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Stadtleben

»Ja, okay, nimm’s doch einfach hin«

Nachwuchsnationalspielerin Paula Schult über Rugby als vorurteilbehaftete Randsportart

  »Ja, okay, nimm’s doch einfach hin« | Nachwuchsnationalspielerin Paula Schult über Rugby als vorurteilbehaftete Randsportart

Paula Schult ist 18 Jahre alt und davon ganze 12 Mitglied im Rugby Club Leipzig. Seit 2021 spielt sie für den Nachwuchskader des Deutschen Rugby-Verbands in der Nationalmannschaft. Mit Schule, Training und Nebenjob ist Schult in der Woche ordentlich beschäftigt. Beim kreuzer-Gespräch an einem Samstag in der Innenstadt ist sie aber ganz entspannt.

Rugby ist in Deutschland eine Randsportart – viele Menschen kennen die Regeln nicht, wie kommt man mit sechs Jahren zum Rugbyspielen?

Mein Opa hat selbst gespielt und war damals in der Nationalmannschaft der DDR. Er war auch Trainer. Meine Mama war im Vorstand des Rugby Club Leipzig. Als sie meinen Stiefvater kennengelernt hat, haben die ganzen Stiefgeschwister auch bereits Rugby gespielt, und wir haben zusammen trainiert. Auch meine Cousine hat Rugby gespielt.

Erleben Sie Vorurteile, weil Sie Rugby spielen?

Ich würde es eher ein Unterschätzen nennen, oft höre ich: »Das ist doch ein Männersport, das ist doch voll hart«, und ich denke mir: »Ja, okay, nimm’s doch einfach hin«. Ich denke, für viele ist es einfach ungewohnt, dass auch Frauen den Sport gut machen können. Rugby härtet ab, vor allem, mit den Jungs zu trainieren. Du wirst als gleichwertig gesehen, die Mädchen müssen genauso viele Liegestütze machen wie die Jungs.

Viele Menschen, die mal ein Rugbyspiel gesehen haben, empfinden es als recht brutal und sagen, sie könnten sich nicht vorstellen, andere so anzugehen. Was entgegnen Sie?

Ich würde für Offenheit plädieren, dass man das erst mal zulässt und guckt, bevor man urteilt. Rugby kann sehr sauber, diszipliniert und auch verletzungsfrei ablaufen, wenn man sich an gewisse Regeln hält und Situationen einschätzen kann. Natürlich kann auch mal eine Verletzung passieren, wenn man falsch landet, aber je höher das Niveau ist und je mehr man Bescheid weiß, desto geringer ist das Risiko, dass man sich verletzt.

Waren Sie schon mal verletzt?

Ich hatte einen Meniskuseinriss am linken Knie, danach war ich für vier Monate raus. Aber ich konnte normal laufen. Das war bisher meine einzige Verletzung. Als ich danach wieder angefangen habe, hatte ich Angst, da habe ich lange auch nur für meinen Kopf mein Knie getapt, auch wenn ich es schon längst nicht mehr gebraucht hätte. Aber mir hat mal ein Freund geraten: »Du musst dir immer sagen: Nichts kann dir passieren, nichts kann dir wehtun.« Das hilft mir.

Paula Schult im Dress der Nationalmannschaft
Paula Schult im Dress der Nationalmannschaft

Sie gehen noch zur Schule und sind mit der Nationalmannschaft im Sommer immer wieder bei Turnieren. Wie geht das zusammen?

Meine Schule ist sehr offen und es gab dort auch oft schon Spieler, die mit anderen Sportarten in der Nationalmannschaft waren. Die haben teilweise auch Arbeiten schreiben lassen, als wir irgendwo im Flugzeug waren, das war kein Problem.

 

 

Wie sieht Ihr Alltag aus?

Ich versuche, mindestens acht- bis zehnmal in der Woche zu trainieren. Immer wenn ich früh frei habe, versuche ich die Zeit zu nutzen, um joggen zu gehen. Wenn ich um 9.20 Uhr Schule habe, stehe ich um 7 Uhr auf und gehe joggen oder mache ein Work-out und am Nachmittag gehe ich ins Gym. Oder andersrum. Ich treffe mich auch oft mit Freunden und mache mit denen zusammen Sport und wir quatschen. Mein Nebenjob ist zweitrangig, wenn Turniere wieder starten, dann werde ich auch nicht mehr arbeiten. Freunde, Familie, Schule und Sport, das ist das Wichtige.

Wollen Sie nach dem Schulabschluss im nächsten Jahr in Leipzig bleiben?

Eigentlich ja, der Verein bedeutet mir sehr, sehr viel. Ich glaube auch daran, dass man den Verein weiter aufbauen kann, dass wir irgendwann auf dem Niveau von Heidelberg sind, auch wenn das länger dauert. Ich finde, es bringt nichts, wenn die guten Spieler immer zu anderen Mannschaften weggehen.

Was sind die nächsten Ziele?

Für das Leipziger Team die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft zu erreichen. In der Nationalmannschaft versuche ich mich selbst zu steigern und zu schauen, wie weit ich komme. Nach dem Abitur möchte ich nach Südafrika gehen, dafür spare ich gerade Geld. Ich möchte mindestens ein halbes Jahr dorthin gehen, um dort zu spielen und die Kultur kennenzulernen.

… und was die Wünsche fürs Rugby allgemein?

Mehr Spieler und mehr Nachwuchs, dann kommt der Rest von alleine. Mehr Offenheit gegenüber dem Sport, dass Leute sich ausprobieren und auch ihre Kinder dorthin schicken und nicht sagen: »Okay, ich bringe die jetzt direkt zum Fußball«, sondern mal einer Randsportart die Chance geben.

INTERVIEW: NORA SCHUMANN

FOTO: PRIVAT

 


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