Ein lauschiges Plätzchen zwischen Bäumen auf dem Hügel im Clara-Zetkin-Park trägt schon seit vielen Jahren die sanften Abdrücke der Reifen des feuerroten Spielmobils. Vor dem werden die passionierten Musiker und Cineasten auch in diesem Jahr wieder die Leinwand aufspannen, um Filme aus den Kindertagen des Kinos musikalisch zu begleiten. Im Juni schlägt Tobias Rank wieder seine Leinwand im Clara-Zetkin-Park auf und präsentiert Filme aus der Frühzeit des Kinos mit musikalischer Live-Begleitung. Im Anschluss tourt das Filmmobil dann durch den Norden bis nach Schweden, bevor der alte Magirus Deutz im September wieder in der Region Station macht.
»Stummfilmtage auf der Warze«: ab 13.06. täglich 21:30 Uhr, Clara-Zetkin-Park
Film der Woche: Heimat – Der Ort, wo man herkommt oder der, wo man Wurzeln geschlagen hat? Für Felice ist die Rückkehr nach Neapel verbunden mit einer Vielzahl an Erinnerungen. Wie ein warmer Regen der Nostalgie gehen sie auf ihn nieder, als er nach vierzig Jahren zum ersten Mal durch die Straßen seiner Kindheit im Viertel Rione Sanità streift. Er sucht seine Mutter auf, der er nur hin und wieder in einem Brief von seinem Leben in Kairo erzählt hatte. Warum er fortging, hat sie nie begriffen. Auch Mario Martones Film, der auf dem gleichnamigen Roman von Ermanno Rea basiert, macht lange ein Geheimnis daraus. In langen Einstellungen zur Musik von Tangerine Dream erkundet Felice die Stadt und seine Erinnerungen. als er sie mit seinem Freund Oreste unsicher machte. Der örtliche Priester Don Luigi gibt den Kindern heute eine Perspektive, die sie damals nicht hatten. Er holt die Heranwachsenden von den Straßen der Armut und entreißt sie den Fängen des »Malommo«, des bösen Mannes, der das Viertel regiert. Regisseur Martone lässt sich viel Zeit, diese Straßen zu erkunden. In den naturalistisch-kunstvollen Bildern von Paolo Carnera (»Suburra«) lernen wir jeden Winkel der Stadt kennen und ein Gefühl für das Leben der Menschen dort. Favino, ausdrucksstark verkörpert von Pierfrancesco Favino (»Il Traditore«), wird vom wortkargen Rückkehrer zu einer wohlgeformten Figur mit Vergangenheit und dem Drang nach Versöhnung. Oder ist es doch nur Nostalgie, die ihn antreibt?
»Nostalgia«: ab 8.6., Passage-Kinos
Wir befinden uns in der Zukunft. Die Welt ist trist. Nach einem radioaktiven Vorfall sind große Teile Skandinaviens unbewohnbar geworden, das Wasser ungenießbar. In der Folge sind die Tiere ausgestorben und die Menschen müssen sich das wenige Wasser aufteilen, das noch existiert. Man ist misstrauisch und lebt unter der harten Regentschaft eines gesichtslosen Militärs. Die Zuschauer kennen Ähnliches aus dem letzten »Mad Max«-Film. Doch während George Miller für seine dystopischen Visionen Millionen ausgeben kann, dürfte das Budget der finnischen Regisseurin Saara Saarela deutlich kleiner ausgefallen sein. Das tut »Memory of Water« jedoch keinen Abbruch. Die Sets, durch die sich seine Heldin Noria bewegt, sind mit großer Sorgfalt und viel Einfallsreichtum gestaltet. Dazu kommen der Soundtrack vom frisch gekürten Oscar-Gewinner Volker Bertelmann (»Im Westen nichts Neues«), der die düstere Atmosphäre des Films kongenial unterstreicht und ein beeindruckender Auftritt von Hauptdarstellerin Saga Sarkola. »Memory of Water« ist europäisches Science-Fiction Kino auf allerhöchstem Niveau. Aber nicht nur etwas für Genrefans. Denn bei allen futuristischen Elementen bleibt der Film stets dicht an seinen Figuren. Und stellt Fragen, die in Zeiten des Klimawandels drängender denn je sind: Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um? Und wie gehen wir miteinander um, wenn sie knapp werden? JOSEF BRAUN
»Memory of Water«: ab 8.6., Luru Kino in der Spinnerei
