»Ich bin Karstadtdetektiv, ich bin Detektiv bei Karstadt.
Ihr könnt klau’n, was ihr wollt, ich werd niemand’n verrat’n.
Alles, was ich will, ist ein’ Freund«
– Team Scheisse, am 19.5. im (ausverkauften) Conne Island
Mit dem Alter wird man wunderlicher, ist einfach so. Ich zum Beispiel hatte diesen Winter das Gefühl, eine Edelstahlpfanne besitzen zu müssen, ohne die ich bisher prima leben konnte, nun aber nicht mehr leben wollte. Aber was wusste ich denn über Edelstahlpfannen? Klein und handlich sollte die Meine sein und – ganz wichtig – unbeschichtet, wegen Mikrodings und Gesundheit und so. Alles Weitere wollte ich keinesfalls »bequem« im Netz »recherchieren«, sondern in einer Beratung erfahren. Also – logisch – erst mal zu Herrn Rauch.
Der führte allerhand Pfannen, beschichtete und unbeschichtete, welche aus Emaille und welche aus Eisen, die für mich geeignetsten allerdings hatten alle einen Holzgriff, der uns Freundinnen und Freunden der Spülmaschine zwar gefällt, aber händischen Abwasch androht. Ich empfahl mich also und ging ins Kaufhaus. #19.jahrhundert
Wie jede anständige Leipzigerin und jeder anständige Leipziger fragte ich mich wie immer nach Betreten der Galeria, wie irgendjemand dereinst auf die absurde Idee gekommen sein konnte, ein Kaufhaus ohne riesigen Springbrunnen in der Mitte zu bauen – und fuhr ins Untergeschoss. Vorbei an den rabattierten Le-Creuset-Töpfen, für die ich noch nicht alt und wunderlich (alias reich) genug bin, verlor ich mich in einem Labyrinth aus Pfannenregalen. Doch da, eine Verkäuferin, wir nennen sie spaßeshalber Ariadne. Ob sie mir helfen könne. »Das wäre schön«, sagte ich.
Wir wechseln nun ins historische Präsenz, weil sonst der folgende, tagelang vorbereitete Wortwitz im Präteritum unterginge. Ariadne, die wir aus Respekt doch lieber Frau Ariadne nennen wollen, brät, nein: berät mich kundig und umfassend zum Thema Edelstahlpfannen. Wir landen am Ende bei drei Modellen, deren günstigstes halb so viel kostet wie das teuerste. Aber eigentlich genauso gut sei. Und im Grunde genommen würde ich mit der auch nichts verkehrt machen. Eine ordentliche Edelstahlpfanne könne man nämlich vererben, sagt Frau Ariadne, und ich finde, dass allein dieser Satz den Besuch hier wert ist. Den Satz, den ich schließlich sage, hört Frau Ariadne wie all ihre Kolleginnen und Kollegen im Einzelhandel hunderttausendfach im Leben: »Vielen Dank, ich muss mir das noch mal in Ruhe überlegen.« Ich glaube, in ihren Augen zu erkennen, dass sie enttäuscht ist, weil sie das Gefühl hatte, dass ich nicht zu denen gehöre, die sich im Kaufhaus beraten lassen und dann online bestellen.
Weil ich es unpassend gefunden hätte, die Pfannen vor Frau Ariadne zu fotografieren, stelle ich zu Hause die drei finalen Modelle mittels der Bilder auf der Website der Galeria zur Diskussion. Und siehe da: Wenn ich dort, also beim selben Unternehmen, dieselbe Pfanne bestelle, spare ich 15 Euro. Ich kann sie mir direkt nach Hause liefern lassen (und natürlich kostenlos zurückschicken) oder aber morgen in der Galeria-Filiale meiner Wahl abholen – was dazu führen würde, dass ich wirklich nicht nur die gleiche Pfanne, sondern sogar dieselbe bekäme, die mir Frau Ariadne vorgeführt hat. Ich bräuchte dafür nur ein Kundenkonto. #21.jahrhundert
Ich also am nächsten Tag wieder in die Innenstadt, vorbei am nicht existierenden Springbrunnen, hinab ins UG zu den Pfannen, zu meiner Pfanne. Von den drei offenbar gleichwertigen kaufe ich die schönste – es liegen ja ein paar gemeinsame Jahre vor uns. Sie liegt in der Hand wie eine Kelle von Herrn Mühlmann (s. S. 78) und brät Plinsen, über die sich der Pfannenerbe schon jetzt sehr freut.
Wenn Ihnen diese Parabel auf die Innenstadt zu konstruiert oder zu konsumorientiert erscheint, zu persönlich oder einfach zu banal, blättern Sie schnell auf S. 22 – Britt Schlehahn, Laura Naumann, Tobias Prüwer und Sophie Goldau schauen in unserer Titelgeschichte etwas genauer auf die Leipziger Innenstadt. Und auch das Interview des Monats – mit dem frisch pensionierten Kunstgeschichtsprof Frank Zöllner auf S. 32 – sowie unsere Kaufrausch-Rubrik auf S. 31 und die »Irgendwas mit Bier«-Kolumne (s. S. 30) drehen sich diesmal in Richtung Innenstadt. Intertextualität, ick hör dir trapsen!
Benjamin Heine