»Es gibt einen Trend, enthusiastisch über die Vulva und die Vagina zu sprechen«, sagt Liv Strömquist im Gespräch mit dem kreuzer. Frauen würden dazu aufgefordert: »Sei stolz auf deine Vulva und all die Dinge, die damit zu tun haben.« Das habe sie komisch und witzig zugleich gefunden, erklärt die studierte Politikwissenschaftlerin. »Niemand würde dir zum Beispiel sagen, man solle stolz auf seine Leber sein. ›Wow, du musst darüber nachdenken, wie cool deine Leber ist.‹ Andere Körperorgane sind völlig neutral. Die Art, so über die Vulva zu sprechen, ist die gleiche Weise, wie die Unterdrückung der Vulva läuft, die gleiche Kategorie.« Also machte sie einen Sachcomic über die Vulva: Die deutsche Ausgabe von »Der Ursprung der Welt« erschien 2017. Und schlug ein.
Jedenfalls kannten alle diesen und jüngere Sachcomics der Schwedin, als Ellen Neuser auf Stoffsuche für einen Studioabend war. Die damalige HMT-Schauspielstudentin sah eine Aufzeichnung des Stücks »Liv Strömquist denkt über sich nach«, das die Autorin zusammen mit Theatermacherin Ada Berger verfasst hatte. Ihre Kommilitoninnen brauchte sie nicht lange zu überzeugen. Weil es keine deutsche Übersetzung gab, besorgte Neuser eine solche selbst – zum Glück spricht sie von Hause aus auch Schwedisch. Im Januar feierte die Inszenierung Premiere am Schauspiel.
Neuser fasziniert Strömquists lockerer Ansatz: »Sie springt einfach kurz rein und erklärt gesellschaftliche Probleme.« Die Autorin ergänzt: »Die Wissenschaftssprache ist kompliziert. Ich wollte Wissen leichter zugänglich machen, auch witzig erzählen und damit möglichst viele Leute erreichen.« Dieser Zugang findet sich auch beim neuen Stück, so Neuser, die als Schauspielerin ab dieser Spielzeit am Volkstheater in Rostock engagiert ist. Vom Schauspiel Leipzig wurde sie gefragt, ob sie ein neues Monologstück machen möchte, und dachte wieder an Strömquist. Die »Spieglein, Spieglein, halt's Maul, wir müssen nachdenken« zugrunde liegende Fassung entstand wieder in Zusammenarbeit mit Berger. Neuser hat sie auf eine Schauspielerin zugeschnitten: Paulina Bittner hüpft wie Strömquists Alter Ego in den Comics durch die Panels und Themen, schlüpft in viele Rollen. »Es geht um das Altern der Frau. Schneewittchen setzt sich mit ihrer Zukunft auseinander und fragt, welche Rolle diese für sie parat hält. Es gibt da nur zwei Schubladen, die schöne junge Frau und böse Stiefmutter im Alter.« Das hinterfragt die Inszenierung mit Humor und spielerischem Potenzial. »Wie in der Vorlage wollen wir nicht den moralischen Zeigefinger heben, sondern das Thema auf die Bühne bringen, ohne das Publikum zu überfordern oder vor den Kopf zu stoßen.«
In ihrer eigenen Zukunft würde Ellen Neuser gern beides machen, also schauspielen und inszenieren. Auch Liv Strömquist hat Pläne: »Ich werde zeichnen, bis ich eine alte Frau bin, denke ich.« TOBIAS PRÜWER
> »Spieglein, Spieglein, halt’s Maul, wir müssen nachdenken«: 11.10., 20 Uhr (Premiere), 18., 25.10., 20 Uhr, Schauspielhaus/Foyer