Theo und Xochitl sind im verschmutzten Long Beach, Kalifornien, im Schatten einer Ölraffinerie aufgewachsen. Als junge Frau spürt Theo die Folgen der anhaltenden Vergiftung körperlich: Die Diagnose lautet Krebs im Endstadium. Als Xochitls Mutter im Zuge einer Hitzewelle stirbt, wird beiden klar, dass Umweltschutz und Aufklärungsarbeit an ihre Grenzen stoßen. Sie wollen weiter gehen. Mit einer Gruppe militanter Umweltaktivistinnen und -aktivisten versammeln sie sich im Westen Texas, um einen Sabotageakt durchzuführen: Die Sprengung einer Öl-Pipeline. Wo verläuft die Grenze zwischen zivilem Widerstand und Terrorismus? Die Protagonisten reflektieren ihr Selbstbild in der Nacht vor der Aktion. Während sich einige Gruppenmitglieder als Gamechanger und Revolutionäre sehen, spricht Theo eine unangenehme Wahrheit aus: »Sie werden uns Terroristen nennen. Weil wir Terrorismus betreiben.« Die Handlung ist extrem und hat potenziell verheerende Folgen. Und doch sehen sich die Mitglieder in ihrer Lage zum Handeln gezwungen. Die Hintergrundgeschichten der Protagonistinnen und Protagonisten verwebt Daniel Goldhaber in seinem Öko-Thriller, der auf dem gleichnamigen Buch von Andreas Malm basiert, geschickt mit der Ausführung des Plans. Paranoide Filmmusik und wackelige Kameraführung begleiten den Sabotageakt, der an manchen Stellen fast wie eine Anleitung wirkt. Die Folgen der Aktion bleiben allerdings ein blinder Fleck in diesem hochaktuellen Film. SARAH NÄGELE
»How to blow up a Pipeline«: ab 13.6., Cinémathèque in der Nato
Weitere Filmtermine der Woche
Treppenkino Open Air
Handverlesene Filmcollagen, liebevoll von Schaubühnen-Mitarbeitern und -mitarbeiterinnen zusammengestellt.
Schaubühne Lindenfels, 08.06. 22:00, 14.06. 22:00
Eröffnung 2cl Sommerkino: Taxi zum Klo
D 1980, R: Frank Ripploh, D: Frank Ripploh, Bernd Broaderup, Gitte Lederer, 92 min
Regisseur Frank Ripploh schildert teilweise autobiografisch und mit sich selbst in der Hauptrolle das Leben des jungen Lehrers Frank und seines Partners Bernd im Berlin der frühen Achtziger.
Conne Island, 08.06. 21:00 (OmeU)
All The Beauty And The Bloodshed
USA 2022, Dok, R: Laura Poitras, 117 min
Gemeinsam mit der Künstlerin wirft Laura Poitras einen ungeschönten, intimen Blick in das Leben von Nan Goldin und begleitet ihren Kampf gegen das Pharmaunternehmen Sackler. Ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen in Venedig. Am Donnerstag mit einem anschließenden digitalen Live Q&A mit der Regisseurin Laura Poitras und der Protagonistin Nan Goldin.
Passage-Kinos, 08.06. 18:00 (mit digitaler Fragerunde im Anschluss)
Für die Vielen
AT 2022, Dok, R: Constantin Wulff, 120 min
Dokumentarfilm über die Arbeiterkammer Wien, eine Anlaufstelle für Menschen, die um ihren Job kämpfen.
Cineding, 09.06. 19:00 (mit Filmgespräch mit der FAU – Freie Arbeiter*innen-Union Leipzig)
All Inclusive
D 2023, Dok, R: Thorsten Ernst, Tobias Lickes, 93 min
Der Dokumentarfilm begleitet Sportlerinnen und Sportler aus Deutschland, Finnland, der Mongolei und Kenia, Menschen mit entweder geistiger oder körperlicher Behinderung. Sie alle träumen von einer Teilnahme an den Special Olympics World Games 2023 in Berlin.
Passage-Kinos, 08.06. 18:45 (mit Kameramann Gordon Volk)
Grand Budapest Hotel
USA 2013, R: Wes Anderson, D: Ralph Fiennes, Tony Revolori, Forrest Murray, 96 min
Die meisterhaft erzählte, abenteuerliche Geschichte von Gustave H., dem legendären Hotelconcierge eines berühmten europäischen Hotels, und seinem Protegé, dem Hotelpagen Zero Moustafa. Beide werden enge Freunde, als sie in den Streit um ein großes Familienvermögen und den Diebstahl eines wertvollen Renaissance-Gemäldes verwickelt werden. All das passiert zu einer Zeit, in der Kriege ausbrechen und Europa sich vollkommen verändert.
Passage-Kinos, 09.06. 20:30 (OmU), 11.06. 18:00 (Wes Anderson Retrospektive)
The French Dispatch
USA 2021, R: Wes Anderson, D: Timothée Chalamet, Léa Seydoux, Willem Dafoe, 103 min
Wes Anderson bietet erneut genau das, wofür wir ihn lieben: eine irrwitzige, hoffnungslos nostalgische Welt, bevölkert mit einem All-Star-Cast aus Timothée Chalamet, Léa Seydoux, Willem Dafoe, Adrien Brody, Tilda Swinton.
