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Stadtleben

Bäume pflanzen statt Schuldenfalle?

Verfahren gegen Klimaaktivistin wegen DHL-Blockade gestartet

  Bäume pflanzen statt Schuldenfalle? | Verfahren gegen Klimaaktivistin wegen DHL-Blockade gestartet

Am Freitag fand vor dem Landgericht Halle das Verfahren gegen die Klimaaktivistin Lisa K. statt. Gemeinsam mit 53 anderen Aktivistinnen und Aktivisten hatte sie sich im Juli 2021 an einer Versammlung am DHL-Standort auf dem Leipziger Flughafen beteiligt. Auf ein Vergleichangebot des Konzerns ist sie nicht eingegangen.

Laut dem Unternehmen sei durch die kurzfristige Blockade einer seiner Zufahrtsstraße ein Schaden von einer halben Million Euro entstanden. Das Versandunternehmen forderte sie deshalb zu einem Schadensersatz in Höhe von rund 84 Tausend Euro auf. Ein Vergleichsangebot durch den Logistikkonzern lehnte die Beklagte ab.

Im Vorfeld des Prozesses hatte die Initiative »Repression nicht zustellbar« in Halle zu einer Solidaritätsdemonstration aufgerufen. Die Gruppe hat sich im Nachgang der Klageerhebung durch DHL gegründet, um die Beschuldigten in ihren Verfahren zu unterstützen. Sie warf dem Unternehmen vor, die Demonstrierenden einschüchtern zu wollen und forderte DHL dazu auf, die Klage fallen zu lassen. Während die Vorsitzende Richterin im vollen Gerichtssaal die Verhandlung eröffnete, versammelten sich rund 100 Menschen vor dem Landgericht Halle. Das Verfahren von Lisa K. ist das erste, ebenfalls angeklagt sind fünf weitere Aktivistinnen und Aktivisten.

Gleich zu Beginn wartete DHL mit einer Überraschung für die Öffentlichkeit auf, indem sie der Beklagten einen Vergleich anbot. Demnach könne Lisa K. statt der Zahlung des Schadensersatzes wahlweise 80 Stunden in einem Aufforstungsprojekt ableisten oder 1200 Euro an ein Naturschutzprojekt spenden. Zudem solle sie sich mit dem Vergleich dazu verpflichten, »zukünftig auf die Teilnahme an rechtswidrigen Blockaden« am DHL-Hub zu verzichten, wie der Anwalt des Konzerns, Thilo Korn von der Kanzlei »Korn & Letzas« erklärte.

Laut Korn gehe es bei dem Vergleichsangebot darum, eine Lösung zu finden, die alle der damaligen Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern umfasst. Nur so könne gewährleistet werden, dass derartige Blockaden nicht wieder vorkommen würden. In Bezug auf die angebotene Aufforstungsarbeit betonte Korn: »Uns liegen die Naturschutzprojekte am Herzen« und sorgt damit im Gerichtssaal für höhnisches Gelächter. Erst als Richterin Almut Ulmer zur Ordnung ruft, verstummt der Zuschauersaal wieder.

Die Kampagne »Repression nicht zustellbar« bewertet das Verständigungsangebot als ersten Erfolg, kritisiert aber, dass DHL mit dem Angebot versuche, sich als nachhaltiges Unternehmen darzustellen. »Das ist Greenwashing einer Klage«, kommentierte Sprecherin Luka Scott das Vergleichsangebot des Unternehmens. Aus Sicht der Initiative handelt es sich beim Vorgehen von DHL um Repression gegen legitimen Protest.

Bei der Blockade handelte es sich um eine Versammlung, die der sächsische Linke-Landtagsabgeordnete Marco Böhme angemeldet hatte. Sie wurde vor Ort bei den durch DHL herbeigerufenen Polizisten unter Auflagen angemeldet. »Wir durften nur auf der Zufahrt stehen. Die Ausfahrt sollte freigehalten werden und das haben wir auch gemacht«, sagt Böhme auf kreuzer-Anfrage. Das Vorgehen des Konzerns wertet er als Erfolg. »DHL ist eingeknickt und will jetzt nur noch Prozesskosten und Arbeitsstunden«, kommentiert er das Vergleichsangebot.

Die Beklagte Lisa K. wollte auf den Vergleich nicht eingehen, da es aus ihrer Sicht einem Schuldeingeständnis gleichkomme. Dem Verteidiger der Beklagten nach bestehe aber eine »grundsätzliche Vergleichsbereitschaft.«

Scheitert ein Vergleich, würde die Vorsitzende Richterin Ulmer im weiteren Verlauf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gegen das Recht auf Gewerbefreiheit abwägen. Am Freitag ließ sie anklingen, dass sie zugunsten der Gewerbefreiheit und somit zugunsten von DHL entscheiden würde. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hätten sich in ihren öffentlichen Stellungnahmen in erster Linie auf DHL fokussiert, weshalb es ihnen weniger um eine allgemeine Meinungskundgabe als vielmehr um die Blockade eines Unternehmens gegangen sei, erklärte die Richterin. In diesem Fall hätte das Grundrecht auf Gewerbefreiheit Vorrang.

Einigen sich die Verfahrensbeteiligten nicht, kommt der Fall am 11. August erneut vor das Landgericht in Halle. In Leipzig und Dresden sind weitere Klagen von DHL gegen die Klimaaktivistinnen und -aktivisten anhängig. Der Prozess am Amtsgericht Leipzig findet am 18. Juli statt.


Titelfoto: Tim Wagner


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1 Kommentar(e)

Micha 23.06.2023 | um 08:20 Uhr

Die 500k Schaden sollten durch die "Aktivisten" bezahlt werden.