Werke, natürlich das wild wirbelnde Absurditätenkabinett »Schwarze Katze, weißer Kater«, die Gesellschaftssatire »Underground« und seinen träumerischen Abstecher in die Vereinigten Staaten, »Arizona Dream«.

Filmreihe Emir Kusturica, 18.–20.12., Kinobar Prager Frühling


Film der Woche: Genau wie Träume am nächsten Morgen verflüchtigen sich auch die Erinnerungen an die unendlichen Stunden gelebten Lebens mit der Zeit, da helfen auch Tagebücher nur bedingt. Das ist auch der Grund, weshalb sich Charlotte Wells’ beeindruckendes Filmdebüt »Aftersun« nicht in erster Linie aus Worten zusammensetzt, sondern aus Eindrücken. Die elfjährige Sophie und ihr Vater Calum urlauben in einem türkischen Ferienresort; es ist wohl der letzte Sommer in dieser konkreten Konstellation. Die beiden sind ein gutes Team, können mit Abstand und Nähe umgehen und respektieren die Grenzen des anderen. Nichts Unbotmäßiges fällt vor, doch die Atmosphäre des Films siedelt immer am Rande des Unheimlichen. Später versteht man, dass man es mit einer Rückblende zu tun hat, doch die erzählt kaum etwas Spezifisches, sondern knöpft sich die Struktur der Erinnerung an sich vor. Was in den Tiefen der Vergangenheit nach und nach verschwimmt, ist für die Dauer von »Aftersun« wieder zurück an der Oberfläche. Schwer zu sagen, wie die Regisseurin diese Gefühlstransplantation gelingt. Der Film ist nicht nur ein stilles Spektakel, sondern wirkt auch erzählerisch wie etwas völlig Neues und Unverbrauchtes. Am Ende fühlt es sich an, als hätte man anderthalb Stunden unter Hypnose verbracht und bei der Gelegenheit sein Unterbewusstsein aufgeräumt. »Aftersun« erinnert sich an mehr als die meisten Menschen vergessen. MARKUS HOCKENBRINK

»Aftersun«: ab 15.12., Passage-Kinos

 

Ein Junge nimmt das Gewehr seines Vaters und verleiht es an einen Freund, der es inmitten eines Trinkgelages seines Vaters wiederfindet. Der störrische Davyd gräbt unbeirrbar ein Plumpsklo neben dem Gemüse seiner Nachbarn und zieht damit deren Groll auf sich. Petya hat das Haus seiner Großmutter verkauft, doch als er das Geld nach einer Sauftour mit stolz geschwellter Brust seiner Frau präsentieren will, ist es weg und der Nachbar hat ein neues Auto. Als ein Dorfbewohner schwer alkoholisiert seine Familie mit der Waffe bedroht, muss der Dorfälteste einschreiten, bevor die Situation eskaliert. Sieben tragikomische Geschichten vom anderen Ende der Welt erzählen Stepan Burnashev und Dmitrii Davydov in ihrem Episodenfilm. Wobei die Tragik hier oft die Überhand hat, alle Geschichten aber ein lakonischer Humor durchzieht.
Hier, in den äußersten Ausläufern des russischen Staatsgebiets, in der Republik Sacha am Ostsibirischen Meer, sind die Menschen auf sich selbst zurückgeworfen. In dem kleinen Ort machen Gerüchte schnell die Runde und werden für Wahrheiten genommen. Man lässt sich über Kommunalpolitiker oder Nachbarn aus, weil man nichts Besseres zu tun hat. Die Gespräche sind karg, die Tage wie Nächte alkoholgeschwängert und mit dem Vodka beginnen und enden oft die Probleme. Gemeinsam mit seinem Kompagnon Davydov schrieb Burnashev die Geschichten seiner Heimat auf, die man sich an langen Abenden erzählt, wenn der Wind über die Tundra pfeift. In statischen, ausdrucksstarken Bildern erzählen sie von falschem männlichem Stolz und der menschlichen Fehlbarkeit, inszeniert mit Laiendarstellern vor der endlosen Landschaft ihrer Heimat. Beim Filmfestival in Warschau gewann ihr Film den Jurypreis. Unter dem reichlich unmotivierten deutschen Titel »Sibirisch für Anfänger« findet er nun zum Glück den weiten Weg auch in unsere Kinos.

