Vor rund 100 Jahren hat der Leipziger Hanns Eisler mit seiner Filmmusik die Welt verändert. Die Cinémathèque erinnert mit einer Filmreihe an seinen Einfluss. Den Auftakt macht am 5. April Slatan Dudows »Unser täglich Brot« von 1949. Ein formal brillanter Agitationsfilm in der Tradition Eisensteins, von Bertolt Brecht, Slatan Dudow und Ernst Ottwald gemeinsam geschrieben und von Hanns Eisler mit Musik versehen – in der Cinémathèque in der Nato live intoniert von Dirk Schmidt und Steffen Schleiermacher.
»Hanns Eisler – Filmmusiken mit Sinn, Kammerkonzert & Film: Unser täglich Brot«: 5.4., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato
Film der Woche: Mit Filmen über Filme oder die Filmbranche ist es oft so eine Sache: Die Prämisse klingt interessant bis witzig, in der Ausführung bleibt der Esprit aber auf der Strecke, es wird viel zu speziell oder alles zur Selbstbeweihräucherung. Aus Deutschland stammen ohnehin nur wenige Vertreter zum Thema, was es umso erfreulicher macht, dass Regisseurin Sophie Linnenbaum gleich mit ihrem Debütwerk einen der wohl originellsten, schönsten und besten Genre-Einträge überhaupt abgeliefert hat. Ihr »The Ordinaries« spielt dabei in einer fiktiven, streng hierarchisch strukturierten Welt, in der Filmcharaktere in drei verschiedene Klassen – Hauptfiguren, Nebenfiguren und Outtakes – hineingeboren werden. Einer davon ist die 16-jährige Paula Feinmann, die an der Hauptfigurenschule in Fächern wie »Panisches Schreien« und »Cliffhanging« unterrichtet wird. In der Königsdisziplin »Monolog mit emotionaler Musik« will es bei ihr aber nicht so recht klappen. Auf der Suche nach Inspiration möchte sie mehr über ihren verstorbenen Vater herausfinden, ein Vorhaben, das ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Linnenbaum nimmt ihre Grundidee und ihre Figuren ernst und schafft das Spagat-Kunststück, parallel zu einer dystopischen Gesellschaftsparabel eine einfühlsame und humorvolle Coming-of-Age-Geschichte zu erzählen, von der normalsterbliche Zuschauer ebenso abgeholt werden wie leidenschaftliche Cineasten. PETER HOCH
»The Ordinaries«: ab 30.3., Passage-Kinos
Christophe Honoré (»Sorry Angel«), derzeit einer der spannendsten (queeren) französischen Regisseure, hat im Alter von 15 Jahren seinen Vater verloren und das schon mehrfach filmisch thematisiert. So auch in seinem neuesten Film »Der Gymnasiast«, in dem der Vater (Honoré selbst in einem Kurzauftritt) von Lucas bei einem Autounfall ums Leben kommt. Um auf andere Gedanken zu kommen, soll der 17jährige nun einige Tage bei seinem älteren Bruder in Paris verbringen. Lucas war auch in seinem kleinen Dorf bereits geoutet und hatte einen Freund, doch erst in der Millionenmetropole kann er nun alle seine sexuellen Wünsche ausleben und damit den Schmerz betäuben, den er durch den Verlust des Vaters empfindet. Ähnlich wie François Ozon in »Sommer 85« macht auch Honoré hier von Anfang an keinen Hehl aus der eher tristen Grundstimmung seines Films und nimmt einige dramatische Ereignisse durch Off-Kommentare vorweg. Gleichwohl ist dem Filmemacher auch hier wieder ein aufrichtiger und nachvollziehbarer Film über eine schwule Selbstfindung geglückt. Der ideal gecastete, charmante Newcomer Paul Kircher erhält genügend Raum zur Entfaltung und scheut dabei auch vor erotisch inszenierten Sexszenen und jeder Menge nackter Haut nicht zurück. Ein sensibles und zärtlich-poetisches Familiendrama, das nach und nach die Verzweiflung des Protagonisten über den Verlust des Vaters deutlich macht. FRANK BRENNER
»Der Gymnasiast«: ab 29.3., Passage-Kinos
Weitere Filmtermine der Woche
Between Us
UKR 2021, R: Solomiia Tomashcuk, D: Anastasiya Pustovit, Irma Vitovskaya, Dmitriy Sova, 111 min
Partygirl Sasha wird von einem Unbekannten schwanger, was sie vor ihrem festen Freund geheim hält. In der Abtreibungsklinik begegnet sie der Ärztin Anya, die eigene familiäre Probleme hat, weil ihr Mann sie betrügt und ihr Sohn sich einer rechtsradikalen Partei angeschlossen hat. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine unerwartete Freundschaft.
Schaubühne Lindenfels, 31.03. 19:00 (3, Kultura UA)
Return to Dust
CHN 2022, R: Li Ruijun, D: Renlin Wu, Hai-Qing, 131 min
Das entbehrungsreiche Leben eines Bauernehepaars im Nordwesten Chinas. Behutsam erzählt und in starke Bilder gefasst, zeigt er die mitreißende Geschichte einer schwindenden Welt.
