Die Berlinale ist eröffnet: Mit »She Came to me« von Rebecca Miller beginnen heute Abend die 73. Internationalen Filmfestspiele in Berlin. Insgesamt fünf deutsche Filme stehen in diesem Jahr im Wettbewerb. Daneben gibt es zahlreiche Gala-Premieren deutscher Filme wie etwa »Der vermessene Mensch«, in dem Regisseur Lars Kraume die Kolonialgeschichte Deutschlands aufarbeitet. Einige Kritiker bemängeln bereits, dass ja sonst kein Festival den deutschen Film mag und deshalb jetzt die Berlinale mit Trotz reagiert. Andere bemängeln die fehlenden großen Namen im Wettbewerb. Dabei lohnt es sich, abzuwarten wie die Filme der deutschen Regisseure und Regisseurinnen denn nun eigentlich sind und ob sich in der Auswahl der Wettbewerbsfilme nicht einige hoffnungsvolle Talente tummeln, die es zu entdecken gilt. Freuen wir uns auf eine spannende Festivalwoche!
73. Internationale Filmfestspiele Berlin: 16.–26.2., verschiedene Orte, www.belinale.de
Film der Woche: Mit der Low-Budget-Zombie-Komödie »One Cut of the Dead« schuf Shin’ichirô Ueda 2017 einen echten Überraschungshit, der diese Bezeichnung mehr als verdient, wusste er doch erstens wirklich zu überraschen und wurde zweitens zumindest in seiner Heimat Japan zum Publikumserfolg. Das lässt sich schwer wiederholen, noch dazu auf den westlichen Kulturraum übertragen. Trotzdem schafft Michel Hazanavicius mit seinem Remix »Final Cut of the Dead« einen großen Spaß für Genrefans. Ein Grund dafür ist, dass sich der Regisseur – wie schon bei »The Artist«, seiner Hommage an die Stummfilmära – über Filmsprache, Klischees und die Konventionen des Horror-Genres Gedanken macht und sie gekonnt persifliert. Hazanavicius stapelt Metaebene über Metaebene und lässt im Film den Regisseur Rémi – herrlich hilflos verkörpert von Romain Duris – ein Remake des japanischen Erfolgs inszenieren. Der ist künstlerisch eh gerade ohne Plan und will den Draht zu seiner Teenager-Tochter nicht verlieren. Da tritt eine seltsame japanische Produzentin in sein Leben, die sich nicht nur über französische Gepflogenheiten lustig macht, sondern ihm auch ein Angebot unterbreitet, das er nicht ablehnen kann. Was folgt, sind herrlich chaotische Dreharbeiten und eine zweite Ebene (und schließlich dritte im Abspann), die den Film noch mal auf den Kopf stellen. Das wirkt vielleicht nicht ganz so frisch und unverbraucht, wenn man das Original kennt, aber der Spaß am Film ist allen Beteiligten anzumerken und überträgt sich mühelos aufs Publikum.
»Final Cut of the Dead«: ab 16.2., Passage-Kinos, Regina-Palast
Fridays for Future, Extinction Rebellion, Die letzte Generation – In den vergangenen drei, vier Jahren haben sich eine Vielzahl neuer Gruppen gebildet, um ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Sie alle haben gemeinsam, dass die Aktivistinnen und Aktivisten meist noch zur Schule gehen oder gerade volljährig sind. Enttäuscht von der Tatenlosigkeit der Elterngeneration und der Politik, die sie gewählt hat, vernetzt und verbündet sich eine Welle von jungen Leuten weltweit.
Die 18-jährige Melati Wijsen kämpft seit sechs Jahren gegen die Plastikverschmutzung ihrer Heimat Indonesien. Sie hatte Erfolg, doch ein Ende ihrer Mission ist nicht in Sicht. Um sich inspirieren zu lassen, bereist sie die Welt und trifft Gleichgesinnte im Kampf gegen Umweltverschmutzung und Ungerechtigkeit. Sie sucht nach der Energie und dem Momentum des gemeinsamen Kampfes – und wird fündig. Im Libanon, wo sie den heute 18-jährigen Mohamad Al Jounde trifft. Als Kind floh er mit seiner Familie aus Syrien wie tausend andere vor ihm. Um der Tristesse des Lagers in El Marj zu entkommen, baute er im Alter von 12 Jahren eine Schule auf. Heute besuchen jeden Tag 200 geflüchtete syrische Kinder die von Mohamad gegründete Schule.
