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Editorial

Editorial 07/23

Das neue Heft ist da!

  Editorial 07/23 | Das neue Heft ist da!

»Zu viel Freizeit und Ameisen im Flur.

Zieh die Reißleine, nimm Zeit von meiner Uhr.

Gib mir Arbeit – Arbeit und Struktur.«

– Hotel Rimini, am 8.7. beim Pop-Fest in der Moritzbastei

 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen in der Angelegenheit geht, aber ich für meinen Teil kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich nicht Lina bin. Und dass ich zu vielen Wirs sehr gern nicht dazugehöre. Weswegen ich Verständnis habe für diejenigen, die sagen: Wir sind nicht Lina. Diese Gewalt, nein, die geht zu weit. Ich war am sogenannten Tag X auch nicht auf dem Alexis-Schumann-Platz. 

Wobei … Nein … Doch. Stimmt schon: Ich war nicht »auf dem«, sondern »am« Alexis-Schumann-Platz, und das nur ganz kurz. Es war auch nicht die allseits bekannte Demonstration gegen das Demonstrationsverbot, die mich zum Platz zog, sondern ein ausgekugelter Finger und ein Fahrradanhänger auf einer Geburtstagsparty, der ohne den Besitzer des Fingers und dessen Rad nach Hause in die Hardenbergstraße geschafft werden musste.

Auf dem Weg dahin sehe ich die Stadt vor lauter Polizeiautos nicht, komme aber doch ohne anhalten zu müssen bis zur Hardenberg-/Ecke Karl-Liebknecht-Straße durch. Dort dann: Fahrradanhänger in den Keller, kurzes Aufsaugen der Atmosphäre am Platz – gegen 17 Uhr normale Folklore mit absurd viel Polizei. Ich drehe ab und fahre zurück zum Geburtstagsgrillerchen – »Lebbe geht weiter« (Dragoslav Stepanović). Auf der sehr nahen, aber beinahe schon idyllisch ruhigen Kreuzung Hardenberg-/Ecke Kochstraße explodiert dann ein zwischen den Häusern nachhallendes Niesen aus mir heraus, wie es nur eine so richtige schöne Heuschnupfenattacke verursachen kann. Und was brüllt da einer der viel zu vielen Polizisten in seiner viel zu vielen Rüstung quer über die Kreuzung?

»GE! SUND! HEIT!«

Wir halten also fest: Immerhin in einer Situation hat die Polizei an diesem Tag richtig reagiert. Dass sie, das sächsische Innenministerium und die Verantwortlichen der Stadt Leipzig sich ansonsten rund um den Tag X nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, konnten Sie nahezu überall lesen, natürlich auch bei uns online. Brauchte es da jetzt noch eine kreuzer-Titelgeschichte zum Thema? Wir finden: Ja. Denn wenn Politik und Polizei auf so viele Menschen zeigen und dabei »Ihr seid Lina!« sagen, dann geht das mindestens all diejenigen unter uns an, die in irgendeiner Phase ihres Lebens mal den »Schundersong« oder »Schrei nach Liebe« in den Himmel geschrien haben. Und das haben »wir« hier doch alle, oder?

In diesem Sinn.


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