»Sibirisch für Anfänger«: ab 15.12., Luru-Kino in der Spinnerei

 

Weitere Filmtermine der Woche

Filmriss Filmquiz 
Wie alt war Christian Bale, als er vor der Kamera von Steven Spielberg stand? Welche Farbe hat Freddy Kruegers Pulli? In wie vielen Marvel-Filmen stand Robert Downey Jr. als Tony Stark vor der Kamera? Egal ob Popcorn oder Arthouse – André Thätz und kreuzer-Redakteur Lars Tunçay quizzen sich mit euch durch die Filmgeschichte. Als Lohn gibts feine Preise.
Moritzbastei, 21.12. 19:30
 

Don't Stop Motion
D 2021, Dok, R: Franziska Bausch-Moser, Niels Bauder, 68 min
Der Mix aus Stop-Motion- und Dokumentarfilm erzählt die Geschichten von Ahmad, Zahra und Muntazar, drei jungen Geflüchteten, die ihre Heimat in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa verlassen haben.
Passage-Kinos, 15.12. 19:00 (in Anwesenheit des Filmteams)
 

Goodbye, Don Glees!
J 2021, R: Atsuko Ishizuka, 95 min
Anime mit Jungs auf Schatzsuche in Island.
Schauburg, 17.12. 17:00
 

Herr Hubertus Haus
Film über das Finanzamt II am Nordplatz
Goase, 16.12. 16:00
 

MDR-Kurzfilmnacht 2022 
»Unicato«-Kurzfilmrolle am kürzesten Tag des Jahres. Im Anschluss spricht Moderator Markus Kavka mit den Filmschaffenden über die Entstehungsgeschichten und Drehs.
Passage-Kinos, 21.12. 20:00 (Eintritt frei, Moderation: Markus Kavka)
 

Golden Shorts 2022
85 min
Die internationalen Highlights des diesjährigen Interfilm Festivals am kürzesten Tag des Jahres.
Kinobar Prager Frühling, 21.12. 20:00
 

All inclusive – barrierefreies Kurzfilmprogramm
Sechs Filme für alle am kürzesten Tag des Jahres mit offener Audiodeskription und SDH-Untertitelung.
Cinémathèque in der Nato, 21.12. 19:00 (Kurzfilmtag 2022)
 

Shorts Attack: Tafelsilber
10 Filme in 77 Minuten: Das Programm zeigt auf humoristische Weise die Probleme junger Mütter, betont die Grazie turmspringender Giraffen und öffnet sich für kindliche Parallelwelten. Dabei kommt natürlich auch der politische Anspruch nicht zu kurz.
UT Connewitz, 21.12. 20:00
 

Some of all – queeres Kurzfilmprogramm 
Queere Kurzfilmrolle am kürzesten Tag des Jahres.
Cinémathèque in der Nato, 21.12. 21:30 (Kurzfilmtage 2022)
 

Shorts Attack: Sundance Shorts 2022 
93 min
Eine Auswahl der preisgekrönten Kurzfilme vom Filmfestival in Sundance: »Warsha« (F/LB 2021), »You Go Girl!« (USA 2021), »Stranger Than Rotterdam with Sara Driver« (USA 2021), »If I Go Will They Miss Me« (USA 2022), »Training Wheels« (USA 2022), »Goodbye Jerome« (F 2022), »Makassar Is a City for Football Fans« (ID/F 2021)
Schaubühne Lindenfels, 21.12. 20:00 (OmU)
 

Seitenspiel 
GB 2022, R: Matt Carter, D: Alexander Lincoln, Christopher Sherwood, Pearse Egan, 134 min
Aus anfänglichem Misstrauen wird für zwei Fußballer körperliche Lust. Die persönlichen Loyalitäten werden strapaziert, als sie versuchen, die Affäre nicht nur vor ihren eigenen Partnern, sondern auch vor ihren Mannschaftskameraden zu verbergen.
Cineplex, 19.12. 20:15 (Pride Night, OmU)
 

