Die Filmkunstmesse entfacht im September wieder die Lust aufs Kino: Mit 80 Spiel- und Dokumentarfilmen, Beiträgen aus Cannes und Venedig, großen deutschen Produktionen und neuen Entdeckungen blickt der Branchentreff auf die kommende Kinosaison. Dort warten u.a. neue Filme von Ken Loach, Catherine Breillat, Stephen Frears, Alexander Payne, Yorgos Lanthimos, Hirokazu Kore-eda und Martin Scorseses neues Meisterwerk »Killers of the Flower Moon«.
»23. Filmkunstmesse«: 18.–22.9., Passage-Kinos, Schauburg
Film der Woche: Durch das Kino von Aki Kaurismäki (»Der Mann ohne Vergangenheit«) lernten wir Finnland kennen als einen dunklen Ort mit depressiven Menschen, die viel Alkohol konsumieren. Die Männer sind schweigsam und verbergen ihre Gefühle, wodrunter wiederum die Frauen zu leiden haben. Und doch haben wir Finnland durch die Filme von Aki Kaurismäki lieben gelernt. Denn tief unter der Traurigkeit liegt ein wundervoller lakonischer Witz und ein großer Sinn für Romantik. Sechs Jahre mussten wir auf neue Geschichten aus dem hohen Norden warten und das Warten hat sich gelohnt. »Fallende Blätter« ist einhundert Prozent Kaurismäki mit schrägen Figuren, trockenem Humor, viel Alkohol und Liebe. Die verhinderte Beziehung zwischen dem Stahlarbeiter Holappa und der Supermarkt-Angestellten Ansa muss viele Hürden nehmen, bevor sie endlich erblühen kann. Der Tagelöhner verbringt die Zeit nach Dienstschluss im Schlagabtausch mit seinem Kumpel Huotari und viel Alkohol. Als er in einer Karaokebar auf Ansa trifft, fällt es ihm schwer, die Fassade der Coolness zu bewahren. Er verlässt das Lokal mit ihrer Nummer, doch die hat er schnell verloren und es braucht einige Wendungen des Schicksals, bis die beiden Liebenden wieder voreinander stehen. Im Vorbeifilmen verneigt sich der Regisseur vor seinen Idolen, zollt der Nouvelle Vague Tribut und versieht seine Liebesgeschichte mit wundervollen Gesangseinlagen. Für so viel Wille zur Virtuosität gab es den Großen Preis der Jury in Cannes.
»Fallende Blätter«: ab 14.9., Passage-Kinos, Kinobar Prager Frühling
Sie sind Politikerinnen, sie sind Frauen, Mütter, und sie sind Ostdeutsche. Eine Kombination, die im Bundestag immer noch selten ist, und gleich mit einer ganzen Reihe an Vorurteilen behaftet ist. In ihrem neuen Dokumentarfilm begleitet Regisseurin Sabine Michel (»Zonenmädchen«, »Montags in Dresden«) vier Frauen, die an unterschiedlichen Punkten ihrer politischen Karriere stehen: Yvonne Magwas (CDU), Anke Domscheit-Berg (Die Linke), Frauke Petry (ehemals AfD) und Manuela Schwesig (SPD). Mit Vorurteilen haben alle der vier Frauen zu kämpfen, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, nur die Antworten, die sie darauf finden, unterscheiden sich stark. Sabine Michel fragt nach, begleitet die Frauen in ihrem Alltag und zu offiziellen Terminen. Angenehm offen erzählen die Politikerinnen der Regisseurin von ihren Erfahrungen: Von der Suche nach der eigenen Rolle in ihrer Partei, der Verantwortung gegenüber der eigenen Familie, von #metoo und dem Aufwachsen in der DDR. Sabine Michel lässt ihren Protagonistinnen viel Raum zur Reflektion des eigenen Werdegangs, der dankend angenommen wird. Deutlich wird: Es ist noch viel zu tun, wenn man Frauen vorwirft, als Mutter in die Politik gegangen zu sein, statt zu schauen, wie man junge Familien in dieser Situation unterstützen kann. So ist die Landschaft, in der sich die Frauen bewegen, kaum als »blühend« zu bezeichnen, es bleibt ein steiniger Weg. HANNE BIERMANN
»Frauen in Landschaften«: ab 14.9., Passage-Kinos, Kinobar Prager Frühling, am 14.9. in Anwesenheit von Regisseurin Sabine Michel, Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (DIE LINKE) und Kameramann Uwe Mann in den Passage-Kinos, am 17.9. in Anwesenheit der Regisseurin in der Kinobar Prager Frühling
Weitere Filmtermine der Woche
Gegenkino
Das Gegenkino bringt wieder Abseitiges auf die Leinwände der Stadt und bietet zahlreiche Möglichkeiten Neues zu entdecken.
