Vom Herbst ins Frühjahr gerückt, zeigen die Kurdischen Filmtage zum siebten Mal Filme über kurdische Lebenswelten. Dokumentar- und Spielfilme aus unterschiedlichen Teilen Kurdistans und auch aus der Diaspora. Die sechs Filme werfen dabei auch einen Blick auf kurdische Identität in der Schweiz, Österreich und Deutschland.
»7. Kurdische Filmtage«: 25.–27.5., Cineding
Film der Woche: Eigentlich wollte Ulrich Seidl die Geschichte der Brüder Richie und Ewald in einem Film erzählen. Aus »Böse Spiele« sind nun zwei Geschichten geworden, die ihren Ausgangspunkt im Heim haben, wo der demente Nazi-Vater vor sich hindämmert. Während wir allerdings in »Rimini« dem gescheiterten Schlagersänger Richie Bravo dabei zusahen, wie er in Italien von seiner Vergangenheit eingeholt wird, weicht der tragikomische Ton bei »Sparta« vollends der Seidlschen Tristesse. Wie Richie hat auch Ewald die Heimat verlassen und sucht in Rumänien sein Glück. Augenscheinlich hat er es in Aurica gefunden, doch während sie von der Heirat träumt, tobt Ewald lieber auf dem Bett mit ihren Cousins. Seine sexuelle Insuffizienz offenbart endgültig, das Ewald seine wahren Gefühle unterdrückt. Er verlässt Aurica und reist in die rumänische Provinz. Dort findet er ein leerstehendes Schulhaus und bietet Judotraining für Kinder an. Während die Kids froh sind, aus dem oftmals von Gewalt und Alkohol geprägten Elternhäusern auszubrechen, nutzt Ewald die Intimität, um seiner Neigung nachzugehen, ohne ihr jedoch vollends nachzugeben. Der moralische Grat auf dem Seidl hier wandelt, ist dünn. In der Folge gab es Vorwürfe im Magazin »Der Spiegel«, Kinder seien beim Dreh unangemessen behandelt worden, die der Regisseur und sein Team von sich wiesen. Aber auch abseits dessen ist »Sparta« ein ambivalenter Film, der Seidl-typisch dorthin geht, wo es weh tut, zumal Georg Friedrich den zwiespältigen Charakter schmerzhaft eindringlich verkörpert.
»Sparta«: ab 18.5., Passage-Kinos, Luru-Kino in der Spinnerei
Zehn Jahre lebt der Filmemacher Offer Avnon in Deutschland, bevor er in seine Heimat Haifa zurückkehrt. In diesem Jahrzehnt kann der Sohn eines polnischen Überlebenden der Shoah die Erlebnisse seines Vaters keinen einzigen Tag vergessen. Und so macht er sich auf die Suche nach versteckten Erinnerungen, sucht den Dialog, stellt Fragen, hört zu und beobachtet. In seinem Dokumentarfilm »Der Rhein fließt ins Mittelmeer« spricht Avnon mit Überlebenden und Angehörigen, mit Schuldbewussten, Gleichgültigen, mit feindlich und versöhnlich Gestimmten in Deutschland, Polen und Israel. In den fragmentarisch aneinandergereihten Dialogen ergründet der Film Verdrängungsmechanismen, Verständigungsversuche und bleibende Traumata. Welchen Dialog können Angehörige von Opfern und Tätern miteinander führen? Worum geht es bei der kollektiven Schuld? Wie weit soll sie gehen? Jede Antwort wirft weitere Fragen auf. Dazwischen sind Orte zu sehen, die die Geschichten dieser Zeit in ihre DNA eingeschrieben haben, ohne explizite Erinnerungsstätten wie Konzentrationslager oder Ghettos zu sein. Man sieht Aufnahmen von Bahnhofshallen, Gleisen, ein jüdischer Friedhof in Warschau in Form eines Waldes, verlassene Orte und immer wieder den stoisch vor sich hin fließenden Rhein. »Der Rhein fließt ins Mittelmeer« ist ein wichtiges Zeugnis einer verblassenden Zeit, doch die Suche nach den versteckten Erinnerungen abschließen, das kann er nicht. SARAH NÄGELE
»Der Rhein fließt ins Mittelmeer«: 19., 27., 29.–31.5., Cinémathèque in der Nato
Weitere Filmtermine der Woche
Meine Zeit wird kommen – Gustav Mahler in den Erinnerungen von Natalie Bauer-Lechner
AUT 2010, Dok, R: Beate Thalberg, 52 min
Als Studenten am Wiener Konservatorium lernten sich der österreichische Komponist, Dirigent und langjährige Hofopern-Direktor Gustav Mahler und die Bratschistin Natalie Bauer-Lechner kennen. Es entstand nicht nur eine geistige Freundschaft.