Schwarze Katze, weißer Kater 
F/YUG/D 1997, R: Emir Kusturica, D: Branka Katic, Srdjan Todorovic, Ljubica Adzovic, 129 min
Mit dieser witzig-märchenhaften Romaballade kehrte der jugoslawische Regisseur Emir Kusturica zu seinen Wurzeln zurück.
Kinobar Prager Frühling, 18.12. 18:00 (Special Emir Kusturica)
 

Arizona Dream
USA/F 1993, R: Emir Kusturica, D: Johnny Depp, Faye Dunaway, Vincent Gallo, 142 min
Skurrile Liebeskomödie von Emir Kusturica mit Johnny Depp und Jerry Lewis.
Kinobar Prager Frühling, 19.12. 19:00 (OmU, Special Emir Kusturica)
 

Underground 
YUG/F/D/BUL/CS/HGB/USA 1995, R: Emir Kusturica, D: Miki Manojlovic, Srdjan Todorovic, Mirjana Karanovic, 163 min
Eine Gruppe von Partisanen, die 1941 Unterschlupf in einem Keller gefunden hat, glaubt, dass der Krieg gegen Hitler immer noch andauert, als sie 1991 in den Balkankrieg verwickelt werden. Erhielt die Goldene Palme in Cannes 1995.
Kinobar Prager Frühling, 20.12. 18:00 (Special Emir Kusturica)
 

Der denkwürdige Fall des Mr. Poe 
USA 2022, R: Scott Cooper, D: Christian Bale, Harry Melling, Gillian Anderson, 128 min
Im London des Jahres 1830 arbeitet der erfahrene Ermittler Augustus Landor in einem Mordfall mit einem jungen Kadetten namens Edgar Allan Poe zusammen.
Passage-Kinos, 21.12. 20:30 (OmU, Preview)
 

Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr
GB/VAE 2021, R: Gillies MacKinnon, D: Timothy Spall, Phyllis Logan, Saskia Ashdown, 86 min
Die Reise eines Neunzigjährigen mit Linienbussen vom nördlichsten Zipfel der britischen Insel an den südlichsten ist vor allem wegen Hauptdarsteller Timothy Spall reizvoll.
Cineplex, 21.12. 14:30 (Kinokränzchen)
 

Der Schwimmer
ISR 2021, R: Adam Kalderon, D: Omer Perelman Striks, Asaf Jonas, Ofek Nicki Cohen, 90 min
Erez will das Ticket für Olympia. Aber dafür muss sich der ehrgeizige Nachwuchsstar erst noch beim Vorentscheid durchsetzen und dem bildhübschen Mitbewerber Nevo widerstehen, in den sich Erez gegen alle Warnungen mit Haut und Haar verliebt.
Passage-Kinos, 21.12. 19:30 (QueerBLICK)
 

Nico 
D 2021, R: Eline Gehring, D: Sara Fazilat, Javeh Asefdjah, Sara Klimoska, 79 min
Nach einer Gewalterfahrung ändert sich das Leben von Nico. Die fürsorgliche Altenpflegerin ist schwer traumatisiert. Mit einem Karate-Kurs will sie sich aus ihrer Lähmung freikämpfen. Starkes Spielfilmdebüt mit einer tollen Leistung von Hauptdarstellerin Sara Fazilat, die auch am Drehbuch beteiligt war.
Cinémathèque in der Nato, 22.12. 21:00
 

Ennio Morricone – Der Maestro
IT/B/NL/J 2022, Dok, R: Giuseppe Tornatore, 156 min
Regisseur Giuseppe Tornatore (»Cinema Paradiso«) schuf eine Hymne an den Großmeister der Soundtracks.
Passage-Kinos, 18.12. 15:00 (OmU, Preview)


Titelfoto: Filmstill aus »Aftersun«. Copyright: Grandfilm.


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