»Euer Auto kommt mir verdächtig vor, so sauber.« Leicht irritiert wirkte der Mann am Einlass, als er bei der Fahrzeugkontrolle kein Glas fand, einen Grill auch nicht. »Bei der Trockenheit eh eine Scheißidee.« Ziemlich vernünftig zeigten sich die meisten Gäste auf dem In-Flammen-Open-Air am Wochenende in Torgau. Aber man kackt sich ja auch nicht in den eigenen Vorgarten. So hatte man wenig mit Müll und vor allem mit drückender Hitze zu kämpfen, während Geballer auf Geballer folgte im Torgauer Entenfang, quasi Leipzigs Metal-Festival vor der Haustür.
Bei hervorragender Stimmung zogen knapp 1.000 Metal-Fans vor die zwei Bühnen und erlebten, wie abwechslungsreich die extremen Spielarten des Genres sind. Oder auch nicht. So müssen sich Gorleben fragen, was genau das Keyboard sollte, das sich so gar nicht zu ihrem sonstigen Death-Metal-Groove passten, luden sie doch eigentlich nicht zum Endlagern, sondern zum Mitswingen ein. Über die wirklichen Unfälle hüllen wir das Tuch des Schweigens, wollen nur ein paar loben.
Boötes Void, benannt nach einem Haufen schwarzer Materie, lieferten hübsch depressiven Black Metal. Hübsch dumpf klickten die Snare-Drums, ab und an wurde es gar poppig, bevor sich der Sound wieder mit Garstigkeit in den Weiten des Alls verlor. Einen überraschend kompakten Auftritt erlebten wir hier. Incantation stehe nicht für Abwechslung – und das seit mehr als 30 Jahren. Tightes Schlagzeug-Getrommel hielt den Death-Metal-Sound zusammen. Niemand wurde überrascht, aber wer solide Stücke für ein Nacken-Work-out suchte, war hier goldrichtig. Das trifft auch auf Unleashed zu, an denen man sich über die Jahre eigentlich satt gesehen hat. Auf der kleinen Waldbühne gelang ihnen dann aber der Coup, auch den Skeptiker mitzureißen. War man erst einmal direkt mittendrin, entwickelten die Death-Metal-Veteranen einen begeisternden Sog. »The longships are coming«!
In die Mittagssonne des Samstages hinein ballerten Snet los. Ihre Songs der Marke Brutal-Death waren schnörkellos, dem zwischen sympathischer Mine und manischer Fratze changierenden Sänger dabei zuzusehen, wie er den Auftritt feiert und das Publikum aufpeitscht, war eine Freude. Possessed beeindruckten vor allem durch ihr Gitarrenspiel. Das hatte Druck, aber auch verspielte Varianz, und immer wieder kam bei der Ur-Alt-Death-Metal-Band Überraschendes zum Vorschein. Beeindruckend war der präsentierte Zusammenhalt der Gruppe. Wenn der Sänger aufgrund seiner Querschnittslähmung stimmlich zum Teil zu leise und kraftlos war, legten sich die Gitarristen besonders ins Zeug. Feinsten Thrash-Black jagten die Leipziger von Bitch Hammer ins Publikum, das sichtbar auch aus ein paar mitgereisten Fans bestand. So wurde ab Sekunde eins der Bereich vor der Bühne zur Fläche für Ausflippen.
Gleich zweimal mischte die Freiwillige Feuerwehr Torgau das Publikum auf. Als am Samstag der Temperatur-Zenit am Nachmittag bei 37 Grad erreicht war, fuhr sie mit einem Löschzug auf und erfrischte die Menge mit zwei Wasserduschen. Das war ein fetter Einsatz. Und als Sonntagmittag die meisten Fans schon abgereist war, konnte man kaum mehr erahnen, das auf dem Gelände nur Stunden zuvor noch akustisches Sodom und Gomorrha geherrscht hatten. Und bald danach konnten schon wieder die Pferde hier hoppeln und koppeln.