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Stadtleben

»Boule ist zu 50 Prozent Psychokrieg«

Probetraining bei Stahlball Leipzig

  »Boule ist zu 50 Prozent Psychokrieg« | Probetraining bei Stahlball Leipzig  Foto: Maika Schmitt

Es ist ein warmer Septembernachmittag und mein Handy lotst mich zu einem Parkplatz auf der Alten Messe: Schotter, ein paar Bäume, Laternen. Ich werde von Jan Bilitewski erwartet, der mir heute die Grundregeln im Boule-Spielen beibringen will. Jan ist, ganz entgegen dem Klischee, kein alter Franzose, sondern ein 33-jähriger Wahl-Leipziger. Und entspricht damit dem Durchschnitt im Stahlball-Verein, der 2017 gegründet wurde.

Boule kenne ich nur aus dem Park und von Kindergeburtstagen – ich bin also blutige Anfängerin. Aber das muss gar nicht schlecht sein, wie mir Jan erklärt: Am schwierigsten sei es, gegen Neulinge und Betrunkene zu spielen. Beide unberechenbar. Nach dem ersten Kugelwerfen bin ich mir nicht sicher, ob das stimmt. Während Jans Kugeln sehr präzise dort landen, wo er sie haben will, kullern meine meist um Längen am Ziel vorbei. Also folgen Wurfübungen. Jan gibt Tipps: Die Kugel gut festhalten, den Arm gerade von hinten nach vorne schwingen und die Kugel beim Loslassen nach vorne drücken. Außerdem sollte sie idealerweise einen Bogen beschreiben. Und tatsächlich: Als ich versuche, alles zu bedenken, landet die Kugel da, wo sie soll. Und es bleibt nicht bei diesem Glückstreffer. Jan lobt mich überschwänglich, ich bin ein bisschen stolz, denke nicht mehr an alle Tipps – und schon landet die Kugel wieder weit weg vom Schweinchen, der etwa kirschgroßen Holzkugel, die das Ziel ist (auch: Cochonnet). »Boule ist vor allem ein Mentalspiel«, sagt Jan. Während ich weiter an meiner Technik feile, treffen immer mehr Vereinsmitglieder ein und beginnen, sich warmzuwerfen.

Der Verein hat inzwischen etwa 50 Mitglieder und drei Mannschaften in der Liga Ost, in der Vereine aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt spielen. Dresden ist ungeschlagener Meister, aber der Stahlball sägt fleißig am Thron, wie mir Jan grinsend versichert. Beim Boule – oder korrekt: Pétanque – gibt es drei verschiedene Spielmodi: Tête-à-tête (eins gegen eins), Doublette (zwei gegen zwei) und Triplette (drei gegen drei), insgesamt mit je sechs Kugeln pro Team. Ziel ist es, die eigenen Kugeln so nah wie möglich an besagtem Schweinchen zu platzieren. Gegnerische Kugeln darf man wegschießen. Am Ende bekommt die Mannschaft einen Punkt, deren Kugel dem Schweinchen am nächsten liegt. Bei zwei Kugeln zwei Punkte und so weiter. Gewonnen hat, wer zuerst 13 Punkte erreicht.

Nun beginnt das eigentliche Training. Jan hat sieben Stationen im Schotter aufgebaut. Es geht darum, auf unterschiedlichen Untergründen zu werfen, Kugeln wegzuschießen oder präzise ein bestimmtes Ziel zu treffen. Bei der letzten Station sind das Haselnüsse. Aber so weit komme ich gar nicht, denn wer eine Station geschafft hat, darf mit der nächsten Person tauschen. Meine Freude ist groß, als ich Station zwei nach relativ kurzer Zeit erreiche. Doch sie währt nicht lange, bald muss ich meinen Platz wieder aufgeben. Aber mein Ehrgeiz ist geweckt und irgendwann erreiche ich sogar Station drei, bei der ich eine andere Kugel wegschießen muss. Ich merke: Das macht mir besonders Spaß und klappt ganz gut. »Da spielt jemand nicht das erste Mal oder hatte einen sehr guten Trainer«, höre ich hinter mir und gebe gerne zu: Die Treffsicherheit liegt definitiv an Zweiterem.

»Das Schöne am Boule ist, dass alle zusammen spielen können, egal ob jung oder alt, Anfänger oder Profi. Es kann immer spannend werden«, schwärmt Jan. Das möchte ich im echten Spiel ausprobieren. Wir spielen zwei gegen zwei. »Boule ist zu 50 Prozent Psychokrieg«, erklärt mir mein Teamkollege Dorian augenzwinkernd. Es sei auch wichtig, französische Begriffe einzustreuen, also »Allez, Maika!« Am Ende verlieren wir zwar, aber bestimmt nur knapp. Wie im Flug sind drei Stunden vergangen. Manchmal werden noch bis in die Nacht Kugeln gelegt und geschossen, erzählt Jan. Die Teammitglieder treffen sich in unterschiedlicher Konstellation fast jeden Tag zum Spielen. Nur im Winter ist es zu ungemütlich, weshalb der Verein gerade auf der Suche nach einer geeigneten Halle ist. Boule-Begeisterte und Neugierige sind immer willkommen, das habe auch ich gemerkt. Bei der Verabschiedung heißt es mehrmals: »Komm gerne mal wieder vorbei!«


> Training: Mi 17 Uhr, Anmeldung und Infos (zum Ort) unter: vorstand@stahlball.rocks, www.stahlball.rocks


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