Anfang der Woche lud das Leipziger Immobilien-Unternehmen Immocom Vertreter und Vertreterinnen aus Lokalpolitik und der Immobilienbranche zu einem Gespräch ein. Vor der Location formierte sich ein satirischer Protest, der kritisierte, dass sich Politiker und Politikerinnen hinter verschlossenen Türen mit der Immobilien-Wirtschaft träfen.
»Wohin fährt das politische Karussell mit der Immobilienbranche?«, fragte sich das Leipziger Unternehmen Immocom, das laut Website seit 20 Jahren »Kommunikation und Netzwerken für die Immobilienwirtschaft« betreibt. Um die Frage zu beantworten, lud es Anfang März zum »Leipziger Immobiliengespräch« Vertreter und Vertreterinnen aus der Immobilienbranche in ein Hotel. Der Einladung folgten 200 Teilnehmende. Auf dem Podium fanden sich Vertreterinnen der Leipziger Stadtratsfraktionen. Am Rande kam es zu satirischem Protest. Zum Immobiliengespräch hatte der kreuzer keinen Zutritt – aber Zugang zu einem Protokoll der Veranstaltung.
Die Einladung zum »Leipziger Immobiliengespräch« der Immocom liest sich interessant: Leipzig wird Wachstum und wachsenden Bedarf an Wohnraum attestiert – »vor allem bezahlbaren«. Damit hätte Leipzig der regionalen und auswärtigen Immobilien-Communitiy viel zu bieten. Gleichwohl gäbe es auch politische Hemmnisse, die zum Thema des Immobiliengesprächs führen: »Wohin fährt das politische Karussell mit der Leipziger Wohnungs- und Immobilienwirtschaft? Welche Verbesserungen sind kurzfristig im gegenseitigen Verhältnis möglich? Und was kann das Bündnis für Wohnen bewirken? Einschätzungen und Perspektiven hierzu liefert das Leipziger Immobiliengespräch, dieses Mal besetzt mit namhaften Kommunalpolitikern.«
Vor dem Eingang des Tagungshotels formiert sich zum Einlass satirischer Protest: »Wir finden es beachtlich, dass sich Lokalpolitiker*innen hinter verschlossenen Türen mit der Immobilienwirtschaft treffen. Dem Treffen wollen wir mehr Aufmerksamkeit verschaffen«, sagt Nancy, eine der Demonstrierenden. Ein Banner mit der Schrift »Für einen profitorientierten Lobbyismus in der Wohnungspolitik«, Schilder mit Sprüchen wie »Stadt für Reiche. Arme raus« oder Rufe wie »Mehr Rendite mit der Miete« untermalten die Performance der als wohlhabend verkleideten Demonstrierenden.
Am Eingang erfuhren wir von der Immocom-Geschäftsführerin Ivette Wagner, dass es »sowas [wie Presseakkreditierungen] auch nicht gibt« – die Presse erhält für gewöhnlich keinen Zutritt zu den Immobliengesprächen. Wohin fuhr das politische Karussell nun an diesem Abend? Aus dem Protokoll zur Veranstaltung entnehmen wir:
Immocom-Geschäftsführer Michael Rücker erwähnt bei seinem Grußwort die Demonstrierenden: »Das sind Studenten, die vielleicht in fünf Jahren fertig sind mit studieren und dann eventuell etwas sinnvolles arbeiten« – Gelächter im Raum. Es gibt abfällige Bemerkungen über Franziska Riekewald (Die Linke), weil sie 15 Minuten verspätet kommt – ebenfalls Gelächter im Raum. Es folgen Grußworte von Christoph Schaal (Stadtwerke Leipzig) sowie Dr. Ingo Seidemann (BFW Landesverband Mitteldeutschland). Darauf folgt ein Input-Vortrag von Dr. Reiner Braun, Vorstand des Marktforschungsunternehmens empirica. Neben der Vorstellung von Statistiken entpuppt er sich als Vertreter der umstrittenen Filtering Down Theorie – bedeutet, man solle also hochpreisig bauen, damit dort Gutverdienende einziehen und deren Wohnungen für die niedrigeren Einkommensschichten frei werden.
Dem Protokoll zur anschließenden Diskussion entnehmen wir zusammenfassend, dass die Immobilienlobby schnellere Baugenehmigungsverfahren, weniger Regulierung des Marktes, mehr Ausweisungen von Bauland fordert. Ebenso sollte die Verwaltung schneller und effektiver arbeiten sowie der Branche keine Steine in den Weg legen – der Stadtrat solle dies möglich machen. Udo Bütow von der AfD und Frank Tornau von der CDU folgten dem Ansinnen inhaltlich. Dr. Tobias Peter von den Grünen versuchte zu beschwichtigen, »man müsse unvoreingenommen und gemeinsam Lösungen für Probleme finden«. Der Diskurs wird im Wesentlichen heftig von Franziska Riekewald (Linke) und Steffen Göpel (GRK Immobilien, ehemaliger Honorarkonsul der Republik Belarus für den Konsularbezirk in Sachsen) ausgetragen. Dr. Tobias Peter von den Grünen bleibt in der Defensive und hält sich bei der Diskussion raus. Heiko Osswald (SPD und Aufsichtsrat bei der LWB), sowie Ute Elisabeth Gabelmann (Freibeuter) kommen beide nur kurz zu Wort.
Ivette Wagner resümiert noch in der Nacht auf LinkedIn: »Immobilienwumms bei IMMOCOM: Regulierungswut, Verhinderung, der natürliche Feind namens Verwaltung, Interessenlagen zwischen Ökologie und bezahlbarem Wohnraum, angereichert mit Betriebswirtschaft und bissigen Kommentaren. Alle Stadtratsfraktionen im Panel, mit Reiner Braun von empirica regio GmbH, der Zahlen zum Wohnungsmarkt in #Leipzig präsentierte, mit Steffen Göpel von der GRK Gruppe. 200 Gäste folgten der Prioritäten-Diskussion um Kosten, Eidechsen, Laien-Politik – natürlich auch in Verbindung mit Ideologie – und Wörtern wie Grenzwertnutzen. Das Leipziger Immobiliengespräch: Es gibt auf jeden Fall noch eine Menge zu besprechen!”
Andreas Albrecht, Prokurist der Leipziger »Arcadia Invest« kommentierte darauf: »Klare Kante und ehrliche Worte vor allem in Richtung linksgrüner Wunschvorstellungen, die sich immer weiter von den Marktrealitäten und Marktbedürfnissen entfernen, danke dafür an Steffen Göpel.