Gewandhaus, 18.05. 22:30 (Mahler Festival)
Gundermann Revier
D 2019, Dok, R: Grit Lemke, 97 min
Dokumentarfilm über den Liedermacher Gerhard Gundermann.
Luru-Kino in der Spinnerei, 18.05. 17:30 (Off-Europa, in Anwesenheit der Regisseurin)
Mi País Imaginario – Das Land meiner Träume
CL/F 2022, Dok, R: Patricio Guzmán, 83 min
Der Dokumentarfilmer Patricio Guzmán blickt auf die seit 2019 anhaltenden Proteste in Santiago de Chile.
Cineding, 18.05. 21:00 (OmU), 19.05. 21:00 (OmU), 20.05. 21:00 (OmU)
Passage-Kinos, 25.05. 18:45 (mit Gespräch und Gästen, Weitblick)
Shorts Attack: Cannes Shorts
Das Shorts Attack Kurzfilmprogramm präsentiert in diesem Monat eine Auswahl außergewöhnlicher Kurzfilme aus dem Cannes Wettbewerb 2022.
Kinobar Prager Frühling, 18.05. 21:00
Winter adé
DDR 1989, Dok, R: Helke Misselwitz, 116 min
Die Regisseurin verlässt noch einmal ihre Geburtsstadt Zwickau und den Ort ihrer Kindheit, um auf dieser Reise zu erfahren, wie andere gelebt haben, wie sie leben möchten. In der Bahn, am Arbeitsplatz oder zu Hause begegnet sie Frauen und Mädchen verschiedener Generationen, aus unterschiedlichen sozialen Schichten und lernt ihre Lebensgeschichten kennen.
Luru-Kino in der Spinnerei, 19.05. 17:30 (Off-Europa, mit Gespräch)
All that Jazz – Hinter dem Rampenlicht
USA 1979, R: Bob Fosse, D: Roy Scheider, Jessica Lange, Ann Reinking, 123 min
Ein erfolgreicher Broadwayregisseur und -choreograph erleidet einen Herzinfarkt. Während seiner Operation in einem Krankenhaus erträumt er sich eine neue Show, in der alle Frauen auftreten, die in seinem Leben von Bedeutung waren.
Schaubühne Lindenfels, 23.05. 20:45 (Musicalfilme, OmU)
West Side Story
USA 2021, R: Steven Spielberg, D: Rachel Zegler, Ansel Elgort, Ariana DeBose, 157 min
Modernes Update und klassische Inszenierung des Erfolgs-Musicals um Bandenkriege im New York der Fünfziger.
Schaubühne Lindenfels, 24.05. 18:30 (Musicalfilme)
Aşk, Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod
D 2022, Dok, R: Cem Kaya, 102 min
Mit viel mitreißend geschnittenem Archivmaterial erzählt die Doku die weitgehend unbekannte Geschichte der Lebensrealität türkischer Einwanderer in Deutschland anhand der lebendigen Musikszene.
Ost-Passage-Theater, 26.05. 20:00 (Soli-Event für Menschen mit Behinderung in der Türkei)
Atanarjuat: Die Legende vom schnellen Läufer
CAN 2001, R: Zacharias Kunuk, D: Natar Ungalaaq, Sylvia Ivalu, Peter-Henry Arnatsiaq, 172 min
Moderne Nacherzählung einer Inuit-Legende. Außergewöhnlicher, vielfach preisgekrönter Blick in eine schwindende Kultur.
Bibliotheca Albertina, 23.05. 20:00 (Native Cinema)
Blix not Bombs
CS/D/S 2023, Dok, R: Greta Stocklassa, 85 min
Die schwedische Dokumentarfilmerin Greta Stocklassa befragt den heute 94-jährigen ehemaligen Waffeninspekteur der UNO, den Diplomaten Hans Blix, über die Zukunft der Diplomatie in einer Dekade der Krise.