Memory Banda kämpft in Malawi gegen die Verheiratung von Kindern und die Tradition der institutionalisierten Vergewaltigung junger Mädchen in speziellen Initiationslagern. Der 19-jährige Xiuhtezcatl Martinez rappt in den USA gegen Fracking, die Verbreitung von Kohleasche und gegen Pestizide in Parks. Mary Finn rettet vor der Küste der Insel Lesbos in Griechenland Geflüchtete aus dem Meer. Als 11-jähriger gründete Rene Silva in Rio de Janeiro eine Tageszeitung, die den von Polizei- und Bandengewalt geprägten Alltag der Menschen in den Favelas festhält. Schließlich trifft Melati noch auf Winnie Tushabe, die in Uganda eine Landwirtschaftsinitiative gründete, um den Ärmsten der Armen die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu versorgen.
»Bigger than us« zeigt ihren Kampf gegen gesellschaftliche Traditionen, Großkonzerne und die Politik. Die Idee dazu hatte die französische Regisseurin Flore Vasseur. Sie sah eine Dokumentation über den Kampf von Melati in ihrer Heimat und ging mit ihr auf Weltreise, mit der Schützenhilfe von Schauspielerin und Produzentin Marion Cotillard. Entstanden ist ein Plädoyer der Solidarität, ein Film der Mut machen will für eine Generation, die etwas verändern kann und will.
»Bigger Than Us«: ab 16.2., Passage-Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
Koyaanisqatsi
USA 1982, Dok, R: Godfrey Reggio, 87 min
Betörender Bilderrausch zur großartigen Musik von Philip Glass: Eine Reflexion über den Zustand der Welt – damals wie heute.
Schaubühne Lindenfels, 17.02. 20:00 (OmU)
Bros
USA 2022, R: Nicholas Stoller, D: Billy Eichner, Luke MacFarlane, TS Madison, 116 min
Buddy-Komödie um Liebeswirren in der LGBTQ+-Szene, produziert von Judd Apatow.
Passage-Kinos, 22.02. 20:30 (mit einem Drink zur Kinokarte ab 20 Uhr, QueerBLICK)
Das Hamlet-Syndrom
POL/D 2022, Dok, R: Elwira Niewiera, Piotr Rosolowski, 85 min
Fünf Menschen aus der Ukraine nehmen an einer Theaterinszenierung teil, die die eigene Kriegserfahrung in den Zusammenhang mit Hamlets Dilemma setzen soll. Der 85-minütige, beim Dok Leipzig uraufgeführte Film gibt eine Antwort auf die Frage, wie die Körperlichkeit des Krieges erzählt werden kann, ohne den Krieg zu zeigen.
Polnisches Institut, 22.02. 13:00 (EinBLICK, mit der Regisseurin)
Ost-Passage-Theater, 22.02. 20:00 (OmU)
Das Piano
AU/F 1993, R: Jane Campion, D: Holly Hunter, Harvey Keitel, Sam Neill, 121 min
Eine stumme Europäerin trifft Ende des 19. Jahrhunderts in Neuseeland ein, um ihren zukünftigen Mann zu treffen. Mit sich führt sie neben ihrer Tochter ein Klavier, das zum Katalysator einer Affäre mit einem eingeborenen Nachbarn wird. Intensiv dargestelltes Kammerspiel über die Selbstfindung einer Frau. Gewann die Goldene Palme in Cannes.
Schaubühne Lindenfels, 23.02. 19:00 (OmU)
Drive
USA 2011, R: Nicolas Winding Refn, D: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, 96 min
Am Tage Stuntman und in der Nacht Fahrer für zwielichtige Typen – der Mann, den alle nur »Driver« nennen, ist ein undurchdringlicher Einzelgänger. Nur seine Nachbarin und ihr Sohn dringen zu ihm durch. Als er allerdings einen riskanten Job für den Ehemann übernimmt, laufen die Dinge aus dem Ruder und »Driver« muss sich aus seiner Deckung begeben. Stylischer Mix aus Thriller und Romanze von Ausnahmefilmer Nicolas Winding Refn.
