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Stadtleben

Die Filmreihe »Cinema Casino« begleitet die Entstehung des Einheitsdenkmals

Das Zeitgeschichtskino der Stiftung Friedliche Revolution soll einen Austauschraum öffnen

  Die Filmreihe »Cinema Casino« begleitet die Entstehung des Einheitsdenkmals | Das Zeitgeschichtskino der Stiftung Friedliche Revolution soll einen Austauschraum öffnen

»Ach, meine Grube Brigitta ist pleite,

Und die letzte Schicht lang schon verkauft,

Und mein Bagger, der stirbt in der Heide,

Und das Erdbeben hört endlich auf.« (Brigitta, 1992)

Als ich am Dienstagabend die Denkmal-Werkstatt in der Kupfergasse 2 betrete, erklingt gerade das Lied »Brigitta«, das 1992 auf dem Album »Einsame Spitze« von Gerhard Gundermann erschienen ist. Kurz vor 18 Uhr haben sich erst wenige Zuschauerinnen und Zuschauer auf den fünfzig Plätzen im Raum der Denkmal-Werkstatt eingefunden. Doch mit Filmstart ist der kleine Saal zur Hälfte gefüllt. Bereits von 1913 bis 1993 befand sich hier ein Teil des beliebten Filmkunsttheaters Casino, dass als Programmkino und Spielstätte der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche sein Publikum anlockte.  

30 Jahre später belebt die Stiftung Friedliche Revolution mit dem »Cinema Casino« die Tradition eines anspruchsvollen Kinos in der Kupfergasse wieder. »Wir sind Begleitprogramm zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal, welches auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig entstehen soll«, erklärt Regine Taureck, die Teil des kuratorischen Teams der Filmreihe »Cinema Casino« ist. Das Denkmal, dass an die Friedliche Revolution im Herbst 1989 und den Beitrag der Leipzigerinnen sowie Leipziger erinnern soll, wurde bereits 2008 durch den Bundestag in Auftrag gegeben. Nach einem ersten gescheitertem Verfahrensversuch 2014, beauftragte die Stadt Leipzig die gemeinnützige Stiftung Friedliche Revolution 2021 mit der neuen Umsetzung.

»Durch die Wiederbelebung des Casinos wollen wir mit den Leuten ins Gespräch kommen und einen Resonanzraum für das Freiheits- und Einheitsdenkmal öffnen – zum einen in die Vergangenheit – sprich, was hat zur friedlichen Revolution geführt und zum anderen in die Zukunft, was können wir bis heute mitnehmen«, sagt Taureck. In diesem Sinne setzt sich das Programm sowohl mit den politisch-sozialen Lebenswirklichkeiten der DDR als auch mit den Umbruchserfahrungen nach 1989 auseinander. Dabei behandeln die ausgewählten Filme, die jeweils am ersten und drittem Dienstag im Monat im Doppelpack gezeigt werden, Themen wie  Freiheit, Musik, Umwelt, Mode, Sexualität und Solidarität.

An diesem Abend wird vorerst der baggerfahrende Liedermacher Gerhard Gundermann aus der Lausitz zum Thema. »Gundi«, der ab Mitte der 1980er Jahre große Erfolge als Liedermacher in der DDR feierte, galt als Sprachrohr der Menschen im Lausitzer Braunkohlerevier. Im Film »Gundermann Revier« (2019, 84 min) von Regisseurin Grit Lemke wird nicht nur der gescheiterte Held, sondern auch das Lausitzer Revier zum Protagonisten. »Ich wollte keine Gundermann Biografie abdrehen. Der Dokumentarfilm, der aus alten Archivbildern und -bändern sowie Privataufnahmen entstanden ist, sollte ›Gundi‹ als Rebellen und Visionär zeigen«, resümiert Grit Lemke, die nach der Vorführung zum Gespräch in der Denkmal-Werkstatt vor Ort ist. 

Bei Snacks und Getränken, die gegen eine kleine Spende erworben werden können, hat das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Erfahrungen zu teilen und in den Dialog zu treten. »Die ersten beiden Veranstaltungen liefen sehr gut. Wir hatten jeweils alle 50 Plätze besetzt und insbesondere die ›Kehraus‹-Trilogie von Gerd Kroske, welche die prekären Lebenssituationen in der DDR und nach der Wende abbildet, hat spezifische Diskussionen angestoßen«, erinnert sich Taureck.

Nach dem Gespräch wird der zweite Film »Bettina« (2022, 107 min) gezeigt, der das Leben der Liedermacherin Bettina Wegner porträtiert und für den Grimme-Preis 2023 nominiert ist. Noch bis Ende des Jahres wird sich das Kinoprogramm der Denkmal-Werkstatt fortsetzen. »Bis Juni steht das Programm und aktuell stecken wir in der Planung des zweiten Quartals. Unser Förderzeitraum erstreckt sich darüber hinaus bis Ende 2024. Danach müssen wir dann schauen, wie es weitergeht«, sagt Regine Taureck.

> Am 16.05.2023 läuft »Gundermann Revier« und »Bettina« erneut in der Kupfergasse 2 – dann in umgekehrter Reihenfolge. Das weitere Filmprogramm des Cinema Casinos gibt es hier.

Der Eintritt ist frei.


Foto: Bundesarchiv, Bild 183-A0905-0091-011, Copyright Heinz Koch,  CC-BY-SA 3.0


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