Luru-Kino in der Spinnerei, 21.05. 19:00 (OmU), 24.05. 19:00 (OmU)
But I’m A Cheerleader
USA 2002, R: Jamie Babbit, D: Michelle Williams, Bud Cort, Clea DuVall, 90 min
Die naive Megan wird in ein Umerziehungs-Camp geschickt, als ihre Eltern vermuten, sie könnte lesbisch sein. Reichlich überdrehte, grellbunte Parodie auf das Genre der Highschool-Filme.
Ost-Passage-Theater, 24.05. 20:00 (OmU)
Das perfekte Schwarz
D 2019, Dok, R: Tom Fröhlich, 78 min
Der Leipziger Tom Fröhlich porträtiert Menschen auf der Suche nach dem perfekten Schwarz.
Cinémathèque in der Nato, 25.05. 19:30 (mit Gespräch, OmeU)
Dok Day: Kino ohne Barrieren
Das DOK Leipzig lädt euch am 23. Mai, dem Deutschen Diversity-Tag, zu einem Perspektivwechsel ein: Schauen mit den Ohren und Hören mit den Augen.
Cinémathèque in der Nato, 23.05. 19:30 (mit Gespräch)
Sonne
AT 2022, R: Kurdwin Ayub, D: Melina Benli, Law Wallner, Maya Wopienka, 89 min
Yesmin, Bella und Nati beschließen spontan, ein Burka-Musikvideo aufzunehmen, und werden damit berühmt.
Cineding, 25.05. 19:00 (OmeU, Kurdische Filmtage)
Nachbarn
CH/F 2021, R: Mano Khalil, D: Serhed Khalil, Ismail Zagros, Jalal Altawil, 130 min
Sero ist ein Kind kurdischer Eltern und geht zu Beginn der 1980er in einem kleinen Dorf nahe der syrisch-türkischen Grenze in eine arabische Schule. Der zunehmende Nationalismus wirkt sich immer stärker auf sein Leben aus.
Cineding, 26.05. 19:00 (OmU, Kurdische Filmtage)
The Exam – Ezmûn
D/IRQ/QAT 2021, R: Shawkat Amin Korki, D: Avan Jamal, Vania Salar, Hussein Hassan Ali, 89 min
Rojin muss sich auf die Aufnahmeprüfung für die Universität vorbereiten. Für die junge Kurdin steht mehr als nur ein Studium auf dem Spiel, denn schafft sie es nicht an die Universität, wird ihr Vater sie gegen ihren Willen verheiraten.
Cineding, 25.05. 21:00 (OmeU, Kurdische Filmtage)
Dreams’ Gate
IRN/F/NOR 2023, Dok, R: Negin Ahmadi, 64 min
Die iranische Regisseurin reist in den umkämpften Norden Syriens, um dort kurdische Freiheitskämpferinnen aufzusuchen.
Cineding, 26.05. 21:30 (OmeU, Kurdische Filmtage)
Holy Bread
IRN 2020, Dok, R: Rahim Zabihi, 54 min
Der Regisseur begleitet kurdische Kolbars auf ihrem gefährlichen Weg über die iranische Grenze.
Cineding, 26.05. 21:30 (OmeU, Kurdische Filmtage)
Everywhere and Forever: Mahler’s Song of the Earth
USA 2015, Dok, R: Jason Starr, 86 min
Der Dokumentarfilm erforscht die biografischen, kulturellen und philosophischen Zusammenhänge, die zur Entstehung von »Das Lied von der Erde« führten.
Gewandhaus, 25.05. 22:30 (OmU)
Kurzfilmreihe Kultura: UA #5
Aktuelle ukrainische Festivalproduktionen in OmeU
Schaubühne Lindenfels, 26.05. 19:00
Nordlicht – Der Nordsee Film
D 2022, Dok, R: Constantin Löhrmann, 104 min
Der Regisseur und Kameramann Constantin Löhrmann zeigt die schleswig-holsteinische Küste und die Menschen, die in ihrem Rhythmus aus Wetter und Gezeiten leben.
Passage-Kinos, 21.05. 13:15 (FernBLICK)
Ramba Zamba
D 2023, Dok, R: Sobo Swobodnik
Das RambaZamba Theater in Berlin lebt Inklusion bereits seit 30 Jahren. Sobo Swobodnik begleitet die Menschen hinter den Kulissen über ein halbes Jahr hinweg mit der Kamera.
Kinobar Prager Frühling, 23.05. 17:00 (in Anwesenheit des Regisseurs)
Luru-Kino in der Spinnerei, 23.05. 19:00 (in Anwesenheit des Regisseurs)