Das Filmfestival in der beschaulichen Bäderstadt Karlovy Vary ruft! Zwischen herrschaftlichen Kurbädern und kommunistischen Zweckbauten wurden schon Russel Crowe und Robin Wright gesichtet, die in diesem Jahr geehrt werden. Dazwischen aber auch allerlei Leinwände, auf denen die Highlights der vergangenen Filmfestvials und kommenden Kinosaison laufen. Wir dürfen uns außerdem auf Ewan McGregor und Alicia Vikander freuen, die dem Festival in den kommenden Tagen einen Besuch abstatten. Mit dem wundervollen Familiendrama »20.000 Arten von Bienen« läuft in dieser Woche zudem ein Festivalgewinner in den Leipziger Kinos an.
»57. Karlovy Vary International Film Festival«: 30.6.–8.7., Karlovy Vary (CZ)
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Film der Woche: Die Eltern versuchen es vor den Kindern zu verbergen, aber auch die ahnen bereits, dass es eine Veränderung geben wird. Als ihre Mutter Ane mit ihnen in ihre baskische Heimat reist, ist der Vater nicht dabei. Cocó fühlt sich von Anfang an fehl am Platz. Das liegt auch daran, dass alle sie Aitor nennen, ihr Geburtsname als Junge, der sich für die Achtjährige fremd anfühlt. Die Mutter hat wenig Verständnis dafür. Nur ihrer einfühlsamen Großtante, der Bienenzüchterin, kann sie ihr Geheimnis anvertrauen. Behutsam und feinfühlig schildert die im Baskenland geborenen Spanierin Estibaliz Urresola Solaguren diesen Sommer durch die Augen eines Kindes. Die Probleme der Mutter, die aus dem Schatten ihres Bildhauer-Vaters heraustreten und sich künstlerisch verwirklichen will, ihr Zwist mit der eigenen Mutter überlagern die Tage. Niemand hat wirklich ein Auge für die Identitätssuche von Cocó. Als es zum Familiendrama kommt, ist es vielleicht zu spät. Inmitten der Emotionen und der turbulenten Vorbereitungen für ein großes Tauffest entwickelt Regisseurin Solaguren ein fragiles Konstrukt einer Familie und hinterfragt geschickt Geschlechterrollen. Die junge Hauptdarstellerin Sofía Otero erhielt für ihr herausragendes Schauspieldebüt den Silbernen Bären der diesjährigen Berlinale, wo der Film auch mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
»20.000 Arten von Bienen«: ab 29.6., Passage-Kinos
Greta (Caroline Peters) ist eine notorisch lügende Sekretärin und nebenbei laut, spontan und unberechenbar. Alexander (Burghart Klaußner) ist ein pleitegehender Metzger, nebenbei Musikliebhaber und verkappter Intellektueller, der stets auf seine strikte Ordnung bedacht ist. An einer Bushaltestelle küsst sie ihn in den Nacken, völlig unvermittelt, einfach so. Eine Verwechslung. Oder steckt doch ein Plan dahinter? Auf alle Fälle ist es der Anfang einer elektrisierenden Liebesgeschichte, mit der beide noch fünf Minuten zuvor nicht gerechnet haben. Und so sehr sich Alexander auch sträuben mag – einer Naturgewalt wie Greta kann man sich nicht entziehen. Die unausweichliche Erkenntnis: Liebe ist immer eine Chance, mit der wir alle rechnen sollten. Nach dem Theaterstück »Heisenberg« von Simon Stephens inszeniert Lars Kraume (»Das schweigende Klassenzimmer«) eine redselige Liebesgeschichte. Die Chemie zwischen Caroline Peters (»„Der Vorname«) und Burghart Klaußner (»Die fetten Jahre sind vorbei«) ist durchaus vorhanden. Insbesondere die Figur Greta ist allerdings hochgradig anstrengend und die Dialoge entfachen kein rechtes Feuerwerk, dem man gerne bis zum Ende beiwohnen möchte.
»Die Unschärferelation der Liebe«: ab 29.6., Passage-Kinos, Schauburg
Foto: © Gariza Films, Inicia Films