7.–17.9., u.a. Luru-Kino in der Spinnerei, Schaubühne Lindenfels, UT Connewitz
gegenkino.de
23. Filmkunstmesse
Ein Ausblick auf den Kinoherbst.
18.–22.9., Passage-Kinos
Bikes for the World
R: Diverse
Die Kurzfilmrolle zeigt, was Fahrräder auf der ganzen Welt bewegen können.
ADFC Leipzig, 18.09. 19:00 (Eintritt frei)
Close
B/F/NL 2022, R: Lukas Dhont, D: Eden Dambrine, Gustav De Waele, Émilie Dequenne, 105 min
Mit Präzision und Verständnis für die Fragilität des Lebens an der Schwelle zum Erwachsenwerden erzählt das Drama die Geschichte einer innigen Kindheitsfreundschaft.
Ost-Passage-Theater, 20.09. 20:00 (OmU)
Der Raub der grauen Zellen
ARG 2023, Dok, R: Gaby Weber, 41 min
Die Regisseurin Gaby Weber macht sich Gedanken über den sogenannten Brain Drain. Anhand von Argentinien zeigt sie darin, wie sich die deutsche Anwerbung von Fachkräften auf das Land auswirkt.
Clara-Zetkin-Park, 14.09. 20:00 (anschl. Gespräch mit Gästen, Globale)
Der Teufelskreis
DDR 1956, R: Carl Balhaus, D: Jochen Brockmann, Kurt Steingraf, Erika Dunkelmann, 103 min
Der Film zeigt, wie bereits kurz nach der Machtergreifung Hitlers sozialistische und kommunistische Parteien mundtot gemacht werden.
Simsonplatz, 21.09. 20:00 (anschl. Gespräch mit Gästen, Globale)
Dunkirk
USA/F/GB/NL 2017, R: Christopher Nolan, D: Fionn Whitehead, Mark Rylance, Tom Hardy, 107 min
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Christopher Nolan inszeniert fulminant die Befreiung der französischen Hafenstadt Dünkirchen von den Nazis durch die britischen Streitkräfte anno 1940.
Schaubühne Lindenfels, 15.09. 20:00 (Nolanheimer: Eine Retrospektive, OmU)
Inception
USA/GB 2010, R: Christopher Nolan, D: Leonardo DiCaprio, Marion Cotillard, Cillian Murphy, 148 min
Dom Cobb (Leonardo DiCaprio) und sein Team sind darauf spezialisiert, in Träume anderer Menschen einzudringen und so deren Geheimnisse zu stehlen. Ein neuer Auftrag sorgt aber dafür, dass sie nichts klauen, sondern eine Idee einpflanzen müssen. Christopher Nolans Science-Fiction-Thriller ist einer der besten Vertreter seines Genres.
Schaubühne Lindenfels, 18.09. 20:30 (Nolanheimer: Eine Retrospektive, OmU)
Interstellar
USa 2014, R: Christopher Nolan, D: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Michael Caine, 169 min
Weil die Erde durch den Klimawandel bald unbewohnbar sein wird, bricht eine Raumschiffcrew auf, um nach Planeten zu suchen, die der Menschheit ein neues Zuhause bieten könnten. Vielschichtiger und brillanter Science-Fiction-Film von Christopher Nolan.
Schaubühne Lindenfels, 20.09. 20:45 (Nolanheimer: Eine Retrospektive, OmU)
Kurs Südwest − Das Abenteuer meines Lebens NEU
D 2023, Dok, R: Lukas Borchers, 104 min
Der Göttinger Student Lukas Borchers begibt sich mit seinem Kajak auf eine waghalsige Reise durch Südeuropa.
Kinobar Prager Frühling, 22.09. 18:00 (Premiere mit dem Regisseur)
Kurzfilmwanderung
Saisonende am Kulturkiosk
Kulturkiosk im Lene-Voigt-Park, 21.09. 19:00
Liebe Angst
D 2022, Dok, R: Sandra Prechtel, 81 min
Die Erben von Auschwitz: Eine sich über drei Generationen erstreckende Familientragödie, der sich niemand entziehen kann.
Kinobar Prager Frühling, 21.09. 17:00 (mit der Regisseurin und Gästen, Weltalzheimertag)
Mario
D 2018, R: Marcel Gisler, D: Max Hubacher, Aaron Altaras, Jessy Moravec, 119 min
Mario verliebt sich zum ersten Mal so richtig – und das ausgerechnet in Leon, den neuen Mitspieler in seinem Fußballteam.