Schaubühne Lindenfels, 18.02. 20:30 (OmU)
Girls, Girls, Girls
FIN 2022, R: Alli Haapasalo, D: Aamu Milonoff, Eleonoora Kauhanen, Linnea Leino, 100 min
Drei junge Frauen machen sich auf Liebessuche und klären nebenbei noch die Frage, was im Leben eigentlich wirklich wichtig ist.
Cineding, 23.02. 19:00 (OmU), 24.02. 19:00 (OmU)
Heaven in Hell
PL 2023, R: Tomasz Mandes, D: Magdalena Boczarska, Simone Susinna, Katarzyna Sawczuk, 119 min
Eine Mutter und ihre erwachsene Tochter teilen sich denselben Freund, wovon die Mutter jedoch nichts weiß.
Cineplex, 18.02. 17:00 (OmU, Polnisches Kino)
Höhere Gewalt
S/DK/F/N 2014, R: Ruben Östlund, D: Johannes Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Clara Wettergren, 118 min
Als bei einem Skirestaurant in den französischen Alpen eine Lawine niedergeht, rettet sich Familienvater Tomas lieber selbst, anstatt Frau und Kindern zu Hilfe zu kommen. Letztlich geht das Ereignis zwar glimpflich aus, aber in der Familie kommt es durch das Vorgefallene zum Bruch.
Passage-Kinos, 21.02. 20:45 (OmU)
Kurzfilmreihe Kultura: UA
Im Februar jährt sich der Angriff Russlands auf die Ukraine zum ersten Mal. Die Schaubühne Lindenfels zeigt ihre Solidarität mit ukrainischen Regisseurinnen und Regisseuren mit einer Filmreihe. »Kultura: UA« wirft einen Blick auf die Lebensrealität der Menschen mit preisgekrönten Festivalfilmen. Im Februar gibt es drei ukrainische Kurzfilme zu sehen: »Salt for the Sea«, »Broken« und »In Joy and Only in Joy«.
Schaubühne Lindenfels, 24.02. 19:00
Moritzkino
Welchen Film es heute Abend zu sehen gibt, erfahren Sie zeitnah auf kreuzer-leipzig.de
Moritzbastei, 22.02. 20:00
Nosferatu. Eine Sinfonie des Grauens
D 1922, R: F. W. Murnau, D: Max Schreck, Greta Schroeder, Gustav von Wangenheim, 94 min
Musikalische Begleitung von SeBoom (Musikduo aus Zgorzelec / Görlitz)
Cinémathèque in der Nato, 23.02. 20:30 (Film & Musik)
Only Lovers Left Alive
GB/D/GR/F 2013, R: Jim Jarmusch, D: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, 118 min
Jim Jarmuschs traumhaft-düstere Reflexion über die Unsterblichkeit. Exquisit besetzt und wunderbar moody.
Schaubühne Lindenfels, 16.02. 19:00 (OmU), 24.02. 20:00 (OmU)
Schattenkind
D 2022, Dok, R: Jo Müller, 89 min
Dokumentarfilm über den Fotografen Andreas Reiner.
Passage-Kinos, 20.02. 18:45 (Kunst trifft FIlm, Premiere in Anwesenheit des Regisseurs und des Protagonisten)
Train to Busan
COR 2016, R: Sang-Ho Yeon, D: Gong Yoo, Yu-mi Jung, Ma Dong-seok, 118 min
Zombies im Zug – das fasst den Inhalt dieses solide gemachten Horrorfilms aus Südkorea treffend zusammen. In »Die Rebellion der lebenden Leichen« rächt sich ein Voodoo-Meister aus Indien an seinen Peinigern, indem er tote Frauen ins Leben zurückbringt und sie auf sie hetzt.
Luru-Kino in der Spinnerei, 22.02. 20:00 (Horror-Doppel mit Donis, OmU, um 22 Uhr folgt »Die Rebellion der lebenden Leichen«)
Two – Shtaim
ISR 2021, R: Astar Elkayam, D: Gil Desiano, Sobhi Hosari, Hadas Kalderon, 80 min
Der Spielfilm begleitet ein lesbisches Pärchen auf dem langen Weg zur Mutterschaft.
Cineplex, 20.02. 20:15 (Pride Night)
Titelfoto: Filmstill aus »Final Cut of the Dead«, Copyright: Weltkino Filmverleih.