Cinémathèque in der Nato, 06.04. 19:00 (OmU)
Robin Hood Gardens
D 2022, Dok, R: Thomas Beyer, Adrian Dorschner, 90 min
Doku über den 2017 abgerissenen Sozialwohnungskomplex »Robin Hood Gardens« im Londoner East End.
Luru-Kino in der Spinnerei, 02.04. 15:00 (OmU)
Persepolis
F/USA 2007, R: Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud, 95 min
Von Heimweh geplagt, kann sich die in Teheran aufgewachsene Marjane am Pariser Flughafen nicht entscheiden, ob sie in den Iran zurückkehren soll. Sie blickt auf ihre Kindheit und Jugend zurück. Der Animationsfilm basiert auf dem gleichnamigen Comic von Marjane Satrapi.
Schaubühne Lindenfels, 30.03. 18:30 (OmU, Women. Life. Freedom)
Ein amerikanischer Held – Die Geschichte des Colin Kaepernick
CH 2020, Dok, 50 min
2016 geht der American-Football-Spieler Colin Kaepernick während der Nationalhymne auf die Knie. Ein Akt des Protests gegen rassistische Polizeigewalt. Sein Kniefall stürzt die USA in eine hitzige Debatte um Rassismus und nationale Identität und macht Kaepernick zur Ikone einer Protestbewegung.
Stadtbibliothek 30.03. 18:00
Die grüne Lüge
A 2017, Dok, R: Werner Boote, 94 min
Der Dokumentarfilm, deckt das sogenannte Greenwashing – die grüne Lüge – der Konzerne und der Politik auf.
Passage-Kinos, 30.03. 18:30 (Weitblick – Die unbequeme Filmreihe, mit anschließendem Gespräch)
Bloodsport
USA/HKG 1988, R: Newt Arnold, D: Jean-Claude Van Damme, Leah Ayres, Roy Chiao, 92 min
Mit diesem Film gelang Kampfsportstar Jean-Claude Van Damme vor 35 Jahren der Durchbruch als Actiondarsteller.
Cinestar, 31.03. 22:45
Aşk, Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod
D 2022, Dok, R: Cem Kaya, 102 min
Mit viel mitreißend geschnittenem Archivmaterial erzählt die Doku die weitgehend unbekannte Geschichte der Lebensrealität türkischer Einwanderer in Deutschland anhand der lebendigen Musikszene.
Cinémathèque in der Nato, 30.03. 21:30 (Internationale Wochen gegen Rassismus, OmU)
Anhell69
KOL/RUM/FRA 2022, Dok, R: Theo Montoya, 72 min
Junge queere Menschen aus Medellín kämpfen gegen ein repressives Umfeld. Ein Film über eine Welt ohne Zukunft, die Kraft der Gemeinschaft und die schmale Grenze zwischen Leben und Tod. Gewinnerfilm der Goldenen Taube im Internationalen Wettbewerb des Dok Leipzig.
Kinobar Prager Frühling, 31.03. 19:30 (Internationaler Tag für trans Sichtbarkeit, OmU)
Abschied und Ankunft
D 2021, Dok, R: Beate Kunath, 104 min
Rund 20 Jahre nach seinem Tod setzt sich der Dokumentarfilm von Beate Kunath mit dem Chemnitzer Autor Stefan Heym auseinander – mit dem Blick seiner Frau Inge Heym.
Budde-Haus, 02.04. 16:00 (Sonntagsfilm um 4)
Concerned Citizen
ISR 2022, R: Idan Haguel, D: Ariel Wolf, Shlomi Bertonov, 82 min
Ben und sein Freund Raz haben eine Wohnung in einem armen, migrantisch geprägten Viertel von Tel Aviv gekauft. Sie wollen adoptieren, sind sich aber nicht einig, ob die Gegend geeignet ist, um hier ein Kind großzuziehen.
Ost-Passage-Theater, 05.04. 20:00 (OmU)
Die Kairo-Verschwörung
SW/F/FIN/DK 2022, R: Tarik Saleh, D: Tawfeek Barhom, Fares Fares, Mohammad Bakri, 126 min
Adam, Sohn eines einfachen Fischers, erhält ein Stipendium für die renommierte Azhar-Universität in Kairo – das Epizentrum der Macht in der islamischen Welt. Als ein neuer geistlicher Führer gewählt werden soll, gerät er mitten hinein in ein gefährliches Machtspiel.
Passage-Kinos, 02.04. 16:00 (Ausblick)
Donbass
D/F/UKR 2018, Dok, R: Sergey Loznitsa, D: Valeriu Andriutã, Natalya Buzko, Evgeny Chistyakov, 110 min
Verschiedene Geschichten liefern einen ernüchternden Blick auf das Leben in der post-sowjetischen Ukraine.
