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Stadtleben

Mit dabei sein, mit weinen

Ein Verein in Leipzig begleitet verwaiste Eltern und trauernde Geschwister

  Mit dabei sein, mit weinen | Ein Verein in Leipzig begleitet verwaiste Eltern und trauernde Geschwister

Was für viele von uns unvorstellbar oder einfach grauenhaft ist, ist für nicht wenige von uns Realität: der Verlust des eigenen Kindes. Der in Leipzig ansässige Verein Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland (VEID) versucht, Eltern und Angehörigen von verstorbenen Kindern Halt zu geben. »Trost ist wichtig. Aber nicht alle Eltern möchten Trost. Oft möchten sie einfach nur gehört werden«, sagt Maximiliane Schröder-Balle. Sie arbeitet als Sozialpädagogin für den Verein und leitet die 2021 ins Leben gerufene Familienberatungsstelle des VEID in Leipzig.

Aber wie kann man als Außenstehender betroffene Familien unterstützen? Man neige dazu, helfen zu wollen, sagt Schröder-Balle, die von Phrasen abrät wie: »Guck nach vorne« oder »Du hast ja noch das andere Kind«. Man müsse die Trauer der Eltern und Angehörigen aushalten. Mit dabei sein. Mit weinen. Den Namen des verstorbenen Kindes aussprechen. Es könne auch helfen, banale alltägliche Dinge zu übernehmen, zum Beispiel ein Essen zu kochen, gerade wenn der Alltag der Familie mit mehreren Kindern weiterlaufen muss. Es könne eine Hilfe sein, dass Betroffene aussprechen dürfen, was sie denken und fühlen, egal, was das ist, auch Neid und Wut. Es brauche insgesamt Zeit und Geduld. Gute, zuhörende Menschen, sehende Menschen – und unter Umständen zusätzlich therapeutische Arbeit.

Beim VEID können Betroffene kostenlos Einzel- oder Gruppenangebote in regelmäßigen Abständen besuchen. Da der Tod jedoch in sehr unterschiedlichen Formen kommt, sind die Gruppen entsprechend individuell gestaltet. So gibt es eine Sternenelterngruppe für Eltern, die ihre Kinder sehr früh – vor, während oder kurz nach der Geburt – verloren haben sowie einen unverbindlichen Sternenelterntreff für diejenigen, die vielleicht nur einen ersten Redebedarf haben. Zwei weitere Gruppen bilden jene für verwaiste Eltern von Kindern, die im Kindesalter gestorben sind und die, die bereits erwachsen waren. Auch gibt es eine spezielle Gruppe für Geschwisterkinder. »Geschwisterbeziehungen sind die längsten Beziehungen, die wir im Leben haben. Die Geschwister sind vielleicht in einem Alter, in dem sie den Tod noch nicht einordnen können. Und sie verlieren auch ein Stück ihre Eltern mit, weil diese wie sie selbst in einem Schockzustand sind«, erklärt Schröder-Balle. Auch Eltern mit unerfülltem Kinderwunsch sind in der Familienberatungsstelle willkommen – denn auch sie würden ja um einen Verlust trauern, so Schröder-Balle.

Bundesweit starben 2022 laut Destatis rund eine Million Kinder. Laut der Aktion Deutschland hilft hat sich jedoch die Kindersterblichkeit weltweit insgesamt, vor allem bei den Kindern unter fünf Jahren seit 1990 halbiert. Die Todesursachen sind dabei vielfältig: 82 Prozent durch Krankheiten, 6 Prozent durch Unfälle und 12 Prozent durch sonstige Ursachen wie beispielsweise Suizid. Die Zahl der Eltern verstorbener Kinder, die beim VEID Hilfe in Anspruch genommen haben, lagen im vergangenen Jahr bundesweit bei rund 100.000, in Leipzig bei einigen Hundert. Allerdings bedeute dies nicht, dass alle Gruppen ausgeschöpft seien: »Kapazitäten versuchen wir immer wieder zu schaffen. Unser größtes Potenzial sind unsere ausgebildeten Ehrenämtler, die Zeit und Gefühl einbringen«, sagt Schröder-Balle. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden vor Beginn ihrer Arbeit zu Trauerbegleitern ausgebildet. Erst nach vier Wochenendseminaren erhalten sie die Befähigung für ihre Arbeit. Der VEID arbeite in diesem Zusammenhang mit dem Institut Perimortal zusammen. Die Familienberatungsstelle des VEID wird zusätzlich finanziert durch die Aktion Mensch und ist zunächst bis 2026 bewilligt.

Wer selbst ein Kind verloren hat und/oder sich ehrenamtlich engagieren möchte, kann sich bei der Familienberatungsstelle des VEID am Roßplatz melden. Damit kann der Tod ein Stück enttabuisiert werden und gleichzeitig Hilfe für Angehörige und Betroffene geschaffen werden. 
 

> Familienberatungsstelle des VEID, Roßplatz 8A, 04103 Leipzig, Tel. 9 46 88 84, Ansprechpartnerin: Maximiliane Schröder-Balle, www.verwaiste-eltern-und-trauernde-geschwister-leipzig.de

> Unter anderem bietet auch das DRK Familienberatungen an: Holzhäuser Str. 120, 04229 Leipzig, Tel. 3 03 51 20, Ansprechpartnerinnen: Cornelia Weller, Nicole Rosentreter, Verena Klopp, Irina Tanger u. Magdalena Matthä-Kneise, www.drk-leipzig.de


Illustration: Chris Schneider und Emil (6)


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