Der Gerichtssaal des Bühnenschiedsgerichtes in Chemnitz ist am Montag voll besetzt. Klägerin Katharina Schmidt, solidarisierende Kollegen, ein Fernsehteam des RBBs und vier Zeugen, darunter Enrico Lübbe sind vor Ort, um den Fall der Schauspielerin zu begleiten. Diese verklagt das Schauspiel Leipzig, da ihr Arbeitsvertrag für die kommende Spielzeit nicht durch Intendant Enrico Lübbe verlängert wurde. Im Theaterbereich, in dem befristete Verträge für ein Jahr die Norm sind, kommt dies einer Kündigung gleich.
Da die Beweislage nach dem ersten Prozesstag am 13. März unzureichend war (Der kreuzer berichtete), wurden am gestrigen Nachmittag vier Zeugen, die jeweils beim Anhörungsgespräch von Katharina Schmidt anwesend waren, geladen und befragt. Die erste Zeugin, die in der Personalabteilung des Schauspiels Leipzig arbeitet, bestätigte dabei weitestgehend die Aussagen von Enrico Lübbe. Dieser erläuterte während der Verhandlung, dass er Frau Schmidt im Gespräch mitgeteilt habe, dass verschiedene Regieteams und Gastregisseure nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten wollen. »Ich habe ihr gesagt, dass ihr destruktives Probenverhalten und ihre schlechte Vorbereitung dazu führen, dass sie von Regieteams nicht mehr besetzt wird und ich nach sechs Jahren nicht mehr meine schützende Hand über sie halten kann«, erklärte Lübbe während seiner Zeugenbefragung. Die anwesenden Schauspielkollegen im Publikum reagierten mit empörten auf die angeführten Gründe des Intendanten.
Der zweite Zeuge, der am Leipziger Schauspiel als Bühnenhandwerker tätig ist und von Schmidt gebeten wurde als Unterstützer am Anhörungsgespräch mit Lübbe teilzunehmen, sprach von »unpräzisen«, »unkonkreten« und »allgemeinen« Gründen, die die Intendanz gegen Schmidt im Gespräch hervorgebracht hätte. An Aussagen, wie »könne ihren Text nicht« und »sei unpünktlich« konnte sich der Vorarbeiter nicht erinnern.
Trotz allem entschied das Gericht, nachdem es sich zur Beratung zurückgezogen hatte, dass die im Gespräch angeführten künstlerischen Gründe des Schauspiels Leipzig ausreichend wären, auch wenn sie teilweise auf die Meinungen Dritter zurückgehen, um die Nichtverlängerung auszusprechen. Katharina Schmidt und ihr Anwalt reagierten mit Unverständnis. »Es kommt überraschend und ist schwer nachzuvollziehen, warum dieser zweiter Verhandlungstag stattgefunden hat, wenn die Zeugenaussagen nun doch nicht ins Gewicht fallen. Es wurde im Vorhinein strittig gesehen, dass die Aussagen Dritter ausreichend für die subjektive Meinung des Intendanten sind«, erläuterte Schmidt nach dem Urteilsspruch. Einem Vergleich, der eine Abfindung in Höhe des halben Bruttogehalts je Beschäftigungsjahr sowie zehn garantierte Inszenierungen beinhaltet hätte, wollte die klagende Partei nicht zustimmen. »Während des Prozesses hat eine Diffamierung meiner Person stattgefunden. Mit einer Annahme des Vergleichs müssten wir diese Darstellung so stehen lassen«, so Schmidt. Bestärkt wird sie durch die Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen. Schauspielkollegin Anne Cathrin Buhtz sagt über den Prozess: »Ich kann nur meine Erfahrungen mit Katharina Schmidt teilen. Aufgrund deren ich auch hier stehe und mich gegen die Nichtverlängerungsentscheidung solidarisiere. Ich habe viel mit ihr geprobt und gespielt. Dabei habe ich sie als eine konstruktive Kollegin erlebt. Ich habe nicht erlebt, dass sie zu spät kam oder ihren Text nicht konnte.« Katharina Schmidt zeigt sich weiter kämpferisch und will gegen das Urteil vorgehen. Die nächste Instanz wäre dann das Bühnen-Oberschiedsgericht.
> Die Vorgeschichte zur Gerichtsverhandlung lesen Sie hier.
Foto: Rolf Arnold.