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Kultur

Daddy’s Girl

Die Inszenierung »Für Papa« thematisiert Gewalt und Missbrauch in der Familie

  Daddy’s Girl | Die Inszenierung »Für Papa« thematisiert Gewalt und Missbrauch in der Familie

Am Wochenende feierte die Inszenierung »Für Papa« am Ost-Passage Theater Premiere.

Zwischen Gedärmen und Gliedmaßen regen sich Leiber, packen, was sich um sie bewegt, und wälzen sich übereinander. Dann beginnt dieses Knäuel zu atmen. Panisch beginnt eines der Lebewesen auf der Bühne die Luft einzusaugen und die tiefen Saitenstriche, die eben noch den Raum füllten, verebben. Ein Oberkörper löst sich aus der schützenden Menge und beginnt zu sprechen: »Vielleicht heilen die Wunden, wenn wir mal darüber geredet haben.« Sich mit Spott vor der eigenen Angst schützend spuckt Schauspielerin Lourdes Pino Fels die Sätze heraus. Es sind glattbügelnde Floskeln, die eine Tat unter den Teppich kehren wollen. Wer hier spricht und was vorgefallen ist, bleibt unklar.

Der autobiografisch-fikionale Text »Für Papa« von Anna Melissa Zentgraf dreht sich zwischen Wahn, Litanei und Traumbild um den Vater: Er ist abwesend, anwesend, fürsorglich, gewalttätig – egal wie er im eigenen Leben steht, der Vater wirkt übermächtig in der Psyche fort. Im schonungslosen Debütstück werden die Folgen der patriarchalen Gewalt erforscht. Poetisch und surreal verbinden sich innere Bildwelten mit abgegriffenen Wendungen. Die Töchter, die hier zu Wort kommen, versuchen mit Sex, Liebe und emotionaler Manipulation den Hunger in ihnen zu füllen.

Auf der Bühne des Ost-Passage-Theaters vermischen sich kannibalistische Sexfantasien und Erniedrigungswünsche mit einer körperlich-fleischlichen Spielweise. Zwischen Begehren und Machtkampf kriechen die Akteure und Akteurinnen übereinander und versuchen die Oberhand zu gewinnen. Überwältigt sacken sie zusammen, um wie Leblose auf Seziertische gepackt zu werden. Die zwei gegenüberstehenden Tribünen, auf denen das Publikum Platz genommen hat, verwandeln sich in ein anatomisches Theater. Ich will dich aufschneiden und in dich hineinkriechen, Stücke von dir abschneiden und mir einverleiben. Kannibalistische Phantasien über das Eins- und niemals verlassen werden, spielt Schauspielerin Lisa Nossek an Daniel Maier mit gezücktem Skalpell durch. Verbunden sind die in Negligees und Strumpfhosen gewickelte Körper bereits, ganz zerschunden von der Suche nach Liebe.

Vom zerrütteten Monolog und haptisch beschriebenen Einverleibungsphantasien findet die Inszenierung von Regisseurin Marina Erler ihren Weg zu beinahe komischen Momenten. In einer sakral-aufgeladenen Litanei aus Pornotiteln, die Musiker Leo Köppen mit Samples, Peitschen- und Spielzeugklängen untermalt, kommt zum heiligen Ernst eine alberne Note. Wie Fels am Anfang und am Ende verkündet, weiß sie meistens nur, wer sie nicht sein will. Zum sexuellen Genuss geschlagen oder erniedrigt zu werden, kommt hier immer die Scham und das Leiden am eigenen Zustand. Ein Ausweg wäre, die eigene Realität, das eigene Begehren anzuerkennen. Doch den scheint es für die verletzten Töchter nicht zu geben, die auf ihrem schicksalhaft dargestellten Pfad Nähe erpressen wollen und selbst zugrunde gehen.

Termine: Samstag, 18. Februar, 20 Uhr; Freitag, 10. März, 20 Uhr; Samstag, 11. März, 20 Uhr

Achtung: Der Text thematisiert sexuelle Gewaltfantasien, emotionalen Missbrauch und explizite Suizidgedanken.

Foto: Ost-Passage Theater, Copyright Adrian Viktor Lück


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