anzeige
anzeige
Politik

Friedlich, aber mit Nachdruck

Die Demonstration »Grundrechte gelten auch in Leipzig« verlief ruhig

  Friedlich, aber mit Nachdruck | Die Demonstration »Grundrechte gelten auch in Leipzig« verlief ruhig

Nachdem am Wochenende alle Versammlungen mit Bezug zu Lina E. von der Stadt verboten oder nachträglich unterbunden worden waren, startete das Aktionsbündnis »Leipzig nimmt Platz« zum Montagabend einen neuen Versuch: Mit dem Titel »Grundrechte gelten auch in Leipzig« richtete sich die Demonstration explizit gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit und die polizeilichen Maßnahmen am vergangenen Wochenende. Die Polizei schätzte die Anzahl der Teilnehmenden auf maximal 1300, das Bündnis auf bis zu 3000 Menschen. Ausgangspunkt war der Alexis-Schuhmann-Platz in der Südvorstadt.

Ein warmer frühsommerlicher Montag neigt sich dem Ende, es ist 18:30 Uhr. Um die 100 jungen Menschen sitzen in kleinen Gruppen auf der Wiese des Alexis-Schuhmann-Platzes. Gegenüber des kleinen Parks, in dem vergangenen Samstagabend mehrere hundert Personen teilweise mehr als elf Stunden von der Polizei gekesselt worden waren. Am Montag ist die Stimmung friedlich. In den Gesichtern der Teilnehmenden zeigen sich Erschöpfung und Fassungslosigkeit. Hier und da werden Erfahrungen der letzten Tage ausgetauscht. »Dem einen wurde sogar in die Unterhose geleuchtet«, sagt ein Jugendlicher zu seinen Freunden. »Er musste stundenlang im Kessel warten.« Parallel kommen immer mehr Menschen von verschiedenen Seiten zum Platz. Die Polizei ist mit acht Einsatzfahrzeugen vor Ort.

»Sachsen hat gezeigt, dass man im Ernstfall darüber entscheidet, wer, wann und unter welchen Voraussetzungen demonstrieren darf. Eine Reihe von Grundrechten, auch von Betroffenen, wurden außer Kraft gesetzt.« sagt Irena Rudolph-Kokot zur Eröffnung. Redebeiträge von den Gruppen »Omas gegen Rechts« und »Eltern gegen Polizeigewalt« folgen. Es werden Spendenboxen für betroffene Demonstrantinnen der vergangenen Tage herumgereicht. Gegen sieben setzt sich der Demozug langsam in Bewegung. Friedlich, aber laut und mit Nachdruck skandieren die Teilnehmenden: »Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen« und »tout le monde déteste la police.« (französisch: Die ganze Welt hasst die Polizei)

Auf Höhe der Feinkost wird der Zug kurz angehalten, eine Person zündete Pyrotechnik. Die Moderation erinnert daraufhin noch einmal an die Auflagen und vor allem an das Vermummungsverbot. Kurze Zeit später filmt der rechte Videoblogger, bekannt als WeichreiteTV die Demonstration und sorgt damit für Ärger unter den Teilnehmenden. Laut der Polizei Sachsen griff daraufhin ein Teilnehmer den Blogger an und wurde von der Polizei festgehalten. Gegen ihn soll wegen versuchter Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt werden. Insgesamt seien sechs weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, zwei wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, die restlichen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Insgesamt verlief die Demonstration jedoch ruhig.

Bei einer Zwischenkundgebung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz, mit Beiträgen von der »offenen antifaschistischen Vernetzung« und der Initiative »copwatch«, sprach auch Stadtrat Jürgen Kasek (Grüne) über vergangenen Samstag: »Ich bin wütend. Es gab Absprachen. Bevor die Polizei eingegriffen hat, ist nichts passiert.« Kasek entschuldigte sich bei den gekesselten Personen und versprach, für Aufklärung zu sorgen. Die Demonstration endete schließlich ohne weitere Zwischenfälle auf dem Richard-Wagner-Platz gegen 21:45 Uhr.


Foto: Chiara Swenson.


Kommentieren


1 Kommentar(e)

ybacu 07.06.2023 | um 06:05 Uhr

Keine "maximale Deeskalationsstrategie" der Polizei (dem Maximum an Show of Force vom Sonnabend) und schon läuft alles entspannt ab....