Zeitgeschichtliches Forum, 03.04. 19:00 (Reihe »Die Ostukraine – Der Kampf um die Unabhängigkeit«)
Irgendwann werden wir uns alles erzählen
D 2023, R: Emily Atef, D: Marlene Burow, Felix Kramer, Cedric Eich, 133 min
Sommer 1990 in einem Dorf in Thüringen: Die 18-jährige Maria verbringt die Zeit auf dem Hof der Familie ihres Freundes Johannes und verliebt sich in einen alleinstehenden Bauern. Mitreißende Adaption des Romans der Leipzigerin Daniela Krien.
Passage-Kinos, 02.04. 11:30 (Premiere in Anwesenheit der Hauptdarsteller Marlene Burow und Felix Kramer)
Leipzig im Herbst
Die zwei ersten Filme des Leipzig-Zyklus von Andreas Voigt. Alfred, ein Leipziger Einsiedler, der aus seinem Leben erzählt, und die Ereignisse von »Leipzig im Herbst« 89.
Denkmalwerkstatt, 04.04. 18:00 (Kurzfilm und Archivfotos zum ehem. Filmkunsttheater Casino), 19:00 (Gespräch mit Angela Seidel und Sven Wörner), 20:00
Magie & Medizin: Die Geheimnisse des Papyrus Ebers
Der Papyrus Ebers ist mit seinen etwa 3.500 Jahren das älteste vollständig erhaltene Medizinhandbuch der Welt und wird von der Universitätsbibliothek Leipzig aufbewahrt, erschlossen und als Replik in der Bibliotheca Albertina sowie online präsentiert.
Bibliotheca Albertina, 05.04. 18:00
Skin
SYR 2015, Dok, R: Afraa Batous, 120 min
Vor dem Hintergrund der Syrienkrise seit 2011 überschneiden sich in dem Dokumentarfilm die Schicksale dreier Charaktere. Filmvorführung und Spendenveranstaltung für vom Erdbeben Betroffene in Syrien.
Ost-Passage-Theater, 01.04. 20:00 (OmU, Spendenveranstaltung für vom Erdbeben Betroffene in Syrien)
Shorts Attack: Arbeit und Ekstase
82 min
Das kann heiter werden: Auf einer Vernissage werden Menschen inszeniert, eine Hotline-Arbeiterin will die KI austricksen und eine Frau vom Land sucht mit Huhn Arbeit in der Stadt. Das und mehr in acht Filmen in 82 Minuten.
UT Connewitz, 07.04. 20:00
Terminator 2: Tag der Abrechnung
USA 1991, R: James Cameron, D: Arnold Schwarzenegger, Linda Hamilton, Edward Furlong, 137 min
Maschinenmensch Arni reist aus der Zukunft, um den jungen John Connor vor einer Killermaschine zu retten. Kult-SciFi in der restaurierten Wiederaufführung.
Cinestar, 04.04. 19:30 (Best of Cinema)
Cineplex, Regina-Palast, 04.04. 20:00 (Best of Cinema)
Olaf Jagger
D 2022, R: Heike Fink, D: Olaf Schubert, Franz-Jürgen Zigelski, Ursula-Rosamaria Gottert, 100 min
Olaf Schubert deckt eines der bestgehüteten Geheimnisse der DDR auf, das ausgerechnet etwas mit seiner Mutter zu tun hat: Kann es wirklich sein, dass Rocklegende Mick Jagger sein Vater ist?
Passage-Kinos, 03.04. 20:00 (in Anwesenheit Olaf Schuberts, Premiere)
Trainspotting – Neue Helden
GB 1996, R: Danny Boyle, D: Ewan McGregor, Ewen Bremner, Robert Carlyle, 94 min
Adaption des Kult-Klassikers der Drogenliteratur von Irvine Welsh.
Luru-Kino in der Spinnerei, 05.04. 19:00 (im Anschluss an »Rausch und Stigma«)
Unser täglich Brot
DDR 1949, R: Slatan Dudow, D: Paul Bildt, Siegmar Schneider, Harry Hindemith, 105 min
Die Geschichte der Arbeiterfamilie Bönicke, die durch Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigleit aus ihrer Wohnung vertrieben wird und in die Gartenkolonie »Kuhle Wampe« im Osten Berlins zieht. Ein formal brillanter Agitationsfilm in der Tradition Eisensteins, von Bertolt Brecht, Slatan Dudow und Ernst Ottwald gemeinsam geschrieben und von Hanns Eisler mit Musik versehen. Mit Einführung und musikalischer Darbietung – Hanns-Eisler-Reihe.
Cinémathèque in der Nato, 05.04. 19:30 (Hanns Eisler – Filmmusiken mit Sinn, Kammerkonzert & Film)
Wilde Maus
AU/D 2017, R: Josef Hader, D: Josef Hader, Pia Hierzegger, Georg Friedrich, 103 min
Bei seinem Regiedebüt sehen wir Josef Hader so, wie wir ihn kennen und lieben: als misanthropischen Loser mit sprödem Charme.
Passage-Kinos, 06.04. 20:30 (Filmland Österreich, Leipzig liest)
Titelfoto: Filmstill »The Ordinaries«, Copyright: Bandenfilm.