Cineplex, 18.09. 20:15 (Pride Night)
Mister Radio
D 1924, R: Nunzio Malasomma, D: Luciano Albertini, Magnus Stifter, Evi Eva, 79 min
In dem stummen Sensationsfilm vollführt Luciano Albertini in seiner Rolle als Gaston de Montfort atemberaubende Stunts vor der Kulisse des Elbsandsteingebirges.
Cinémathèque in der Nato, 21.09. 19:30 (Film & Musik)
Moritzkino
USA 2016, R: Christian Ditter, D: Dakota Johnson, Rebel Wilson, Leslie Mann, 110 min
Das Moritzkino zeigt die Komödie »How to Be Single« über das Liebes- und Beziehungsleben einer Gruppe junger Leute in New York.
Moritzbastei, 14.09. 20:00 (How to be Single)
Music for Black Pigeons
DK 2022, Dok, R: Jorgen Leth, Andreas Koefoed, 92 min
Porträt der Jazzmusiker Jakob Bro, Bill Frisell, Lee Konitz, Paul Motian und Midori Takada.
Passage-Kinos, 17.09. 18:45 (Musikkiste, Preview)
Napoleon Dynamite
USA 2004, R: Jared Hess, D: Jon Heder, Efren Ramirez, Jon Gries, 86 min
Highschool-Loser Napoleon muss sich mit seinem Bruder und seinem fiesen Onkel herumplagen und will nebenbei einen neuen Kumpel zum Klassensprecher avancieren lassen. Absurd-witzige US-Indie-Komödie.
Open-Air-Kino in der Spinnerei, 16.09. 19:45
Roads – Zwischen Düsseldorf und New Orleans
D 2015, Dok, R: Jessica Jacoby, 83 min
Die Filmemacherin Jessica Jacoby strickt aus Briefen ihrer jüdischen Großeltern einen filmischen Dialog, der von der Vertreibung kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, dem Exil in den USA und den Sehnsüchten in der Nachkriegszeit erzählt.
Frauenkultur, 14.09. 18:00 (Film und Gespräch mit der Regisseurin)
Salamandra
F/BRA/D/B 2021, R: Alexandre Carvalho, D: Marina Foïs, Maicon Rodrigues, Anna Mouglalis, 117 min
Catherine verguckt sich im Brasilienurlaub in einen zwanzig Jahre jüngeren Mann.
Regina-Palast, 17.09. 17:00 (Der Sonntagsfilm um 5)
The Illusion Of Abundance
B/BRA 2023, Dok, R: Erika Gonzalez Ramirez, Matthieu Lietaert, 60 min
Der Film begleitet drei Landverteidigerinnen aus Peru, Brasilien und Honduras, die sich in einer der gefährlichsten Regionen der Welt für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, die Menschen für Land und Umwelt einsetzen.
Clara-Zetkin-Park, 20.09. 20:00 (anschl. Gespräch mit Gästen, Globale)
Thrust into Heaven
D 2016, Dok, R: Jürgen Schaflechner, 67 min
Der Dokumentarfilm zeigt Fälle von mutmaßlichen Zwangskonvertierungen zum Islam in Pakistan und versucht dabei gängige Stereotypen zu umschiffen.
Cinémathèque in der Nato, 20.09. 19:30 (OmeU, Screening Religion)
Tscherwonez
D 1982, R: Gábor Altorjay, Janos Marton, Randi Hoffmann, D: Peter Halasz, Istvan Balint, Eva Buchmüller, 92 min
Ein russischer Matrose setzt sich in Hamburg von seinem Schiff ab, um seinen verschollenen Bruder zu suchen. Dabei gerät er ins Visier verschiedener Verfolger, darunter des KGB, der deutschen Geheimpolizei, Journalisten und Waffenhändler. Deutscher Underground-Klassiker im Rahmen der Reihe »Zeitlos«.
Cineding, 16.09. 21:00 (Zeitlos)
Und ruhig fließt der Rhein
D 2021, Dok, R: Oliver Matthes, Volker Klotzsch, 104 min
Eigentlich wollten die beiden Leipziger Filmemacher einen Film über Transidentitäten drehen. Als Caro die Nachricht erhält, dass ihr Vater im Sterben liegt, kommen Missbrauchs-Erlebnisse aus ihrer Kindheit zurück, die sie bis dahin erfolgreich verdrängt hatte. (s. auch kreuzer 06/21)
Schaubühne Lindenfels, 16.09. 18:30 (Letsdok, anschließend Filmgespräch mit der Leipziger Filmeditorin Katharina Wittmann)