Alina und Jessica Schlegel sind 17 Jahre alt, Zwillinge und turnen mit dem Turn- und Gymnastikclub (TuG Leipzig) in der ersten Bundesliga. Auf dem Schwebebalken gewann Jessica dieses Jahr ihren ersten internationalen Wettkampf. Wir treffen beide nach dem Training in der Turnhalle in der Leplaystraße. Ein Gespräch über Leistungsdruck, Trainingsroutine und Reiten als Ausgleichssport.
Wie kamt ihr zum Turnen?
JESSICA SCHLEGEL: Durch unsere Mama. Sie hat früher auch geturnt, aber nicht ganz auf dem Leistungsniveau.
ALINA SCHLEGEL: Bevor wir geboren wurden, war sie schon Trainerin hier. Da sind wir direkt mit.
Ihr habt mit dreieinhalb Jahren angefangen zu turnen. Welchen Platz nimmt das Turnen in eurem Leben ein?
ALINA: Ich glaube, mit dreieinhalb oder vier Jahren kann man nicht wirklich vom Turnen reden, sondern eher von Kinderbespaßung. Es wird erst wirklich hart, wenn man älter wird: Turnen ist eine Sportart, die relativ früh schon sehr viele Stunden pro Woche einnimmt. Das Schwierigste daran ist das Durchhaltevermögen. Viele Turner sind im Kindesalter sehr gut, schaffen es aber aus verschiedenen Gründen nicht in die Meisterklasse (Altersklasse ab 16 Jahren, Anm. d. Red.). Wenn man diese Zeit im Teenageralter durchhält und auch den hohen Trainingsumfang bewältigen kann, ist man durchaus auf einem guten nationalen oder internationalen Niveau, auch wenn man vielleicht mit nicht so viel Talent gesegnet ist.
JESSICA: Wir trainieren ungefähr 25 Stunden in der Woche. Aber wir können das, finde ich, gut mit unserem Privatleben verbinden. Wir haben auch einen Ausgleichssport: Wir gehen regelmäßig reiten, ein oder zwei Mal pro Woche.
Ist das ein richtiger Ausgleich?
ALINA: Ich finde, es ist etwas komplett anderes. Da hast du mit Tieren zu tun, hier mit Geräten. Dort ist es nicht so, dass wir die Leistungssportler sind, die den hohen Druck und das hohe Niveau haben, sondern sind wie jeder andere Reitschüler. Das ist ein guter Ausgleich und man kann mal abschalten. Am Wochenende gehen wir oft springreiten, in der Woche Dressur. Und wir haben beide noch einen Freund, wo wir ziemlich gut abschalten können. Wir haben auch einen Hund, mit dem wir gern einen Spaziergang mit der Familie machen.
Wie sieht eure Trainingsroutine aus?
JESSICA: Wir sind jeden Tag früh in der Halle. Dadurch, dass wir am Sportgymnasium sind, haben wir eine Streckung, wir machen die Neunte und Zehnte in drei Jahren statt in zwei. So haben wir mehr Zeit für den Sport. Dann haben wir nachmittags am Montag, Mittwoch und Freitag Training, am Donnerstag gehen wir reiten. Und samstags noch frühmorgens eine Einheit.
ALINA: Bei uns fängt es eigentlich immer mit einer Erwärmung an. Dann gehen wir meistens an Athletikstationen oder haben einen bestimmten Kraftkreis, den wir in der Woche machen. Dann sind wir auch noch zwei Mal in der Woche im Kraftraum. Wenn wir das ungefähr eineinhalb Stunden gemacht haben, gehen wir an das Gerätetraining. Da ist meistens jede halbe Stunde Wechsel. Wenn man eine Stunde am Barren ist, dann ist das ab vierzig Minuten nicht mehr effektiv.
Alina, du bist Kapitänin eures Teams. Ist Turnen ein Teamsport?
ALINA: An sich ist es eine Einzelsportleistung und nur für die Bundesliga oder den Deutschlandpokal – den hat bei uns die Jugend noch – ein Teamwettkampf. Ich muss auch sagen: Bei uns im Verein kann man es wirklich Teamsport in der Bundesliga nennen. Es gibt andere Teams, da haben sie eine eingekaufte ausländische Gastturnerin drin, um Punkte zu machen. Dann kann man sich aber natürlich nicht so gut unterstützen, wie wenn man schon zehn Jahre zusammen trainiert.
Bei euch kommt einiges zusammen, das Druck erzeugen könnte: der Leistungssport an sich, eure Geschwisterkonstellation, die Mutter als Trainerin.
ALINA: Von der Geschwisterbeziehung her gibt es gar keinen Druck. Wir unterstützen uns ziemlich gut. Es gab bestimmt auch mal andere Zeiten, da war das Konkurrenzdenken stärker. Was die Mutter-Tochter-
Beziehung angeht: Da ist schon viel Erwartungshaltung dabei, besonders wenn man zwischen Mutter und Trainerin unterscheiden muss. Das versuchen wir zu trennen und die Komplikationen nicht mit nach Hause zu nehmen. Der Druck ist bei Jessi momentan definitiv mehr vorhanden, dadurch, dass sie in der Nationalmannschaft ist.
JESSICA: Dadurch, dass ich das jetzt auch bei dem internationalen Wettkampf einmal bewiesen habe, ist mehr Druck, ein bisschen mehr Erwartung da.
Foto: Christiane Gundlach