Andreas Geißlers (SPD) Meinung zum geplanten Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle ist deutlich: »Ein Projekt, das bei näherer Betrachtung ziemlich aus der Zeit gefallen scheint.« Ganz nach seinem Geschmack ist daher wohl auch die Stellungnahme der Stadt, um deren Verabschiedung es gerade geht. Auf 15 Seiten hat die Stadt darin erneut ihre Einwände zum Flughafenausbau gegenüber der Landesdirektion dargelegt, die als Behörde des Innenministeriums die Planung der Bauvorhaben am Flughafen überwacht. Die Kritikpunkte: mangelhafter Naturschutz, zu starke Lärmbelastung.
»Es verwundert schon, wenn ein Flughafen aktuell die Parkpreise für die Bürger, die dort wegfliegen wollen, verdoppelt, die Landegebühren für DHL in der Nacht aber stabil hält oder absenkt«, sagt Geißler. Dass sich erst kürzlich ein Luxusmodeversand am Flughafen angesiedelt hat und nun damit wirbt, Handtaschen bis zum nächsten Tag europaweit auszuliefern, ärgert den SPD-Stadtrat: »Ich möchte keinen Nachtflug hinnehmen, der Menschen belastet, um Luxushandtaschen um die Welt zu fliegen.«
Auch für Bert Sander (Grüne) lässt die Stellungnahme an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. »Nur das Problem ist: Wir wiederholen seit 2021 unsere Einwendungen immer wieder aufs Neue. Allein es tut sich gar nichts.« Der Stadtrat müsse langsam über andere Konsequenzen nachdenken.
Unterdessen betont Frank Dosin (CDU) die Bedeutung des »Wirtschaftsphänomens« Flughafen. Wenn man die Stellungnahme der Stadt lese, »kommt man aber zum Schluss, dass die Mehrheit, für die wir ja stehen hier im Stadtrat, gar nicht so positiv eingestellt ist zum Flughafen.« Diese unterschwellige Botschaft halte die CDU für ein falsches Signal. Kritik sei zwar berechtigt, aber diese müsse auch konstruktiv sein. Ob denn einige Forderungen nur dazu da wären, den Flughafenbetreiber bloßzustellen, fragt Dosin. Etwa beim Lärmschutz seien einige Einwände unrealistisch, Flottenmodernisierungen trügen bereits zur Kompromissbildung bei. »Wir brauchen diesen Flughafen weiterhin als Wirtschaftsfaktor, für uns als Stadt, für unsere Steuereinnahmen und für die Finanzierung unseres kommunalen Haushalts.«
»Der Kollege Dosin klang wie mein Oberbürgermeister«, sagt Geißler, als er nochmal ans Pult tritt. »Ehe die Mythenbildung einsetzt: Also DHL zahlt keine Steuern nach Leipzig.« Es stimme, dass der Flughafen ein Segen gewesen sei – bis zu einem gewissen Punkt, der sei aber bald überschritten. »Und wenn die nachts ein paar Flugzeuge austauschen, aber nach wie vor mit IL62 und Antonov 124 in der Nacht-Kernzeit fliegen, fliegen die Menschen aus dem Bett.«
So ganz verstehen kann Sven Morlok (Freibeuter) die Aufregung nicht. »Wir sollten uns einfach mal auf die Rolle beschränken, die wir hier haben. Wir tun eine Meinung kund und mehr auch nicht.« Würde diese von der Landesdirektion abgeschmettert, »dann müssen wir halt klagen!«, sagt Morlok. Sander pflichtet dem bei.
Oberbürgermeister Burkhard Jung mimt den Spielverderber: »Nicht, dass Legenden entstehen. Meines Wissens hat die Stadt Leipzig kein Klagerecht, nur der betroffene Bürger oder Verbände.« Kurzer Blick zur Bank seiner Bürgermeister. »Ist das richtig, Kollegen?« Zustimmendes Kopfnicken. Ohne die Stimmen der CDU und zweier Freibeuter-Stadträte wird die Stellungnahme verabschiedet.
Illustration: Stefan Ibrahim