Passage-Kinos, 12.06. 20:30 (OmU, Wes Anderson Retrospektive)
Im Rausch der Tiefe
USA/F 1988, R: Luc Besson, D: Jean-Marc Barr, Jean Reno, Rosanna Arquette, 162 min
Ein faszinierender Abenteuer- und Taucherfilm mit kraftvollen Bildern und wundervollen Hauptdarstellern, hier und da hart an der Grenze zum Kitsch.
Passage-Kinos, 08.06. 20:30 (Best of Cinema, OmU), 11.06. 11:30 (Best of Cinema)
Tina
USA 2021, Dok, R: TJ Martin, Daniel Lindsay, 118 min
Doku über die am 24. Mai verstorbene Rocksängerin.
Passage-Kinos, 11.06. 11:30 (OmU)
Schauburg, 11.06. 17:00 (OmU)
Trenque Lauquen
ARG 2022, R: Laura Citarella, D: Laura Paredes, Juliana Muras, Ezequiel Pierri, 240 min
Das neue, vierstündige Werk des Filmkollektivs »El Pampero Cine« (»La Flor«) ist ein wild in sich selbst verschlungenes Mystery-Drama.
Luru-Kino in der Spinnerei, 10.06. 15:00 (OmU, Teil 1), 11.06. 15:00 (OmU, Teil 2)
Abenteuerland
D 2023, Dok, R: Kai Hattermann, 87 min
Doku über Christo Foerster, der in nur zwei Monaten eine Strecke von der Zugspitze bis nach Sylt zu Fuß und auf seinem Stand-up-Board zurücklegt.
Passage-Kinos, 15.06. 20:30 (FernBLICK, mit Gästen)
Crazy Thunder Road
J 1980, R: Sogo Ishii, D: Tatsuo Yamada, Hiroshi Kaiya, Koji Nanjō, 95 min
Als Gangleader Jin sich in eine Barkeeperin verliebt, lässt er seine Jungs im Stich. Das passt insbesondere seinem Kumpel Ken ganz und gar nicht. Japanischer Underground-Klassiker.
Cineding, 10.06. 21:15 (OmU, Zeitlos)
The North Drift – Plastik in Strömen
D 2022, Dok, R: Steffen Krones, 94 min
Eine deutsche Bierflasche, die auf einer unerreichbaren Insel der Lofoten angeschwemmt wird, regt die Neugier des Filmemachers Steffen Krones an. Wie weit reist Müll tatsächlich? Zusammen mit einem Team aus Wissenschaftlern entwickelt er eine GPS-Boje, die sie auf der Elbe aussetzen.
Kinobar Prager Frühling, 15.06. 18:30 (anschließend Expertengespräch, Leipziger Umwelttage, mit der Stadtreinigung Leipzig)
Vogelperspektiven
D 2022, Dok, R: Jörg Adolph, 106 min
Jörg Adolphs Dokumentarfilm setzt sich mit Schutzprogrammen für verschiedene Vogelarten auseinander und ruft ins Gedächtnis, dass etwas fehlt, wenn sie nicht mehr da sind.
Kinobar Prager Frühling, 12.06. 17:00 (Leipziger Umwelttage)
Weitermachen Sanssouci
D 2019, R: Max Linz, D: Sarah Ralfs, Sophie Rois, Philipp Hauß, 80 min
Experimentalfilmkomödie am Institut für Kybernetik der Berliner Universität.
Zeitgeschichtliches Forum, 15.06. 19:00 (mit Filmgespräch, Wissenschaftskino)
Waterman – The Life of Duke Kahanamoku
USA 2022, Dok, R: Isaac Halasima, 95 min
Der Hawaiianer Duke Kahanamoku war der Inbegriff des Aloha‐Spirits. Er begründete in den 1920ern den Beachboy‐Lifestyle an den Stränden Waikikis und brachte das Surfen nach Australien und Kalifornien.
Sommerkino auf der Feinkost, 15.06. 21:30 (OF, Surf Film Nacht)
Victoria
D 2015, R: Sebastian Schipper, D: Laia Costa, Frederick Lau, Franz Rogowski, 134 min
Eine atemlose Nacht in Berlin, gedreht in einem Take. Vielfach ausgezeichnetes Bravourstück des deutschen Kinos.
Sommerkino vor der Plagwitzer Markthalle, 16.06. 22:00 (OmU, Special Musik – Filme)
Foto: Filmstill aus »Nostalgia«. Copyright: MFA Filmverleih.